Gewinnmaximierungsmodell Versicherungsberater

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Das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der IDD wird durch den Neuordnungsvorschlag der gewerberechtlichen Erlaubnisse für Vermittler und für Berater massiv belastet. Dabei hat dies weder etwas mit der Richtlinie zu tun, noch ist es durchdacht.

Es gibt wohl derzeit zwei große Streitpunkte in der parlamentarischen Beratung des „Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 (…) über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes“.

Fernabsatzprivileg und Honorarberatung als Streitpunkte
Nach Informationen aus dem Umfeld der Verbände handelt es sich dabei um die geplante Streichung des Fernabsatzprivilegs der Versicherungsunternehmen, wonach diese und nur diese im Fernabsatz von Versicherungen weder den Kunden befragen noch beraten, begründen und dokumentieren müssen. Dies ist richtlinienwidrig, denn die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) verlangt auch im Fernabsatz mindestens den Kunden nach Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, das Angebot daraufhin auszurichten sowie es zu begründen, dies in Textform quasi als Dokumentation.

Der andere große Streitpunkt ist die geplante Änderung der Gewerbeordnung mit den Erlaubnissen für Versicherungsvermittler (§ 34d Absatz 1 GewO-E) und für Versicherungsberater (§ 34d Absatz 2 GewO-E). Die Auseinandersetzung ist so massiv, dass ein Maklerverband kürzlich seinen Mitgliedern mitteilte, dass er auch ein Scheitern des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr ausschließe.

Neuordnung nicht von der IDD vorgegeben
Bekanntlich will die Bundesregierung die Honorarberatung fördern, so steht es im Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Mit der Umsetzung der IDD hat das überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil ist die Europäische Richtlinie weitgehend neutral, was die Art der Vergütung der Versicherungsvertreiber angeht.

Die Richtlinie verlangt lediglich, dass Vermittler künftig dem Kunden mitteilen, welche Art Vergütung sie von wem erhalten, also Provision bzw. Courtage vom Versicherer oder eine Gebühr vom Kunden. In Europa spricht man ganz bewusst nur von Gebühr und nicht von Honorar. Nach europäischem Verständnis ist eine Gebühr die Vergütung des Vermittlers, die vom Kunden statt vom Versicherer bezahlt wird. Der deutsche Begriff Honorar steht eigentlich für eine „Ehrengabe“ an einen Angehörigen eines freien Berufs, der seine Zeit und sein Wissen vergütet erhält.

Aus dieser Tradition stammt auch der Versicherungsberater. Der Versicherungsberater wurde bis 2007 als „kleiner Rechtsanwalt“ den freien Berufen zugerechnet und erhielt seine Erlaubnis rein als Rechtsberater, der seine Tätigkeit meist nach der Rechtsanwalts-Gebührenverordnung abrechnete. Dass der Versicherungsberater im Gewerberecht landete, lag daran, dass sich Deutschland mangels Begriffsklärung schwer damit tat, diesen Berufsstand in die neue Welt der EU-Vermittlerrichtlinie einzusortieren.

So wurde nach Rücksprache der Bundesregierung mit der EU-Kommission daraus ein Versicherungsvermittler, der sich aber im Unterschied zum Vermittler als Berater bezeichnen darf, obwohl Beratung einfach nur eine von mehreren Tätigkeiten darstellt, die nach der Definition der Richtlinie zur Versicherungsvermittlung gehört. Das ist auch nach der Vertriebsrichtlinie keineswegs anders. Beratung ist dort ein – fakultativer, nicht zwingend zu erbringender – Bestandteil des Versicherungsvertriebs.

Der vermittelnde Berater ist schlicht ein Vermittler
Nach dem Vorschlag der Bundesregierung soll der Versicherungsberater neuer Art nun nicht nur rechtlich beraten, sondern auch „die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen“ übernehmen. Damit will man dem Versicherungsberater das vollständige Tätigkeitsspektrum eines Versicherungsvermittlers –Vertreters oder Maklers – eröffnen. Warum er sich dann als unabhängiger bezeichnen können soll als ein klassischer Vermittler, leuchtet nicht ein.

Denn der „vermittelnde“ Versicherungsberater ist nichts anderes als ein Versicherungsmakler, der sich abweichend von der von Kunden weithin akzeptierten und gewünschten Übung, dass der Versicherer die Vergütung trägt, sich vom Kunden bezahlen lässt – und zwar für exakt dieselbe Tätigkeit, nämlich einem Kunden Versicherungen anzubieten, zu beraten und erfolgsorientiert den Abschluss herbeizuführen. Diese Akzeptanz der Provision ist übrigens selbst in Ländern mit Provisionsverbot wie Großbritannien und Niederlande keineswegs gesunken, wie eine Studie der Assekurata zeigt. Statt dass die Verbraucher nun alle Honorar bezahlen wollen, ziehen sie viel mehr als die Deutschen die Selbstberatung im Internet vor.

Der nutzenmaximierende Berater denkt wie der Vermittler
Auf der Suche nach Gründen für die Neuordnung landet man immer wieder bei der Behauptung, dass die Provision einen falschen Anreiz setzt, unter Umständen überflüssige oder überteuerte Versicherungen zu vermitteln. Nach demselben Theorieansatz sollte man auch den Versicherungsberater neuer Prägung betrachten, der schlicht ein Versicherungsmakler mit erweiterter Flexibilität seiner Gebührengestaltung ist. Ein Beispiel dazu:

Einem Kunden wird eine über 35 Jahre aufgeschobene Lebensversicherung mit einer Beitragssumme von 60.000 Euro angeboten. Ein Versicherungsvertreter würde marktüblich ungefähr 25 Promille Abschlussprovision erhalten. Außerdem wird die Beitragssumme um einen Laufzeitfaktor abgesenkt, der mit zehn Prozent angenommen wird. Im Ergebnis gibt es für diesen Vertrag 1.350 Euro Abschlussprovision. Ein Versicherungsmakler würde marktübliche 40 Promille erhalten. Bei demselben Laufzeitfaktor wären das 2.160 Euro Abschlusscourtage.

Zum Glück können die Kunden keinen Zinseszins rechnen
Der Versicherungsberater kann künftig nun als einziger Anbieter einen Nettotarif anbieten. Bei gleichem Beitrag kann er dem Kunden beispielsweise 6.000 Euro mehr Ablaufleistung in Aussicht stellen. Verlangt er dafür 3.000 Euro Honorar, freut sich der typische Kunde, gegenüber einem Vermittler 3.000 Euro billiger davonzukommen. Dass die 3.000 Euro schon allein bei einer Inflationsrate von zwei Prozent identisch sind mit den gar nicht einmal garantierten 6.000 Euro mehr Ablaufleistung, wird der nutzenmaximierend denkende Versicherungsberater dem Kunden nicht wohl kaum freiwillig vorrechnen. Dass unter Annahme einer langjährigen Verzinsung von drei Prozent die 3.000 Euro heute knapp 8.500 Euro in 35 Jahren entsprechen und der Kunde bei dieser Vertragsgestaltung mit dem Versicherungsberater 5.500 Euro verliert, wohl erst recht nicht.

Spiel mit der Provisionsdurchleitung
Ein nutzenmaximierender Versicherungsberater könnte aber noch anders agieren. Interessanter wird es, dem Kunden einen Bruttotarif anzubieten. Denn dann kann er dem Kunden einen Rabatt durch die Durchleitung der Vermittlungskosten in Aussicht stellen und sein eigenes Honorar relativieren. Ein Beispiel dazu: Der Versicherer im obigen Beispiel ermittelt durchschnittliche Vermittlungskosten – wozu nicht nur die Abschlussprovisionen gehören– von 45 Promille und leitet davon 80 Prozent oder 36 Promille an den Kunden durch. Bei dem obigen Vertrag wären das 2.160 Euro.

Nun bieten sich drei Möglichkeiten der Honorargestaltung an. Hat der Versicherungsberater einen unkritischen Kunden vor sich, könnte er ihm ein Honorar von 4.000 Euro in Rechnung stellen, die hohe Summe aber mit Hinweis auf den Rabatt auf die Prämie in Höhe von 2.160 Euro relativieren.

Beim besser informierten Kunden wird der Versicherungsberater wohl eher nur die 2.160 Euro in Rechnung stellen unter Hinweis darauf, dass der Kunde das Honorar als Rabatt zurückerhalten wird und damit die Beratung kostenlos war. Übrigens genau die Argumentation, die Verbraucherschützer Vermittlern vorwerfen.

Eine dritte Variante ist, dass Versicherungsberater gezielt Kunden ansprechen, die sich von Vermittlern, die nur noch gegen Provision tätig werden dürfen, bereits haben beraten lassen. Diese werden dann mit dem Versprechen angelockt, nur 1.000 Euro Honorar zahlen zu müssen und dafür 2.160 Euro Rabatt zu erhalten. Die Schnäppchenjäger freuen sich, Vermittler gehen leer aus und der Berater hat ohne Beratungsaufwand 1.000 Euro verdient. Was das alles mit Verbraucherschutz zu tun hat, wird in der Gesetzesbegründung nicht erläutert.

Autor(en): Matthias Beenken

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