Gescheitertes Sepa-Begleitgesetz: Vorerst keine neuen Abzüge bei Lebensversicherungen

Zu großer Verwirrung hat die Entscheidung des Bundesrates geführt, ein geplantes Gesetz zu Versicherungen nochmals zu überprüfen. Damit werden Kunden, die ihre Lebensversicherung ausbezahlt bekommen, weiterhin an Bewertungsreserven auf festverzinsliche Anlagen beteiligt. Zwar gibt es nun keine nationale Rechtsgrundlage für die Einführung gleichgeschlechtlicher Tarife. Die Unisex-Tarife kommen aber trotzdem.

Auch ohne nationales Gesetz dürfen die Versicherer nach dem 20. Dezember 2012 keine Tarife mehr verkaufen, bei denen Frauen und Männer unterschiedliche Preise zahlen. Die Verzögerung des deutschen Gesetzgebers verhindert die Einführung nicht, betont die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Das entsprechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dominiert anderslautendes nationales Recht. Gleichzeitig droht die Aufsicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Für Versicherungsunternehmen, die nach dem 20. Dezember noch Bisex-Tarif anbieten würden, gebe es „große Rechtsrisiken“. Verbraucherschützer sind hingegen skeptisch. „Es ist jetzt weiterhin möglich alte Bisex-Tarife zu verkaufen“, warnt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) aus Hamburg. Sicherheitshalber sollten Verbraucher sich schriftlich bestätigen lassen, dass sie einen Uni-Sex-Tarif erhalten haben.

Müssen an Bewertungsreserven beteiligt werden
Für Lebensversicherungen bleibt es erst einmal bei altem Recht. Demzufolge müssen die Kunden, die kündigen oder deren Verträge auslaufen, mit 50 Prozent an allen Bewertungsreserven beteiligt werden, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und die Aufsicht bestätigt. Eine Neureglung kann frühesten Ende Februar 2013 in Kraft treten. Weiterhin droht Lebensversicherungskunden, deren Verträge bald auslaufen, dann eine Kürzung ihrer Beteiligung an den Bewertungsreserven. Diese Reserven entstehen, wenn der Marktwert eines Wertpapiers über dem Buchwert liegt.

Dabei kann es für die Kunden um viel Geld gehen. "Je nach Versicherer und Vertrag reichen die Beteiligungen an den Bewertungsreserven von Null bis über zehn Prozent des ausgewiesenen Rückkaufswert", heißt es von Cashlife aus Pullach. So soll beispielsweise Marktführer Allianz im Schnitt Bewertungsreserven von sieben bis zehn Prozent des Rückkaufswerts auszahlen. Bei der Debeka wären es aktuell hingegen nur vier Prozent. Cashlife, Policendirekt oder Lifebond kaufen gebrauchte Lebensversicherungen auf und können für Kunden eine Alternative zur Kündigung sein.

Vorzeitige Kündigung wirklich sinnvoll?
Kunden sollten genau prüfen, ob sich eine vorzeitige Kündigung sinnvoll ist, um die Bewertungsreserven nach heutigem Recht mitnehmen zu können. Bei der AachenMünchener Versicherung gibt es beispielsweise auf Anfrage eine Wertmitteilung, die auch den Anteil der Bewertungsreserven ausweist. Ähnlich informieren andere Versicherer. Die meisten Kunden können, wenn sie monatlich ihre Prämie zahlen, noch bis Ende 2012 vorzeitig kündigen. Dies bestätigen AachenMünchener, Allianz und R+V. Fristgerecht, so die Allianz, ist die Kündigung, wenn Posteingangsstempel bis 31. Dezember 2012 auf dem Schreiben ist. Scheinbar gibt es aber auch andere Kündigungsregeln. So besteht die Ergo Lebensversicherung auf einer Kündigungsfrist von einem Monat. Frühestens können Ergo-Kunden, die monatlich zahlen, daher zum 1. Februar 2013 aussteigen.

Unerwartet deutlich warnt die Aufsichtsbehörde vor einer vorschnellen Kündigung von Lebensversicherungen. „In jedem Fall ist die Kündigung des Versicherungsvertrags auch mit Nachteilen verbunden“, heißt es bei der BaFin. So erhielten die Versicherungsnehmer bei einer Kündigung geringere Schlussüberschüsse und müssten einen so genannten Stornoabzug hinnehmen. Die R+V und die Ergo weisen daraufhin, dass Kunden damit die Option auf eine lebenslange Rente verlieren würden.

Neue Policen weisen oftmals deutlich schlechtere Bedingungen auf
Außerdem könnten Kunden den Schutz für Hinterbliebene und gegen Berufsunfähigkeit gefährden. Neue Policen können meist nur zu deutlich schlechteren Bedingungen abgeschlossen werden. Zudem müsse die derzeitige Verzinsung an den Märkten berücksichtigt werden. „Bei der Entscheidung für eine alternative Anlage in andere Finanzprodukte ist das schwierige aktuelle Marktumfeld zu berücksichtigen“, so die BaFin. Die Streichung der 50-prozentigen Beteiligung an den Bewertungsreserven, die nur für festverzinsliche Anlagen gelten soll, ist nach Meinung von Experten sinnvoll und notwendig.
„Diese Ausschüttung schädigt verbleibenden Kunden nachhaltig“, sagt Reiner Will, Geschäftsführer der Rating Agentur Assekurata aus Köln. „Mit der geplanten Neuregelung sind die Garantien und Überschüsse der Kunden, die erst in Zukunft ihre Leistung erhalten, deutlich sicherer“, so Will. Die bisherige Regelung war 2008 vom Gesetzgeber eingeführt worden. Dabei war nach Meinung von Will aber scheinbar die Auswirkung einer Niedrigzinsphase übersehen worden.

So führten stark sinkende Zinsen gleichzeitig zu steigenden Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere, die die Versicherer noch aus Zeiten höherer Zinsen im Bestand haben. Laut dem GDV entstehen diese Bewertungsreserven aber nur fiktiv. „Sie lösen sich im Zeitablauf durch die Auszahlungen der jährlichen Zinsen oder bei einem Zinsanstieg wieder vollständig auf.“ Entsprechend würde den Assekuranz kein zusätzliches Kapital zur Verfügung stehen. Geplant ist nun eine Neuregelung, die besondere Härten für aktuell ausscheidende Kunden abmildern soll.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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