Mehr Leistungen mit teureren Beiträgen bezahlt

Mit dem 1. Juli 2008 wird im Kalender der bundesdeutschen Sozialsysteme wieder einmal ein Stichtag markiert, bei dem die Masse der Bevölkerung draufzahlen muss. Die Pflegepflichtversicherung wird teurer und auch circa 20 gesetzliche Krankenkassen haben ihre Beitragssätze angehoben. Weitere sollen folgen. Dabei hatten die Gesundheitspolitiker mit dem Inkrafttreten der aktuellen Gesundheitsreform im April 2007 vollmundig getönt, dass diese Reform gerechter und vor allem für alle finanziell günstiger ausfalle.

Verbesserungen bei der Pflegeversicherung vorgesehen
Angesichts der leeren und zum Teil stark im Defizit befindlichen Kassen der gesetzlichen Krankenversicherer (GKV) sieht die Situation heute anders aus. Besserung soll es zwar beim Sorgenkind „Pflegepflichtversicherung“ geben, doch mit einer Ausweitung des Leistungskatalogs gehen Beitragserhöhungen einher. Während die 2,1 Millionen Pflegebedürftigen hierzulande – und unter ihnen vor allem die 90.000 Demenzkranken, die zu Hause betreut werden – mehr Leistungen erhalten, steigt der Beitragssatz jeweils für Arbeitnehmer und Arbeitgeber um 0,25 Punkte auf 1,95 Prozent des Bruttolohns, für Kinderlose sogar auf 2,2 Prozent. Die Leistungen für Pflegegeld, ambulante Betreuung und die stationäre Versorgung Schwerstkranker steigen bis 2012 schrittweise an und sollen ab 2015 regelmäßig dynamisiert werden.

Auch die privaten Pflegeversicherer, die durch das bewährte Kapitaldeckungsverfahren, in das die Gelder der Versicherten fließen, auskömmlicher und auch preiswerter arbeiten können, haben angekündigt, angesichts der sich ständig verteuernden Kosten, ebenfalls ihre Beiträge erhöhen zu müssen.

Gestiegene Ausgaben müssen ausgeglichen werden
Auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sind seit gestern, 1. Juli 2008, Veränderungen angesagt. Für viele gesetzlich Versicherte wird neben der Pflegeversicherung auch die Krankenversicherung teurer. Laut Bundesversicherungsamt planen mehr als 20 gesetzliche Kassen eine Anhebung, um gestiegene Ausgaben für Arzneimittel oder das Krankengeld auszugleichen. Beispielsweise verteuert sich die Hamburg Münchner Krankenkasse für ihre Mitglieder um 0,8 Punkte auf dann insgesamt 16,4 Prozent. Auch die Gmünder Ersatzkasse verlangt jetzt 0,4 Prozentpunkte mehr in Bezug auf den Bruttolohn des Arbeitnehmers. Die Betriebskrankenkasse BKK Phoenix hebt den Beitragsatz gleich um 1,20 Prozentpunkte an. Rühmliche Ausnahme, wo statt Beitragsanhebung eine Senkung angesagt wird, ist die Autoclub BKK - sie senkt ihren Beitrag um 0,5 Prozentpunkte auf 13,4 Prozent.

Ein Spitzenverband für alle gesetzlichen Krankenkassen
Ein Meilenstein für die GKV bedeutet nun, dass ab sofort ein einziger gemeinsamer Spitzenverband für die insgesamt 217 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland seine Arbeit aufnimmt. Wie in der Gesundheitsreform vorgesehen, übernimmt er auf Bundesebene all jene Aufgaben, die bisher den Verbänden etwa von AOK, BKK, IKK und Ersatzkassen zugewiesen waren. Hierzu gehören auch Vereinbarungen mit Ärzten und Kliniken, die Bestimmung von Festbeträgen für Arzneimittel, die Umsetzung der elektronischen Gesundheitskarte, Beschlüsse zur Prävention und die politische Interessenvertretung. Die Bündelung soll die Selbstverwaltung wirkungsvoller machen und Kosten sparen.

Einige Experten des neuen Spitzenverbandes gehören jetzt auch dem Schätzerkreis an, der im Herbst 2008 eine Empfehlung für den bundesweiten (einheitlichen) Beitragssatz für die gesetzlichen Krankenkassen abgeben wird, der im Gesundheitsfonds ab 1. Januar 2009 eingeführt werden soll. „Die alten Kassenverbände verlieren ihren Status als öffentliche Körperschaft“, heißt es.

Kostenlawine für Privatversicherte
Während dessen bereiten sich auch die privaten Krankenversicherer im PKV-Verband auf eine neue Tarif-Welt vor. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass zum 1. Januar 2009 jeder Versicherer einen mit der GKV vergleichbaren Basis-Tarif anbieten muss. Damit kommt auf die gesamte Solidargemeinschaft der Privatversicherten eine Kostenlawine zu, sagen die Experten.

Autor(en): Ellen Bocquel

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