Nicht alle Top-Tarife sind empfehlenswert

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Die Rating-Agentur Franke & Bornberg hat ihr neues Berufsunfähigkeitsrating vorgestellt. Es untersucht verschiedene Arten der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Fast gleichzeitig hat die Rating-Agentur Morgen & Morgen eine Sonderauswertung „Nachversicherungsgarantien“ veröffentlicht. Grund: Immer öfter würden BU-Policen in jungen Jahren abgeschlossen und müssten dann mitwachsen können.

Neben Tarifen der Selbstständigen BU (SBU) werden bei Franke & Bornberg Einsteiger-Tarife, Tarife über die betriebliche Entgeltumwandlung (BU-Direktversicherung) sowie Tarife mit BU-Zusatzversicherung für die Risikolebensversicherung, Rürup-Rente, Kapitallebensversicherung oder betriebliche Altersversorgung (bAV) untersucht. Insgesamt wurden 125 SBU-Tarife von 54 Gesellschaften mit insgesamt 759 Tarifvariationen analysiert. 44,8 Prozent der untersuchten Tarife und Tarifvariationen erreichten die höchste Bewertungsstufe FFF+ („hervorragend“). 2021 waren es noch 42,08 Prozent gewesen.

Kritische Stimmen aus der Praxis

Kritisch begleitet Gerd Kemnitz, Versicherungsmakler aus Stollberg im Erzgebirge BU-Ratings. So hätte Franke & Bornberg schon 2017 behauptet „der Wettbewerb um die besten BU-Bedingungen scheint ausgereizt." Trotzdem sind nach Einschätzung von Kemnitz, der ein BU-Vergleichsportal betreibt (bu-portal24.de) die Versicherungsbedingungen einiger BU-Versicherungen inzwischen noch kundenfreundlicher geworden und bieten beispielsweise Teilzeitklauseln unterschiedlicher Qualität oder Arbeitsunfähigkeits-Klauseln mit verlängerten Fristen an. Und wieder würde der Rater urteilen: „Weitere Fortschritte in der Qualität wären in der Spitzengruppe derzeit nicht zu erwarten.“

Praktiker Kemnitz beurteilt das anders. „Ich erwarte, dass künftig viele Versicherer in ihren Teilzeitklauseln nicht nur die aktuelle Rechtsprechung widerspiegeln, sondern ihren Versicherten einen echten Mehrwert bieten - auch wenn diese lediglich zu Gunsten einer besseren Work-Life-Balance ihre Arbeitszeit verkürzen.“ Ebenso erwartet der Experte mehr Transparenz in den Versicherungsbedingungen. So glaubt er, dass öfter klargestellt wird, ob die versicherte Person beispielsweise verpflichtet ist, Diäten einzuhalten oder einen Suchtentzug vorzunehmen. Hier wären HDI und Nürnberger Lebensversicherung bereits mit gutem Beispiel vorangegangen.

Da aber bei Franke & Bornberg etwa im Bereich der SBU 107 von 205 Tarifen die Bestnote "0.5" erhalten haben, könnte dies nur daran liegen, dass solche Details im Rating nicht berücksichtigt wurden. Kemnitz: „Auch wenn solche Details nicht für alle wichtig sind, für den Einzelnen können sie jedoch über Leistung oder Nicht-Leistung entscheiden.“

BU über Arbeitgeber: Vor – und Nachteile

Der Abschluss einer SBU über den Arbeitgeber hat Vor- und Nachteile. Umfangreich hat sich damit der Versicherungsmakler Eric Leistenschneider aus Bochum beschäftigt. Er verweist in einem Fazit darauf, das die notwendigen Mehrprämien, um im Leistungsfall höhere Abgaben stemmen zu können, die Ersparnis bei den Sozialversicherungsbeiträgen durch die geförderte Entgeltumwandlung sogar übersteigen können. Zudem müsste der Kunde über das Risiko aufgeklärt werden, dass „bei längerer Krankheit - meist nach sechs Wochen -, bei Arbeitslosigkeit und Arbeitgeberwechsel Probleme auftauchen“, denn dann muss der Beitrag privat gezahlt werden.

Bei den Vorteilen ist Leistenschneider eher zurückhalten. Sie wären nach seiner Einschätzung nur in „einigen wenigen Ausnahmefällen“ gegeben. Gemeint ist die vereinfachte Gesundheitsprüfung und ein Arbeitgeberzuschuss. Doch gerade diese Vorteile machen die SBU über den Betrieb besonders attraktiv. Das gilt vor allem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wegen körperlicher Tätigkeit in eine hohe Risikogruppe eingeteilt werden. Sehr skeptisch sind Verbraucherschützer und Versicherungsmakler, wenn der BU-Schutz nur als Annex an eine andere Police angekoppelt wird.

So schreiben etwa die Brüder Stefan und Tobias Bierl von der Finanzberatung Bierl: „Die Basisrente (=Rürup) sehen wir insgesamt eher kritisch.“ Sie würde nur in sehr wenigen Fällen passen. Bei voller Aufklärung würden sich 90 Prozent der Kunden gegen eine Kombination mit der BU entscheiden.

Brutto-Netto-Spread bei Prämien beachten

Das Rating von Franke & Bornberg stellt keine Preis-Leistungs-Analyse dar. Als Tipp, angesichts eine scharfen Preiswettbewerbs auch in Zukunft stabile Tarife zu erhalten, raten die Analytiker, den Brutto-Netto-Spread zu beachten. Er sei ein Stabilitätsindikator. „Je niedriger der Spread, umso geringer ist das Risiko für steigende Prämien“, erläutert die Rating-Agentur.

Morgen & Morgen: 60 Prozent des Bruttolohns absichern

Eine Sonderauswertung für Nachversicherungsgarantien hat die Ratingagentur Morgen & Morgen vorgelegt. Da die Zielgruppe der Arbeitskraftabsicherung immer jünger werde, sei es wichtig, dass die Tarife mitwachsen und entsprechend ausgestaltete Nachversicherungsgarantien beinhalten würden. „Mit dem M&M Rating BU-Nachversicherung gibt es nun eine Orientierung, wie flexibel sich der jeweilige Tarif den Bedürfnissen anpassen kann“, erläutert Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating und Analyse bei Morgen & Morgen. So können Versicherungsmakler nun – vor allem bei jungen Kunden - erstmal die Top-Nachversicherungstarife auswählen und dann die Gesamtbewertung betrachten. 313 BU-Tarife wurden in dem Extra-Rating mit fünf Sternen ausgezeichnet; 86 Tarife erhielten noch vier Sterne.

Berücksichtigen aktuell ausgeübten Beruf bei Nachversicherung

Fünf Mindestkriterien sind Voraussetzung für eine Bewertung von vier oder fünf Sternen. So müssen diese Tarife auf eine erneute Risikoprüfung im Rahmen der Nachversicherung verzichten. Damit grenzen sie sich von den Tarifen ab, die zwar auf die Gesundheitsprüfung als einen Teil der Risikoprüfung verzichten, dafür aber beispielsweise erneut den aktuell ausgeübten Beruf betrachten und bei der Nachversicherung heranziehen.

Als weiteres Mindestkriterium gilt die angemessene maximale Rentenerhöhung. Hier fordert M&M, dass mindestens 60 Prozent des Bruttolohns abgesichert werden können und nicht der Nettolohn die Grundlage bildet. Ludwig: „Somit ist sichergestellt, dass die tatsächliche Arbeitskraft, deren Wert als Bruttolohn gemessen wird, abgesichert ist.“

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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