Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung bedroht

Die öffentliche Wahrnehmung der privaten Krankenversicherung (PKV) ist auf einem historischen Tiefpunkt, so die These einer Untersuchung von Bain & Company. Ein Grund für die Ablehnung seien die hohen Beitragssteigerungen. Sie nähmen in den letzten Jahren deutlich stärker zu als das Bruttosozialprodukt und verringerten so das verfügbare Haushaltseinkommen der Privatversicherten.

Zudem setzten gesetzliche Regelungen, wie die neuen Unisex-Tarife oder die notwendige Anpassung des kalkulatorischen Rechnungszinses die neuen Tarife unter Druck. Entsprechend lahme das Neugeschäft. Aber das sei noch nicht alles: Das gesamte Geschäftsmodell der deutschen PKV sei bedroht, denn die Einführung einer Bürgerversicherung werde eines der zentralen Themen im Bundestagswahlkampf 2013.

Bescheidene Gewinne durch Niedrigzinsperiode
Die private Krankenversicherung ist nach Ansicht der Managementberatung aus München von den rapide steigenden Kosten für medizinische Leistungen besonders betroffen: Zwischen den Jahren 2008 und 2010 erhöhten sich die Ausgaben jedes Jahr um durchschnittlich 5,2 Prozent. In früheren Jahren hätten die privaten Versicherer solche Mehrausgaben mit Gewinnen aus Rücklagen abfedern können.
Die anhaltende Niedrigzinsperiode ließe Gewinne jedoch bescheiden ausfallen. Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren würden derzeit mit lediglich 1,5 Prozent verzinst. Die Krankenversicherer müssten die steigenden Leistungsausgaben deshalb direkt in Form von höheren Beiträgen an ihre Versicherten weitergegeben. Das habe das Image und die Attraktivität der privaten Krankenversicherung empfindlich getroffen. In den kommenden Jahren rechneten die Versicherer deshalb mit einem stagnierenden Neugeschäft.

"Es ist ein kritischer Punkt erreicht, an dem die privaten Krankenversicherungen alle Hebel in Bewegung setzen müssen um das Thema Beitragssteigerung zu adressieren", sagt Christian Kinder, Partner mit Beratungsschwerpunkt Versicherungen bei Bain & Company in München. "Dies umfasst Leistungsmanagement, Kündigermanagement, Risikomanagement und Tarifwechslermanagement. Sonst wird die Attraktivität der PKV weiter sinken."

Einkommensschwache Privatversicherte
In ihrem Versicherungsbestand litten die privaten Krankenversicherer zudem an einem Phänomen, das sie selbst verursacht hätten. Denn das Wachstum der letzten zwei Jahrzehnte hätte auf Billigtarifen und hohen Maklervergütungen beruht. Die Folge: Entgegen dem allgemeinen Image sei eine zunehmende Zahl an Privatversicherten einkommensschwach. Und: mmer mehr Versicherte könnten ihre gestiegenen Beiträge nicht mehr bezahlen. Diese so genannten Nichtzahler genössen Kündigungsschutz; die von ihnen in Anspruch genommenen Gesundheitsleistungen müssten durch den noch profitablen Versicherungsbestand getragen werden. Die Einführung, eines noch unterhalb des Basistarifs angesiedelten "Nichtzahler-Tarifs", wie aktuell seitens der Politik diskutiert, könnte hier Abhilfe schaffen. Nicht zuletzt leide die PKV unter zunehmender Regulierung: Der gesetzlich geforderte Basistarif, die Begrenzung der Vermittlerprovisionen, die neuen Unisex-Tarife - all diese Regelungen trieben die Kosten und erschwerten das Neugeschäft.

Intelligente Gegenstrategien gefragt
Die Antworten der privaten Krankenversicherer auf diese Herausforderungen müssen auf mehreren Ebenen erfolgen. Auf der Einnahmenseite könnten eine klare Tarifstruktur und ein organisiertes Wechselmanagement künftig dafür sorgen, dass jeder Versicherte die Police erhält, die seinem Risikoprofil entspräche.

Im Vertrieb müssen die etablierten Neugeschäftsstrategien durch ein neues System ersetzt werden. Bessere Beratung sowie ein attraktives und verständliches Tarifsystem seien die eine Seite. Die andere Seite sei eine umfassendere Gesundheits-Vorsorge über Zusatzversicherungen.
"Die Zusatzversicherung könnte das Push-Geschäft der Zukunft werden", so Versicherungsexperte Kinder. "Hier sind innovative Produkte gefragt, die künftig auch nicht mehr durch die Vollversicherung querfinanziert sein dürfen."

90 Prozent sind zu Koopertionen bereit
Kostenseitig gelte es, die bereits begonnenen Maßnahmen im Leistungsmanagement weiter zu forcieren. Neben klassischer Kostensenkung zur Entlastung der Tarife umfasse dies auch alternative Ansätze, wie Kooperationen. So seien nach einer Studie von Bain & Company über 90 Prozent der Leistungserbringer im Gesundheitssektor zu Kooperationen mit privaten Krankenversicherungen bereit. Über 80 Prozent würden auch einer Direktabrechnung mit der PKV zustimmen - also ohne Zwischenschaltung des Kunden.

Quelle: Bain & Compan; Bild: © Christian Riedel /

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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