Lebensversicherung: Fragwürdige Einstufung über die Steuer

Lebensversicherungen haben Tradition und sind elementare Säule der Altersvorsorge in Deutschland. Dennoch zeigt sich die Finanzverwaltung unsicher im Umgang mit diesem Finanzprodukt. Jetzt soll lediglich durch ein BMF-Schreiben definiert werden, was Lebensversicherungen sind und was nicht. Dieser Ansatz muss schief gehen.

Sowohl Kapitalanlage- als auch Versicherungsprodukt
Per Gesetz gibt es in Deutschland keine allgemeine Definition des Begriffs „Versicherung“. Bei Lebensversicherungen dominiert immer stärker die steuerrechtliche Betrachtung. Doch selbst die Finanzverwaltung zeigt sich unsicher im Umgang mit diesem Produkt, das gleichzeitig Kapital aufbauen und im Versicherungsfall existentielle Risiken wie Tod, Invalidität oder Langlebigkeit absichern kann. Es handelt sich damit sowohl um ein Kapitalanlage- als auch ein Versicherungsprodukt.

Klarheit soll geschaffen werden
Nun will das Bundesfinanzministeriums (BMF) für mehr Klarheit sorgen und bestimmen, was eine Lebensversicherung ist, die die steuerlichen Privilegien des Halbeinkünfteverfahrens auch künftig noch verdient. Wer den härteren Kriterien nicht genügt, soll bereits ab 2009 mit der Abgeltungssteuer belegt werden. Gefährdet sind damit vor allem abgekürzte Leibrenten, Kapital bildende Lebensversicherungen (KLV) mit sehr geringem Todesfallschutz und vor allem Vermögensverwaltende Versicherungsmäntel (siehe ).

Die Hälfte muss ausgezahlt werden
So soll die KLV nur privilegiert bleiben, wenn im Versicherungsfall mindestens 50 Prozent der vertraglich vorgesehenen Prämien ausgezahlt werden. Bei Einmalbeitragspolicen müssten nach diesen Plänen im Versicherungsfall zehn Prozent mehr bezahlt werden, als die Versicherung wert ist. Von den Restriktionen bei Versicherungsmänteln nicht betroffen sind fondsgebundene Versicherungen, die in öffentlich vertriebene Investmentfondsanteile investieren. In einem Rundschreiben an die Finanzämter will das BMF auch eine neue Linie für Rentenversicherungen vorgeben: Diese müssen entweder eine garantierte Rentenhöhe enthalten oder einen garantierten Faktor, zu dem das angesparte Kapital in eine Rente umzuwandeln ist.

Risiko bei Lebensversicherungen unzutreffend erfasst
Der rein steuerliche Ansatz ist jedoch falsch. „Damit wird das Steuerrecht vom versicherungsaufsichtsrechtlichen Versicherungsbegriff abgetrennt“, kritisieren Meinrad Dreher und Johannes Schmidt vom Lehrstuhl Europarecht der Universität Mainz. Eine bessere Lösung wäre es, das Aufsichtsrecht zu konkretisieren. Vor allem erfasst das BMF die Risikosituation bei Lebensversicherungen unzutreffend, „indem die tatsächliche Risikotragung mit der 50-Prozent-Grenze unerheblich und mit der Zehn-Prozent-Grenze willkürlich quantifiziert wird“, äußerten die Wissenschaftler in der FAZ. Die Versicherer müssten sich nun fragen, ob ihnen die Aufsichtsbehörde erlauben wird, Produkte anzubieten, die nur aus steuerrechtlicher Sicht Versicherungen sind. Versicherungsfremde Geschäfte sind der Assekuranz nämlich verboten.

Zusatzleistung von entscheidender Bedeutung
Bislang galt für alle Verträge ein einheitlicher Versicherungsbegriff, den die Gerichte und die Fachwelt vor allem aus dem Versicherungsaufsichtsrecht entwickelt haben. Dort aber spielen starre Prozentgrenzen und Rentenfaktoren keine Rolle. Entscheidend ist, ob der Kunde bei der KLV zumindest die eingezahlten Beiträge und eine bestimmte zusätzliche Summe erhält. Diese Zusatzleistung ist rechtlich von entscheidender Bedeutung. Denn sie drückt das originäre Risiko aus, das der Versicherer übernimmt. Zahlte er nur aus, was der Versicherungsnehmer zuvor geleistet hat, bestünde kein Unterschied zu einem Sparvertrag einer Bank.

Bei Rentenversicherungen gilt: Erreicht der Kunde ein durchschnittliches Lebensalter, muss er nach geltendem Aufsichtsrecht zumindest mehr bekommen als er eingezahlt hatte. Da das BMF seine Pläne für die Rentenversicherung nur per Rundschreiben publizieren will, wäre die Finanzverwaltung nicht mehr an das Aufsichtsrecht gebunden. „Auch für die Steuerbehörden ist der Versicherungsbegriff des Aufsichtsrechts maßgeblich, solange es keine gesetzliche Sonderregelung im Steuerrecht gibt“, erklärten die Europarechtler. Fatal: Gerichte sind wiederum nicht an Verwaltungsrundschreiben gebunden. Sie entscheiden allein nach dem aufsichtsrechtlichen Versicherungsbegriff.

Autor(en): Detlef Pohl

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