Grundrente zieht viel Bürokratie nach sich

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Nach monatelangen Diskussionen hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundrente für langjährige Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschlossen. Rund 1,3 Millionen Menschen, darunter viele Frauen, sollen von ihr profitieren. Eingeführt wird sie zum 1. Januar 2021.

Das Gesetz sieht die Einführung einer Grundrente für langjährige Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen vor. Zudem werden Freibeträge im Wohngeld, in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, im Alter sowie bei Erwerbsminderung eingeführt.

 "Mit der Grundrente sorgen wir dafür, dass die Menschen sich auf das Kernversprechen des Sozialstaats verlassen können: Wer jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, wird im Alter künftig besser dastehen," Arbeitsminister Hubertus Heil

33 Jahre müssen es mindestens sein

Grundrente erhält als Rentenzuschlag, wer mindestens 33 Jahre "Grundrentenzeiten" erworben hat (Pflichtbeiträge aufgrund einer Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit). Der Zugang zur Grundrente erfolgt ohne Antragstellung und über die Feststellung des Grundrentenbedarfes. Hierzu findet eine Einkommensprüfung durch einen automatischen Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzamt statt. Zu den Einkünften zählen beispielsweise Mieteinkünfte oder Zahlungen aus einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge. Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung werden abgezogen. Eine Bedürftigkeitsprüfung gibt es nicht.

Den vollen Aufschlag soll es nur für Rentner mit einem Monatseinkommen von maximal 1.250 Euro geben. Für Ehepaare beziehungsweise Lebenspartner liegt diese Grenze bei 1.950 Euro. Übersteigt das Einkommen den Freibetrag, wird die Grundrente um 60 Prozent des den Freibetrag übersteigenden Einkommens gemindert. Einkommen über 1.600 Euro im Monat (bei Ehepaaren 2.300 Euro) wird zu 100 Prozent auf die Grundrenten angerechnet.

Grund zur Freude und zum Bedauern

Wer 35 Beitragsjahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, erhält den vollen Anspruch auf die Grundrente. Das Einkommen darf allerdings durchschnittlich nicht unter 30 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommen aller Versicherten liegen und 80 Prozent nicht übersteigen. Eine Gleitzone berücksichtigt diejenigen, die zwischen 33 und 35 Jahren in die Rentenkasse eingezahlt haben. Finanziert wird die Rente aus Steuermitteln. Die geschätzten Kosten sollen im Startjahr 1,3 Milliarden Euro betragen.

Der zwischen CDU und SPD hart verhandelte Gesetzesentwurf steht von unterschiedlichen Seiten her in der Kritik. Die Deutsche Rentenversicherung etwa äußerte massive Bedenken. Die Verwaltungskosten im Jahr der Einführung würden voraussichtlich mehrere hundert Millionen Euro und damit mehr als 25 Prozent der Leistungsausgaben für die Grundrente betragen. Der geplante Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern lasse sich bis 2021 nicht aufbauen. Die Rentenversicherung plädiert deshalb dafür, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verschieben (Start der Grundrente 2021 "ambitioniert").

Der Gesetzesentwurf zur Grundrente sei Grund zu Freude und gleichzeitig zu Bedauern, so die Einschätzung von Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Die Grundrente werde die Lebenssituation von über einer Million Rentnerinnen und Rentnern mit niedrigen Renten endlich verbessern und sei damit ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.  Bedauerlich sei aber, das auf Betreiben der CDU/CSU das Berechnungsverfahren der Grundrente höchst kompliziert sei. Dies und das Beharren der Union auf einer Einkommensprüfung seien die Ursachen für den erhöhten Veraltungsaufwand. Im Ergebnis sei die Grundrente aber ein akzeptabler Kompromiss.

Vermischung der Systeme

Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sorgt der Grundrenten-Beschluss für gravierende Ungerechtigkeiten und leiste keinen zielgenauen Beitrag gegen Altersarmut. Er verwische die Grenze zwischen beitragsfinanzierter Rente und bedürfnisorientierter Grundsicherung. Der Grundsatz, wer mehr einzahlt, erhält auch mehr Leistung, gelte dann nicht mehr.

 "So nachvollziehbar die politische Motivation für die Grundrente ist - in der praktischen Umsetzung bleibt die Grundrente schwierig, weil GRV-Versicherungselemente mit Elementen der staatlichen Fürsorge vermischt werden, neue Gerechtigkeits- und Finanzierungsfragen aufgeworfen werden und zahlreiche bürokratische Herausforderungen entstehen", lautet eine Statement des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungwirtschaft von Ende Januar 2020.

Autor(en): Versicherungsmagazin.de

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