Opt-out ist out

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Eigentlich verlangt die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, dass auch im Onlinevertrieb Fragen gestellt und Angebote begründet werden. Mit der gelebten Praxis ist das noch nicht immer kompatibel.

Die so genannten Standards für den Vertrieb ohne Beratung nach Artikel 20 IDD sehen vor, dass einem Kunden unabhängig vom Vertriebsweg stets Fragen zu seinen Wünschen und Bedürfnissen zu stellen, dazu passende Angebote zu unterbreiten und eine objektive und verständliche Begründung abzugeben ist. Der deutsche Gesetzgeber setzt noch einen drauf und verlangt stets eine Beratung, auch wenn die jedenfalls nach der IDD-Definition kaum möglich ist. Denn Beratung soll eine persönliche Dienstleistung sein, durch die dem Kunden verdeutlicht wird, warum eine angebotene Versicherung am besten geeignet ist, seine Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen.

Klick und weg

Das deutsche Versicherungsvertragsrecht kennt allerdings abweichend zur IDD ein Verzichtsrecht, das im Fernabsatz sogar vereinfacht in Textform wahrgenommen werden kann. "Klick und weg mit der Beratungspflicht" ist daher eine beliebte Lösung, die man derzeit auf vielen Webseiten findet. Das Problem: Das deutsche Verzichtsrecht umfasst auch die Standards für den Vertrieb ohne Beratung. Richtlinienkonform? Wohl kaum, aber das müssen die Juristen entscheiden.

Für die Praxis wichtig ist, dass Ziel der Richtlinie die so genannte informierte Kundenentscheidung ist. Der Kunde soll wissen, warum er eine Versicherung angeboten erhält.

Besonders in der Kritik stehen bekanntlich derzeit die Restschuldversicherungen zur Absicherung des Todesfall- oder auch weiterer Risiken, die den Kreditnehmer daran hindern können, den Kredit zurückzuzahlen. Ein Bonitätsrisiko der Bank, aber je nach familiärer Situation auch ein Risiko für die Angehörigen des Kreditnehmers.

Finanzierungsangebote ausgedünnt

In diesem Zusammenhang ist eine Entwicklung interessant: Bis vor wenigen Wochen war es auf den Internetseiten vieler Autohersteller üblich, neben den Informationen zu Fahrzeugmodellen und einer individuellen Konfiguration des Wunschmodells auch Finanzierungen anzubieten. Nicht selten gehörte eine Restschuldversicherung mit dazu, und zwar per Opt-out-Verfahren. Das heißt, der Kunde erhielt die Versicherung vorbelegt als Bestandteil der Finanzierung angezeigt, konnte sie aber aktiv abwählen.

Fragen zu Wünschen und Bedürfnissen waren und sind nicht üblich. Begründungen gab und gibt es allenfalls indirekt in Form von Info-Kästchen, in denen in wenigen Sätzen die Inhalte einer solchen Versicherung beschreiben.

Dann vor wenigen Wochen plötzlich verschwanden diese Angebote. Bei vielen Autofirmen erhält man gar kein individuelles Finanzierungsangebot mehr, beispielsweise bei BMW und Opel. Stattdessen wird auf einen örtlichen Händler verwiesen. Auf Nachfragen waren keine Informationen zu erhalten, warum Finanzierungs- und Restschuldversicherungsangebote abgeschaltet wurden.

Opt-in statt Opt-out

Viele Hersteller bieten Finanzierungsseiten mit entweder individualisierten Angeboten, unter anderem durch Eingabe von Wunsch-Zuzahlungen oder Laufzeiten, oder standardisierten Muster-Angeboten an. Die Restschuldversicherung taucht nur noch beim Volkswagen-Konzern auf (Audi und VW), aber nun als Opt-in-Lösung. Der Kunde muss aktiv die Option wählen, um eine neue Gesamt-Finanzierungsrate einschließlich Versicherung angezeigt zu erhalten. Auch bei Ford gibt es ein Opt-in-Angebot, allerdings nicht in das individualisierte Finanzierungsangebot integriert. Auch wenn die Opt-in-Lösung allein wohl noch keine Erfüllung der erwähnten Standards für den Vertrieb ohne Beratung darstellen dürfte, wird wenigstens dem Kunden nicht mehr der Einschluss als quasi selbstverständlich notwendig dargestellt.

Bemerkenswert ist, dass diese Änderungen jedenfalls nicht in Zusammenhang mit der IDD-Umsetzung stehen können, denn die erfolgte bereits im Februar 2018. Spekulationen über einen Zusammenhang mit dem kürzlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Opt-in-Verfahren wurden bislang nicht bestätigt.

Autor(en): Matthias Beenken

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