Glosse: Was auf der DKM fehlte

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Der Digitalisierungs-Hype ist auch auf der wichtigsten Branchenmesse angekommen. Aber einige intelligente Ideen waren dort noch nicht vertreten.

Die Fintechs erobern mit sehr viel Investorengeldern und manchmal auch viel blühender Fantasie Marktnischen. Kaum eine Vortragsveranstaltung mit strategischen Themen kommt deshalb derzeit ohne den Hinweis auf die Digitalisierung und deren Geschäftschancen, aber auch Risiken für klassische Geschäftsmodelle aus. Das gilt auch für die DKM, die vergangenen Donnerstag zu Ende ging. Sie war wieder weitgehend vom analogen Dialog der Versicherer mit Maklern, Mehrfachvertretern und teilweise inkognito anwesenden Ausschließlichkeitsvertretern geprägt. Einige für die Branche sehr hilfreiche Ideen fehlten allerdings, wie der nachfolgende, allerdings nicht ganz ernst gemeinte Überblick zeigt.

Nachwuchs drucken
Während in China bereits ganze Häuser mit 3D-Druckern in riesigen Fabrikhallen gedruckt werden, ist immer noch kein Dienstleister auf die Idee gekommen, einen 3D-Drucker für Vermittlernachwuchs anzubieten. Hier könnten die unglaublichen Mengen an verfügbarem Beteiligungskapital sinnvoll eingesetzt werden. Die Nachfrage wäre gigantisch, klagen doch alle Versicherer über die Überalterung sowohl der freien als auch der Ausschließlichkeitsvertriebe.

Das Thema 3D-Druck würde auch Raum für unterschiedliche Geschäftsmodelle bieten. Neben der Hardware dürfte erfolgsentscheidend werden, differenzierte Druckvorlagen zu erstellen und über das Internet zu verbreiten. Die Standardmodelle "Makler" und "Ausschließlichkeitsvertreter" könnten so um zahlreiche Varianten bereichert werden, die den jeweiligen Absatzwünschen der Gesellschaften besonders gut entsprechen. Einige davon dürften allerdings nur im nicht frei zugänglichen Dark Web angeboten werden, um das Image der Branche nach MEG AG & Co. nicht erneut in Gefahr zu bringen.

Fliegende Besen
Vermisst wurden auf der diesjährigen, 19. DKM erneut die Schneeschaufeln, Besen und andere sperrige Wurfartikel, mit denen Aussteller auf früheren Messen auf sich aufmerksam machten. Diese bei den Teilnehmern überaus beliebten Artikel waren vom Messebetreiber verboten worden. Dabei könnte der berechtigten Sorge um die Gesundheit anderer Messeteilnehmer im Fall einer Begegnung auf engstem Raum recht einfach Rechnung getragen werden.

Statt abzuwarten, bis Amazon und Walmart in den USA eine Fluggenehmigung für den kommerziellen Warentransport per Drohnen in einem dafür bereitgestellten Luftraum erhalten, könnte sich die deutsche Finanzdienstleistungswirtschaft innovativ zeigen. Der Luftraum selbst über den doppelgeschossigen Messeständen sollte bei intelligenter, digitaler Luftraumüberwachung ausreichen, das beschwerliche und gefährliche Abschleppen der Werbematerial-Gebirge auf angenehme Art per Drohne zu erledigen.

Drohnen liefern direkt ins Maklerbüro
In einer Ausbaustufe könnten dann in Abstimmung mit dem Luftfahrt-Bundesamt die Drohnen auch die Hallen verlassen und die für unabhängige Sachwalter der Kunden unentbehrlichen Büro- und Hausartikel mit Werbeaufdrucken der Versicherer und Pools frei Haus zum Maklerbüro anliefern. Auch die von Paketdiensten erwogene Lösung, Boten per Ferndiagnose den Standort des Makler-Pkw zu verraten und den Kofferraum zu öffnen, damit bei Anlieferung der Werbeware niemand mehr persönlich anwesend sein muss, wäre sogar unmittelbar auf dem DKM-Gelände zu realisieren. Streit wird es wohl noch um die Normgröße der Besen geben, damit diese auch in den Kofferraum von Cabrios und Sportfahrzeugen eingelagert werden können.

Fehlende Lösungen für Versicherungsprodukte

Kritik muss man an den Lebensversicherern üben. Es gibt eigentlich gar keinen Grund, über den einbrechenden Umsatz wegen der Niedrigzinsen und damit der fehlenden Attraktivität der Produkte zu jammern. Angesichts der schieren Verzweiflung von Anlegern auf der Suche nach Anlagegelegenheiten, die sie beispielsweise auf Crowdinvesting-Plattformen treiben, könnten die Lebensversicherer mit Fintechs zusammen Lösungen anbieten. Nachdem sich nicht mehr genügend neue Provisionsabgabe-Portalgründer finden lassen, die sich erst von Spielverderbern wie dem Kölner Landgericht die trotz Provisionsabgabe bestehenden Pflichten eines Maklers erklären lassen müssen, könnten die Anleger-Crowds auf etwas Neues aufmerksam gemacht werden. Als willkommene Abwechslung gilt es, das Investment in echte Vermittler zu entdecken, die - allerdings recht traditionell eingestellt - Kunden beraten und diesen Versicherungen verkaufen wollen.

Der Vorteil: Diese Vermittler müssten nicht mehr von den Versicherern aus dem Lebensversicherungsprodukt heraus finanziert werden, was die Kalkulation entsprechend attraktiver ausfallen lässt. Neben institutionellen Anlegern kämen übrigens vor allem die Lebensversicherungskunden selbst als Crowd-Investoren in Frage. Das sollte zudem steuerlich gefördert werden, um Kleinanleger endlich in der Breite an die Segnungen der Kapitalmärkte heranzuführen.

Steuersoftware neu nutzen

Zum Thema Courtagen fehlt außerdem ein weiteres, findiges Fintech. Mittels spezieller Vergleichswebseiten sollte sich nämlich durchaus herausfinden lassen, wo es im Zeitalter der Honorarberater noch die letzten Courtagen zu verdienen gibt. Dieses Geschäftsmodell wäre zwar nur zeitbefristet erfolgversprechend, bis Frau Dr. Sahra Wagenknecht Bundeskanzlerin wird und den Kapitalismus abschafft. Aber bis dahin wäre sicher noch der eine oder andere Euro mit der Geschäftsidee zu verdienen.

Nachdem die Steuersoftware für das Erkennen von Abgas-Testanordnungen in der Kfz-Industrie arbeitslos geworden ist, wäre eine Zweitverwertung für die Finanzdienstleistungsindustrie denkbar. Deren Produkte würden im Testlabor des Verbraucherschutzes selbst dann alle Abschlusskosten-Emissionen einhalten, wenn sie unter realitätsfernen Laborbedingungen als Frühstornierungsprodukte eingesetzt werden.

Erst wenn die Produkte realitätsnäher auf die Lebensstraße der Kunden kommen und tatsächlich einmal längere Zeit bespart werden, würden sich die nicht eben sozialverträglichen Abschaltvorrichtungen bemerkbar machen. Da es aber dank intensiver Verbraucheraufklärung der Medien und des Verbraucherschutzes über die schädlichen Abschlusskosten-Emissionen zum Glück selten geworden ist, dass Kunden ihre Lebensversicherungen und andere Langfristanlagen tatsächlich langfristig behalten, wird dies nicht auffallen, und den Anbietern bleibt das Schicksal von Volkswagen erspart.

Spaß beiseite

Die DKM hat in aller Ernsthaftigkeit einmal mehr gezeigt, dass sich die Vermittlerbranche professionalisiert und sich auf die in dieser Glosse karikierten Herausforderungen konstruktiv einstellt.
Das ist auch notwendig, denn am Rande war zu erfahren, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) derzeit Abfragen bei den Versicherern durchführt. Offenbar soll festgestellt werden, wie ernsthaft das Lebensversicherungsreform-Gesetz umgesetzt worden ist, und ob die Courtagen, Provisionen und sonstige Abschlusskosten gesenkt werden konnten. Der "Druck auf die Abschlusskosten" bei gleichzeitig weiter steigenden Anforderungen an Beratungsqualität und Weiterbildung nimmt Gestalt an.

Die betriebswirtschaftliche Realität der Vermittler verändert sich dadurch deutlich. Insofern zeugt es von einer gesunden unternehmerischen Einstellung, wenn immer mehr Makler neue Vergütungsmodelle, neue Betreuungsmodelle oder neue digitale Prozesse testen, oft auch in Kooperation mit Spezialisten aus der neuen Welt der Internet-Geschäftsmodelle. Allerdings wird dies auch noch manchen Irrweg einschließen.

Bildquelle: © jmb studio istockcom

Autor(en): Matthias Beenken

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