Mehr Frauen an der Spitze von Finanzdienstleistungsunternehmen

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Finanzdienstleister und die Assekuranz machen Fortschritte, was die Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Personalplanung angeht. Derzeit sitzen in den Vorständen der von Oliver Wyman untersuchten Banken und Versicherern 23 Prozent weibliche Experten. In den jeweiligen Aufsichtsräten liegt ihr Anteil bei 20 Prozent. Bei den Outperformern in der Finanzindustrie sind gut 30 Prozent der Vorstands- und 37 Prozent der Aufsichtsratsposten weiblich besetzt.

Das Beratungshaus hat für seine aktuelle Studie Women in the Workforce (PDF) Daten zu rund 9.000 Managementpositionen aus mehr als 460 Unternehmen in insgesamt 37 Ländern ausgewertet. Zudem wurden unter anderem der MSCI-Report "Women on Boards" sowie Jahresberichte der Institute analysiert, als auch im Herbst 2019 Interviews mit über 100 Führungskräften geführt.

Finanzbranche braucht die Sichtweise von Frauen

In den aktuellen Zahlen zeige sich eine Veränderung der Denkweise, sagen die Studienexperten. Indem die Branche ihre Mitarbeiter als wichtige Interessengruppe stärker in den Fokus rückt, habe sie Fortschritte gemacht. "Eine ganzheitliche Sichtweise von Frauen ist bei Kunden, Mitarbeitern, Aktionären und allen Interessengruppen erforderlich", betont Michael Cole-Fontayn, Vorsitzender der europäischen Vereinigung Association for Financial Markets.

"Eine vielfältige Belegschaft ist auch ein geschäftlicher Imperativ", ergänzt Stephanie Cohen, Chief Strategy Officer bei Goldman Sachs, in ihrem Interview. Wenn dies nicht oberste Priorität habe, werden Institute den Kampf um Talente verlieren.

Und gerade im War of Talents werden Frauen immer wichtiger. Dennoch übernehmen sie heute zumeist Führungsaufgaben innerhalb der Organisationen, so die Analyse. An den Spitzen der Führungsgremien sind sie aber deutlich unterrepräsentiert. So sitzen Frauen auf nur sechs Prozent der CEO-Posten weltweit. Kaum besser sieht es bei den Aufsichtsräten aus. Nur neun Prozent der Chefsessel sind hier mit weiblichen Experten besetzt. "Wir können keine erstklassige Belegschaft haben, wenn wir nicht 50 Prozent der Bevölkerung einschließen", bringt es Ana Peralta, Vorstandsmitglied der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, auf den Punkt.

Frauen verstehen die weibliche Zielgruppe besser

Mittels Frauen in Top-Positionen könnten Unternehmen jedenfalls die weibliche Zielgruppe besser verstehen lernen, sind sich die Studienexperten sicher. So zeigten die Daten auch einen steigenden Druck durch Aufsichtsbehörden und Aktionäre. Gender-Diversität werde heute als strategisches Thema anerkannt, das sich auf die Geschäftsergebnisse auswirkt. "Es gibt mehr Kreativität und Engagement bei der Gewinnung, Rekrutierung und Bindung von Frauen", heißt es in der Analyse.

Diesbezüglich gibt es für die Studienteilnehmer durchaus Luft nach oben, was die Personalmaßnahmen der Unternehmen betrifft: "Wir sehen eine gewisse Verbesserung der Zahlen, aber wir kratzen nur an der Oberfläche", bewertet die britische Geschäftsfrau Jayne-Anne Gadhia die Situation für Frauen in der Finanzbranche. Gadhia ist selbst Vorstandsvorsitzende von Salesforce UKI sowie Gründerin und CEO des Start-ups Snoop.

Mehr Flexibilität schafft Chancengleichheit

Eine wichtige Maßnahme für mehr Chancengleichheit ist laut Analyse ein flexibleres Arbeitsumfeld, sowohl für Frauen als auch für Männer. Hierbei spielen laut Studie neben Regelungen wie der Elternzeit auch digitale Entwicklungen eine zentrale Rolle. So gefährde die Digitalisierung unter anderem Stellen im Front-Office-Bereich oder Call Centern, die traditionell von Frauen besetzt werden. Die Studienexperten fordern daher entsprechende Ausbildungen und Qualifikationen für Frauen - gegebenenfalls auch im eigenen Haus. Diese sollen in der Lage sein, auch eine Lücke in den einflussreichsten Positionen zu füllen. Hierbei könnten neue, digitale Arbeitswelten helfen.

Für das, wasFrauen auf der Karriereleiter noch immer bremst, hat die Analyse unterschiedliche Gründe gefunden. Neben kulturellen Normen in den verschiedenen Regionen können auch wirtschaftliche Turbulenzen den Fortschritt stoppen, wie das Beispiel Griechenland zeige. "Während der Krise in Griechenland konzentrierten sich die Banken auf die großen existentiellen Fragen. Die Geschlechterdiversität fand nicht die Aufmerksamkeit, die sie haben sollte", konstatiert Pavlos Mylonas, Vorstandschef der griechischen Nationalbank. Dabei seien diversifizierte Teams besser in der Lage, Risiken zu erkennen und erwiesen sich in Abschwungphasen als widerstandsfähiger.

Autor(en): Angelika Breinich-Schilly

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