Marktforschung: Berufsunfähigkeit seltener versichert

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Die Versicherung gegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ist kein Mitnahmeprodukt, dessen Bedarf die Kunden leichthin einsehen und sich zum Abschluss entschließen. Das zeigen sowohl die deutlichen Bremsspuren in den Branchenzahlen als auch aktuelle Marktforschungsergebnisse.

Bei zwei Versicherungsprodukten gibt es eine seltene Einigkeit zwischen der Branche und dem Verbraucherschutz, dass sie im Prinzip für jeden Kunden dringend anzuraten sind: Privathaftpflicht- und Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU). Gleichwohl differiert der Ausstattungsgrad der Haushalte drastisch. Während rund sieben von zehn Haushalten eine Privathaftpflicht aufweisen, ist dies nur bei jedem vierten Haushalt auch in Sachen BU der Fall.

Wer verliert schon gerne Wetten?
Verbraucherschützer sehen darin gerne ein Versagen des Vertriebs. In diversen Studien und Statements wird das Provisionssystem dafür verantwortlich gemacht. Das ist aber Unsinn, denn an einer BU kann ein Vermittler ein Vielfaches verdienen gegenüber dem Abschluss einer Privathaftpflicht. Der Grund für die wesentlich seltenere Ausstattung mit BU ist banal: sie ist erheblich teurer. Und Kunden mögen das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ nicht, bei dem sie das Gefühl haben, eine Wette zu verlieren, wenn sie nicht im Lauf der Zeit die eingezahlten Beiträge zurückerhalten. Und teure Wetten möchte niemand verlieren.

BU-Kunden sind anspruchsvolles Klientel
Dass BU ein Vernunftprodukt ist, das erst nach reiflicher Überlegung gekauft wird, zeigt eine aktuelle Marktforschungsstudie der Yougov AG. Der durchschnittliche Neukunde ist danach bereits 31 Jahre alt und damit schon recht weit vom Berufseinstieg entfernt. Dabei müssten sich ganz besonders die Berufseinsteiger versichern, gibt es doch beim Eintritt einer Erwerbsminderung in den ersten fünf Berufsjahren noch nicht einmal die Erwerbsminderungsrente, die ohnehin schwerer zu erhalten ist als eine BU.

BU-Versicherte verfügen zudem mehr als doppelt so häufig über ein Haushaltsnettoeinkommen im obersten Bereich von mehr als 3.500 Euro als Versicherungskunden allgemein (32 statt 14 Prozent). Als Mittelwert des Haushaltsnettoeinkommens gibt Yougov 3.084 Euro für BU-Neukunden, 3.065 Euro für BU-Bestandskunden, aber nur 2.424 Euro für alle Versicherungskunden an.

Neuabsatz geht erkennbar zurück

Vor diesem Hintergrund müssen die aktuellen Zahlen der Lebensversicherer kritisch bewertet werden, wonach im Jahr 2013 der Neuabsatz von BU-Versicherungen um 13,6 Prozent nach Stückzahl und 9,8 Prozent nach versicherter Summe zurückgegangen ist. Insgesamt waren es 422.600 neue Versicherungen, deutlich weniger als in den Jahren 2011 und 2012. Der Bestand an Hauptversicherungen ist aber dennoch gestiegen, um 6,3 Prozent an Stückzahl, 9,4 Prozent beim laufenden Beitrag und 8,7 Prozent nach versicherter Summe. Damit verfügten die rund 40 Millionen deutschen Haushalte Ende letzten Jahres über 3,6 Millionen selbstständige BU-Versicherungen.

Traditionell ist die Anzahl der BU-Zusatzversicherungen deutlich höher. Hier ist die Anzahl 2013 um 2,0 Prozent auf knapp 13,4 Millionen Verträge gesunken. Bei Zusatzversicherungen wird allerdings oft nur eine Beitragsfreistellung der Hauptversicherung (Kapital- oder Rentenversicherung), dagegen nicht immer eine Rente vereinbart.

Mit weniger Vergütung mehr leisten?
Angesichts dieser Zahlen wird es schwierig sich vorzustellen, dass der Versicherungsvertrieb die sicher nicht niedrigen Abschlusskosten laut dem Lebensversicherungsreformgesetz maßgeblich senken kann, sich aber gleichzeitig noch intensiver um die vielen unversicherten Haushalte bemühen und sie zum Abschluss von BU- oder – je nach Verfügbarkeit und Vorteilhaftigkeit – anderen Invaliditätsabsicherungen zu bewegen. Das Ganze möglichst auch nur nach intensiven Vergleichen und damit entsprechendem Aufwand für die beteiligten Vermittler und Unternehmen.

Prognose: Vertrieb wird weniger Provisionen umsetzen

Die vom GDV veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Abschlusskosten 2013 um 8,8 Prozent gesunken sind, und zwar auf den niedrigsten Stand seit 2005. Es fällt nicht schwer zu prognostizieren, dass 2014 ein weiteres Mal die Abschlusskosten sinken werden. Das heißt aber auch, dass der Vertrieb weniger Provisionen umsetzt, gleichzeitig aber mehr dafür leisten soll. Diese Forderung wird nicht aufgehen. Perfide wäre, wenn die absehbaren Bremsspuren in der Versorgung dann anschließend wieder als „provisionsgetriebene Falschberatung“ diffamiert werden.

Autor(en): Matthias Beenken

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