Hard disclosure bald Realität

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Mit dem Lebensversicherungsreformgesetz werden dringend benötigte Maßnahmen ergriffen, um das Produkt Lebensversicherung auch in einem langanhaltenden Niedrigzinsumfeld attraktiv zu halten. An einigen Stellen im Gesetzentwurf geht es aber wohl weniger um die Rettung einer Produktkategorie als vielmehr darum, unmittelbar in den Wettbewerb einzugreifen und alternative Formen der Vermittlung zu erzwingen.

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte“ (LVRG), das landläufig auch kurz als Lebensversicherungsrettungsgesetz (eigentlich: Lebensversicherungsreformgesetz) bezeichnet wird, enthält diverse für Vermittler bittere Pillen. Vor allem im VVG werden einige für sie relevante Änderungen vorgenommen.

Provision muss benannt und dokumentiert werden
Insbesondere sollen die Beratungs- und Dokumentationspflichten erweitert werden. In einem neuen § 61 Absatz 3 VVG heißt es: „Der Versicherungsvermittler hat dem Versicherungsnehmer die ihm für den Abschluss des Vertrages mit dem Versicherungsunternehmen vertraglich vereinbarte Provision als Gesamtbetrag in Euro mitzuteilen. Er hat dies nach § 62 zu dokumentieren.“ Eine Beschränkung nur auf Lebensversicherungen ist dabei nicht zu erkennen. Das ist das „hard disclosure“, also die ungefragte Offenlegung der Vergütungen, die das EU-Parlament gerade aus dem Entwurf der Versicherungsvermittlerrichtlinie der EU-Kommission herausgestrichen hatte.

Das bedeutet, dass Kunden künftig zwei verschiedene Situationen antreffen sollen: Bei Lebens-, Krankenvoll- und Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr werden zum einen im Produktinformationsblatt die einkalkulierten Abschlusskosten mitgeteilt, zum anderen im Beratungsgespräch und in der Beratungsdokumentation die Provision. Die Beträge werden in den seltensten Fällen übereinstimmen und dementsprechende Fragen auslösen, sofern der Kunde sie überhaupt wahrnimmt. Bei anderen Versicherungen wird dem Kunden nur die Provision genannt.

Welche Provision ist zu nennen?
Unklar bleibt im Gesetzentwurf, was mit „vertraglich vereinbarter Provision“ gemeint ist. „Der Versicherungsvermittler“ kann beispielsweise ein Untervertreter eines Vertriebs sein, der zwar selbst eine bestimmte Provision vereinbart hat, bei dem aber der Vertrieb in übergeordneten Strukturebenen weitere Provisionen erhält. Die Aussagekraft des Provisionsausweises bleibt in diesen Fällen notwendigerweise begrenzt. Das Gleiche gilt für Versicherungsmakler, die mit Pools und ähnlichen Organisationen zusammenarbeiten, wo ebenfalls zusätzliche Courtagen fließen.

Wenn es das Ziel des Gesetzgebers sein sollte, durch den Provisionsausweis eine Vergleichbarkeit von Versicherungsverträgen zu erreichen, wird das so nicht gelingen. Im Gegenteil, durch geschickte Vereinbarungen lässt sich ein wettbewerblich günstiger Provisionsausweis herstellen. Eine Kontrollmöglichkeit scheint nicht vorgesehen zu sein, damit läuft das Ganze ins Leere.

Neben dem Kostenausweis der kalkulierten Abschlusskosten in der Lebens- und Krankenversicherung, die tatsächlich überprüft werden können, sollen nun auch ausdrücklich die Verwaltungskosten im Produktinformationsblatt genannt werden. Damit wird ein Auslegungsdefizit beseitigt, das nach der VVG-Reform bestanden hatte. So wird aber auch für den Kunden eine Vergleichbarkeit von Bruttotarifen erreicht, indem alle kalkulierten Kosten transparent werden, die den Beitrag des Kunden tatsächlich mindern.

Nicht alle Maßnahmen begründen sich aus der Lage der Lebensversicherung

Bemerkenswert ist die Begründung für die verschiedenen Maßnahmen. Zum einen argumentiert das Ministerium mit der prekären Lage der Lebensversicherung. „In einem Stressszenario der Deutschen Bundesbank mit einem langanhaltenden Niedrigzinsumfeld würde bis zum Jahr 2023 mehr als ein Drittel der deutschen Lebensversicherer die regulatorischen Eigenmittelanforderungen nach den bislang gültigen Solvabilitätsvorschriften (Solvabilität I) nicht mehr erfüllen“, heißt es. Und unter Solvency II werden „tendenziell noch schlechtere Ergebnisse“ erwartet.

Damit lässt sich insbesondere die Neuregelung der Bewertungsreserven rechtfertigen. Auch weitere Maßnahmen wie das Ausschüttungsverbot an Aktionäre in bestimmten Situationen und eine verbesserte Teilhabe der Kunden an Risikoüberschüssen (90 statt 75 Prozent) passen dazu.
Schwieriger ist es dagegen bei der erzwungenen Absenkung der kalkulierten Abschlusskosten. In der Begründung dazu wird zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die bisherige 40 Promille-Grenze beim Höchstrechnungszins seit 1996 und damit seit der Hochzinsphase unverändert geblieben ist, obwohl inzwischen der Höchstrechnungszins mehrfach gesenkt wurde.
Durch die Absenkung von 40 auf 25 Promille würde eine wertgleiche Belastung wiederhergestellt. „Tarife, die mit einem Rechnungszins von 1,25 Prozent kalkuliert sind, sind dann bezogen auf ein Euro Versicherungssumme beziehungsweise ein Euro Jahresrente mit Zillmerkosten versehen, deren Höhe wieder mit den Verhältnissen in den 1990er Jahren vergleichbar ist“, heißt es.

Das hört sich gut an, wenn man unterstellt, dass die Kunden auch entsprechend höhere Beiträge zahlen können und wollen, um trotz geringerer Garantieverzinsung dieselbe Versicherungssumme oder Rente zu erreichen. Dazu müssten die Kunden aber entsprechend erheblich mehr Mittel verfügbar haben. Ehrlicher wäre es, offen auszusprechen, dass die Vertriebskosten gesenkt werden müssen.

Honorarvermittlung soll gefördert werden, aber nicht konsequent
Besonders aufschlussreich ist die Begründung für die Offenlegung der Provision. „Das Eigeninteresse des Versicherungsvermittlers am Abschluss des Vertrages wird offengelegt.“ Und weiter heißt es, „durch die Pflicht des Versicherungsvermittlers wird die Vergleichbarkeit zwischen den bisherigen Wegen der Versicherungsvermittlung und alternativen Vermittlungswegen, wie beispielsweise der Honorarberatung, erleichtert“.

Ungerechtigkeiten werden nur weiter verfestigt
Damit wird klar, dass es hier nicht um die Attraktivität der Lebensversicherung, sondern um ein ganz anderes politisches Ziel geht: Die Vermittlung gegen Honorar soll gefördert werden. Allerdings bleibt die Umsetzung unvollständig. So lange es nicht ausreichend Nettotarife gibt, kann nur die Provisionsabgabe helfen, um auch Bruttotarife gegen Honorarvereinbarung zu vermitteln. Eine Aufhebung des Provisionsabgabeverbot sucht man aber im Gesetzentwurf vergeblich. Dieses müsste zudem auch für Agenturverträge gelten, in denen Provisionsabgabe vertraglich untersagt ist. Sonst werden die jetzt schon zu beobachtenden Ungerechtigkeiten im Wettbewerb weiter verfestigt, und kein Durchbruch für alternative Vergütungen erreicht.

Autor(en): Matthias Beenken

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