Nachhaltigkeit darf keine leere Floskel sein

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"Trügerische Ruhe" lautet der Titel der "Versicherungsstudie 2019". Herausgegeben wird diese alljährlich von der Zielke Research Consult GmbH. Dr. Carsten Zielke erläutert im Interview mit Jörg Birkelbach von Insurance TV, warum die diesjährige Studie diesen Titel trägt und was die Versicherungsbranche tun muss, um den anstehenden Stürmen zu trotzen.

Die Haltung der Versicherer, dass mit der Reform der Zinszusatzreserve-Formel (ZZR) alle Probleme gelöst sind, sieht Zielke als trügerisch an. Seines Erachtens hat die ZZR der Branche nur eine kurze Verschnaufpause von vier Jahren gebracht. Der Grund: Das aktuell niedrige Zinsniveau führt zu geringeren Erträgen, so dass die Verpflichtungen nicht ausreichend bedient werden können. Sein Rat: Die Versicherer müssen umschwenken. Das heißt im Detail, dass die Unternehmen mehr in Sachwerte investieren und ein aktiveres Kundenmanagment betreiben müssen.

Regulatorischer Druck wirkt sich auf versicherungstechnische Rückstellungen aus

Auch der regulatorische Druck und der Druck seitens der Kunden führe dazu, dass die Versicherer nachhaltiger agieren müssten. Dieses nachhaltige Verhalten beziehe sich nicht nur auf die Lebensversicherungssparte, sondern habe auch Auswirkungen auf die versicherungstechnischen Rückstellungen.

Zielke nennt auch ein konkretes Beispiel in Bezug auf die Krankenversicherer: Die in jüngster Zeit aufgetretenen Hitzewellen beeinflussen die Sterblichkeit. Eine aktuelle Untersuchung hätte unter anderem gezeigt, dass schon im vergangenen Sommer die Sterblichkeit zugenommen hätte. Diese klimatischen Veränderungen müssten in die aktuariellen Berechnungen einfließen, denn so Zielke wörtlich: "Klimawandel bedeutet häufigere und längere Hitzewellen als wir sie in der Vergangenheit gekannt haben".

Klimawandel kann auch die Rentenversicherung beeinflussen

Diese Phänomene hätten nicht nur klar erkennbare Auswirkungen auf die Krankenversicherung, auch die Rentenversicherung könne davon künftig betroffen sein. Denn auf Grund des Klimawandels würde dis bislang propagierte Wahrheit, "dass wir immer länger leben", nicht mehr stimmen. Denn die klimatischen Extreme führten dazu, "dass wir eben nicht länger leben".

Aber nicht nur die Kranken- und Rentenversicherung ist nach Ansicht von Zielke von diesen klimatischen Umwälzungen betroffen, auch und vor allem die Sachversicherung muss mit verändertem Schadenverhalten rechnen. So beeinflussten Starkregenereignisse die Schadenquoten in der Kfz-Versicherung. Auch die Elementarschadenversicherung könne dies betreffen, denn Diskussionen, ob das oder ein spezielles Starkregenereignis noch von der Elementarschaden-Versichrung abgedeckt werden, würden zunehmen.

Änderung der MIFID-Richtlinie zieht zwangsläufig Verhaltensänderung nach sich

Zielke weist in dem Interview aber auch noch auf einen anderen und besonders wichtigen Aspekt hin. Ab Oktober oder November diesen Jahres wird wahrscheinlich die MIFID-Richtlinie geändert und dann muss der Kunde bei allen Versicherungsprodukten gefragt werden, ob Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden sollen oder nicht. Außerdem muss gegenüber den Kunden, denen Nachhaltigkeit in den Produkten wichtig ist, auch transparent gezeigt werden, dass das gesamte Versicherungsunternehmen nachhaltig agiert.

Autor(en): Jörg Birkelbach, Meris Neininger


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