Imageverlust durch Streit um Betriebsschließung geht weiter

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Die Auswirkungen von Corona auf die Versicherungsbranche war Thema einer virtuellen Tagung des Bundes der Versicherten (BdV). Die Langzeitwirkungen etwa bei den Kapitalmärkten oder dem Gesundheitsschutz sind noch ungewiss. Der Streit um die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung (BSV) hat sich zum Politikum entwickelt, das nun auch den Verbraucherschutz beschäftigt. Ein offenes Imageproblem hat die Branche weiterhin mit dem Streit um die BSV. Nach Meinung von Professor Christian Armbrüster von der Freien Universität Berlin zeigen die vielen Prozesse, dass es unbedingt nötig wäre, schneller Grundsatzentscheidungen zu erzielen.

Für die Versicherungsbranche sieht er einen großen Imageschaden. Denn in der Öffentlichkeit führe der Streit dazu, dass viele Kunden am Nutzwert von Versicherungsprodukten zweifelten. Daher würde der Streit um die BSV auch den Verbraucherschutz allgemein berühren. Der Jurist geht davon aus, dass kein Versicherer die Absicht gehabt hätte, das Risiko einer Covid-19 bedingten flächendeckenden behördlichen Betriebsschließung zu decken. Doch dieses Ziel sei in zahlreichen am Markt eingesetzten Bedingungswerken nicht rechtlich korrekt umgesetzt worden. Dass Transparenz möglich sei, könnte jeder in den neuen Muster-AVB zur Betriebsschließungsversicherung sehen, die der  gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jetzt auf seiner Homepage veröffentlicht habe.

Im Herbst BGH-Entscheidungen

Derzeit würden die zahlreichen Instanz-Entscheidungen zu verschiedenartigen AVB weit überwiegend zu Lasten der Versicherungsnehmer gehen und nur teilweise zu ihren Gunsten. Noch im Herbst 2021 erwartet Armbrüster aber erste Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH). "Ich gehe davon aus, dass der BGH zwar auch grundsätzliche Aussagen machen wird, jedoch mehrere Entscheidungen notwendig sind", so Armbrüster.  Sehr überraschend findet der Jurist, dass einige Versicherer sogar dann, wenn Gewerbekunden bei bestehenden Verträgen nachgefragt haben, ob Covid-19 mitversichert sei und eine positive Auskunft bekommen hätten, später die Deckung ablehnten. "Diese Kunden haben in Verfahren natürlich gute Karten", so Armbrüster.

Kein Sterblichkeitsschock 

Durch die Lockdowns haben sich Prognosen zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Versicherungsbranche deutlich verändert. "Wir haben einen Lockdown, wie es ihn im Frühjahr 2020 und wieder Ende 2020 in Europa gegeben hat niemals erwartet", sagte der Aktuar Zoran Nikolić von der Deloitte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Daher mussten die Risikoforscher ihre Prognosen korrigieren.

Für die Leben- und Krankenversicherung gelte nun, dass die Verstorbenen überwiegend Ältere seien. Sie würden durch die Pandemie durchschnittlich neun Jahre früher versterben. Dass führe zu keinem besonderen Sterblichkeitsrisiko. Die gesetzliche Rentenversicherung profitiert nach Einschätzung des Experten sogar um einige Prozentpunkte von dieser Entwicklung. Die Eindämmungsmaßnahmen in Europa hätten aber insgesamt die Erkrankungen stark verlangsamt und die Sterblichkeit reduziert. Den erwarteten Sterblichkeitsschock hätte es nicht gegeben. Die Wirkung auf das Neugeschäft sei noch schwer einzuschätzen. In der Diskussion wurde aber deutlich, dass zumindest die private Krankenversicherung derzeit durch Mehrgeschäft von der Pandemie profitiert.

Niedrigzinsproblematik hat sich verschärft

In der Schaden- und Unfallversicherung überwiegt ebenfalls der geringere Aufwand in der Autoversicherung den Mehraufwand in der Betriebsschließungs- und Veranstaltungsversicherung. Am Kapitalmarkt sei es zu einer Verschärfung der Niedrigzinsproblematik gekommen. Gleichzeitig sei die Aktienentwicklung positiv. Durch die getroffenen Eindämmungsmaßnahmen und durch die überwiegende Umstellung auf Home Office hätte es keine erhöhten Arbeitsausfälle im Versicherungsbetrieb gegeben. "Die Assekuranzen haben weitgehend störungsfrei gearbeitet", so Nikolić.

Voraussagen über den Verlauf der Pandemie wären weiterhin sehr schwierig. Augenscheinlich kleine Maßnahmen können den Verlauf maßgeblich verändern. Länder, die sehr früh auf ein exponentielles Wachstum reagiert hätten, wären besser durch die Krise gekommen. Weiterhin sei unklar, wie die dritte Welle tatsächlich verlaufen wird. So sei unklar, ob es einen weiteren harten Lockdown gebe. Auch die Zahl der wöchentlich in Deutschland geimpften Menschen könne zwischen einer und fünf Millionen schwanken. "Noch ist die Möglichkeit da, dass die Sterbezahlen stark ansteigen", warnte Nikolić.

Corona-Burn-Out bringt Belastungen

Hohe Belastung durch die Pandemie erwartet BdV-Sprecher Axel Kleinlein für die Berufsunfähigkeits-Versicherung. "Rückversicherer haben mir bestätigt, dass viele von der Corona-Infektion Genesene Ermattungserscheinungen zeigen, die einem Burn-Out ähnlich sind." Laut Kleinlein beschäftigen sich viele Menschen derzeit deutlich mehr mit Versicherungen. Sie hätten anscheinend mehr Zeit und würden ihre Verträge und ihre Absicherung stärker überprüfen.

Zudem gäbe es durch die Pandemie viel Unsicherheit bei Verbrauchern. So beschäftige sie beispielsweise, ob die Reise- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung bei Corona leistet und ob die Autoversicherung nicht Geld zurückerstatten muss, weil man ja weniger Auto fährt. Die Lage in der Lebensversicherung sei hingegen derzeit schwer einschätzbar. So könnte das Minus von zwölf Prozent im Neugeschäft, dass die Branche auf ausgefallene Beratungstermine schiebe, auch aus der Angst vor der negativen wirtschaftlichen Entwicklung resultieren. 

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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