Lebensversicherungen: BGH stärkt Ex-Kunden

Kunden, die zwischen 2002 und 2007 eine Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen und später wieder gekündigt haben, können eine nachträgliche Auszahlung erwarten. Grund ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die die Verbraucherzentrale Hamburg am 25. Juli 2012 gegen die Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG erreicht hat (Az.: IV ZR 201/10). Laut BGH sind die Bedingungen für die Rückerstattung bei gekündigten Lebensversicherungsverträgen intransparent und unwirksam. Sie stellen eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar.

Viele Versicherer betroffen
Nach Meinung der Richter müssen die Kunden schon bei Abschluss einer Lebensversicherung auf einen Blick erkennen können, welche Verluste sie machen, wenn sie vorzeitigen aus einem Vertrag aussteigen. Für Verträge, die ab 2008 geschlossen wurden, verwendet die Assekuranz Tabellen, die die Abzüge in Euro ausweisen. Die Verluste bei vorzeitiger Kündigung entstehen, weil Verkaufsprovisionen und eine Strafgebühr von den Kundeneinzahlungen abgezogen werden. Oft haben die Kunden daher weniger als die Hälfte der eingezahlten Summe wiederbekommen. "Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Branche", sagte Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV). Der Verbraucherschützer geht davon aus, dass die Entscheidung richtungweisend ist und der BGH in anderen Verfahren ähnlich entscheiden wird. Offen sind noch Verfahren gegen Marktführer Allianz, Ergo, Generali und Iduna. Allein beim Deutschen Ring sind rund 50.000 ehemalige Kunden von dem Urteil betroffen.

"Insgesamt gilt die Entscheidung aber wohl für Millionen weiterer Kunden", sagte Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie geht davon aus, dass jährlich rund 3,2 Millionen Kunden ihren Vertrag vorzeitig aufgeben, etwa wegen Scheidung, Immobilienkauf oder Arbeitslosigkeit. Im Schnitt rechnet Castello damit, dass die Versicherer pro gekündigten Vertrag 500 Euro pro Vertrag zurückerstattet müssen. Allein Kunden, die eine fondsgebundene Lebensversicherung wieder aufgegeben haben, können nicht von der BGH-Entscheidung profitieren.

Zudem sind Ansprüche von Kunden, die ihre Police vor dem 1. Januar 2009 bereits gekündigt haben mittlerweile verjährt. "Auf diese Verjährung werden wir uns berufen", sagte Pressesprecher Jörg Forthmann vom Deutschen Ring. Kunden die bereits mit Hinweis auf die Klage der Verbraucherzentrale Hamburg Ansprüche angemeldet haben, sollen hingegen entschädigt werden. Demgegenüber sieht sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nicht in der Lage zu beziffern, wie viele Verträge von der BGH-Entscheidung betroffen sind.

Branche will erst Begründung prüfen
Wie andere Versicherer auf das Urteil reagieren, ist zudem unklar. Die Allianz-Versicherung und Signal-Iduna möchte erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und die Münchener Generali zieht sich sogar darauf zurück, dass das Urteil nur gegen den Deutschen Ring ergangen sei. Für Rückzahlungen aus dem Streit mit der Verbraucherzentrale Hamburg hat die Allianz sicherheitshalber 117 Millionen Euro zurückgestellt. Laut der Ratingagentur Assekurata hatte die Allianz Lebensversicherung 2010 einen Marktanteil von 17,7 Prozent, der deutsche Ring einen Anteil von 0,71 Prozent. Wären andere Versicherer von ähnlichen Belastungen durch das Urteil betroffen, müsste die Branche mit mehreren 100 Millionen Euro Aufwand rechnen.

Ratings vom Urteil nicht betroffen
Doch die Rating-Agentur Fitch gibt bereits Entwarnung. "Die Auswirkung des neuen Urteils auf die Versicherungsbranche und auf deren Ratings, sehen wir als minimal an", sagt Stephan Kalb, der in Frankfurt für die deutsche Versicherungsanalyse zuständig ist. Die Gesamtbeträge, um die es gehe, wären für die Finanzkraft der deutschen Versicherer nicht von hohem Gewicht. Kalb: "Zudem zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre, dass immer nur eine recht geringe Zahl von Versicherungskunden ihre Ansprüche geltend macht." Das BGH-Urteil werde daher die Einstufung der Lebensversicherer nicht beeinflussen. Begründet wird dies auch damit, dass die meisten Assekuranzen längst Rückstellungen gebildet hätten.

Versicherer sollen aktiv auf Kunden zugehen
Demgegenüber muntern Verbraucherschützer die Kunden auf, ihre Rechte wahrzunehmen. "Kunden sollten sich vom Versicherer nicht abwimmeln lassen und ihren früheren Vertrag von unabhängiger Seite überprüfen lassen", rät Verbraucherschützer Kleinlein. Noch weiter geht Castello: "Ich erwarte eigentlich, dass die Versicherer aktiv auf ihre Kunden zugehen und ihnen eine Rückerstattung anbieten." Ein kaputtes Auto werde ja auch zurück gerufen. "Das sollten die Versicherer ebenfalls mit ihren kaputten Versicherungsverträgen machen", fordert Castello.

Bild: © Stephanie Hofschläger/

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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