Flucht vor dem BGH ab 2014 zu Ende?

Versicherern, Banken, Stromanbietern oder sonstigen Großunternehmen soll es künftig deutlich erschwert werden, Grundsatzurteile zu verhindern, die Millionen von Verbrauchern betreffen. Darauf verweist Peter Bert, Partner der Anwaltskanzlei Taylor Wessing aus Frankfurt, in der FAZ.

Laut dem Experten Bert gilt ab 2014 eine modifizierte Zivilprozessordnung, die es den Unternehmen nicht mehr so einfach möglich macht, kurz vor einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Prozess auszusteigen. Geändert wurden im Rahmen des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten die §§ 565 und 555 der Zivilprozessordnung. Danach ist nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung die Rücknahme der Revision nur noch mit Einwilligung des Gegners möglich. Banken, Versicherer oder sonstige Unternehmen können zudem künftig auch nicht einfach mehr die Klageforderung anerkennen und so ein begründungsloses Anerkenntnisurteil erreichen. Dies ist nämlich nur noch auf gesonderten Antrag des Klägers möglich.

Damit kann eine Entscheidung des BGH ab dem Beginn der mündlichen Verhandlung nicht mehr von einer Partei einseitig verhindert werden. In der mündlichen Verhandlung ist nämlich in aller Regel zu erkennen, in welche Richtung das Urteil gehen wird.

Sieg für Versicherungsombudsmann
Der Gesetzgeber hat damit auf Forderungen von Verbraucherschutzverbänden und des Versicherungsombudsmanns, Professor Günter Hirsch, reagiert. Der Schlichter hatte in der Vergangenheit immer wieder den Gesetzgeber aufgefordert, die Zivilprozessordnung zu ändern, um den Verbraucherschutz zu stärken. Systematisch hätten in den letzten Jahren ganze Wirtschaftsbranchen die Revision zum Nachteil der Kunden missbraucht. "Die Unternehmen verhindern Grundsatzurteile dadurch, dass sie kurz vor Urteilsverkündung die Forderung des einzelnen Kunden befriedigten oder die Revision vor dem Bundesgerichtshofs (BGH) zurücknehmen", so Hirsch.

So hätte die Assekuranz beispielsweise jüngst Urteile verhindert, in denen es um die Zulässigkeit von Ratenzahlungen, die Falschberatung beim Abschluss von Lebensversicherungen oder die Angemessenheit hoher Abzüge nach Kündigung ging. Bei Entscheidung durch den BGH hätten Millionen von Versicherten ihre Rechte sofort durchsetzen können. Zudem sind auch dem Versicherungsombudsmann in diesen Fällen die Hände gebunden. "Nach der Verfahrensordnung darf ich Verbraucherbeschwerden von grundsätzlicher Bedeutung nicht entscheiden", kritisierte Hirsch. Viele Kunden kämen somit jahrelang nicht zu ihrem Recht. In allen Fällen solle es um Milliarden Euro von Rückzahlungsansprüchen der Kunden gehen.

Beide Parteien müssen einverstanden sein

Solches Taktieren von Unternehmen soll nun nicht mehr legitim sein. Damit dürften druckreife Entscheidungen künftig nicht mehr einfach in den Papierkorb wandern und auch eine Weiterentwicklung des Rechts wird wieder möglich. Laut Jurist Bert kann in Zukunft eine Leitentscheidung nur noch verhindert werden, wenn beide Parteien einverstanden sind. Bei Verfahren, die von Verbraucherschutzverbänden nach Karlsruhe gebracht werden und als Musterklage konzipiert sind, dürfte das aber nach Einschätzung des Experten in aller Regel aber nicht der Fall sein.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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