PKV überzeugt: Duales Gesundheitssystem ist krisentauglich

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Die Lobeshymnen waren zahlreich: Auf Deutschland, auf das duale Gesundheitssystem in Deutschland, auf die Anpassungsfähigkeit vieler Akteure in der Corona-Pandemie, auf die private Krankenversicherung. So geschehen bei der „PKV-Zwischenbilanz zur Corona-Krise“. Die Details.

Die Johns Hopkins University hat das deutsche Gesundheitswesens in der Corona-Krise zum Vorbild gekürt. Zitat: „Vom deutschen Gesundheitssystem kann man lernen, wie eine umfassende Versorgungsstruktur in einer Pandemie Leben retten kann“. Dieses internationale Lob präsentierte Florian Reuther, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, in der gestrigen Online-Pressekonferenz „PKV-Zwischenbilanz zur Corona-Krise“.

Wohl auch die Deutschen sind mit der Bewältigung der aktuellen Krise sehr zufrieden. So hätte das Institut für Demoskopie Allensbach gemeldet, das 89 Prozent der Bürger das deutsche Gesundheitssystem mit „gut“ oder sogar „sehr gut“ bewertet hätten. Laut Reuther ist dies ein Rekordwert, „der höchste Wert seit 20 Jahren“. Auch diverse Mediziner lobten das eigene Gesundheitssystem mit Worten wie, dass es „im Moment keinen besseren Ort zum Leben gibt als Deutschland“ oder „wir haben diese Krise wegen des gut funktionierenden Gesundheitssystems besser als alle anderen Industrienationen in der westlichen Welt bewältigt“ und „wir ein Mix aus privat, gesetzlichem und staatlichem System sind. Dieser Mix hat sich aktuell bewährt“.

Duales System hilft, unabhängig von der Kassenlage des Staates

Die letzte Aussage konnte Florian Reuther nur unterstreichen und fügte hinzu, dass Deutschland „seine starken medizinischen Ressourcen dem dualen Gesundheitssystem verdanke, in dem sich staatliche und private Strukturen gegenseitig ergänzen“. Vor allem die flächendeckende ambulante Versorgung mit Haus- und Fachärzten hätte dafür gesorgt, dass in Deutschland viele Covid-19-Patienten ambulant versorgt werden hätten können. Und in diesem ambulanten Versorgungsnetzwerk würde eben auch die private Krankenversicherung eine wichtige Rolle spielen. Vor allem „der überproportionale Mehrumsatz“ der PKV hätte dafür gesorgt, dass jede Arztpraxis über ungefähr 50.000 Euro pro Jahr zusätzliche Mittel verfüge.  
„Ohne die PKV würden diese zusätzlichen Gelder wegfallen, mit schwerwiegenden Folgen für die ambulante Versorgung“, zeichnete Reuther ein dramatisches Bild. Besonders wichtig war dem PKV-Chef auch noch der Hinweis, dass die duale Struktur eine Finanzierung des Systems „unabhängig von der Kassenlage des Staates“ ermögliche. Ein Umstand, der besonders in der aktuellen Krise zum Tragen komme.

Reuther sieht PKV unberechtigt in der Kritik

Sauer stößt Reuther auf, dass Kritiker aktuell monierten, dass sich die PKV zu wenig an den Kosten zur Bewältigung der Pandemie beteiligen würde. Diese Kritik wies Reuther vehement zurück.  So sei die private Krankenversicherung sogar „überproportional“ an den steuerfinanzierten Zahlungen des Bundes beteiligt, die in die Corona-Rettungsschirme flössen. So trügen zum Beispiel zehn Prozent der Privatversicherten 20 Prozent des Steuerzuschusses der GKV. Der sehr hohe Anteil der PKV werde besonders bei Einzelmaßnahmen deutlich. Reuther belegte diese Position auch mit konkreten Zahlen: Die Mehrkosten für die PKV für den Schutzschirm der Krankenhäuser beträgt über 350 Millionen Euro, für die Pflegeeinrichtungen belaufen sich diese Kosten auf gut 130 Millionen Euro. Unterm Strich wäre die private Krankenversicherung zu gut 98 Prozent an den Kosten des Krankenhausrettungsschirms beteiligt. Die Kritik, dass sich die PKV an den Kosten für die Intensivbetten nicht beteiligte, sei besonders unangebracht, da dies alleinig die Aufgabe der Bundesländer sei und so eben nicht in den Aufgabenbereich der PKV falle. 

Ambulante Arztpraxen in der Krise finanziell unterstützt

Was hingegen abgemacht sei, dass die PKV für jeden Arztkontakt und dementsprechende Hygienemaßnahmen den Extraaufwand erstatte. So kämen Sonderausgaben für ambulante Arztpraxen in Höhe von schätzungsweise 500 Millionen Euro zusammen, bei den Zahnärzten wären dies Zahlungen von rund 120 Millionen Euro. Darüber hinaus würden rund 36 Millionen Euro aufgewendet für die zusätzlichen Telefon- und Video-Sprechstunden der Ärzte, die in der Corona-Krise abgehalten worden seien.

Trotz der Corona-Krise haben sich die Leistungsausgaben in der PKV kontinuierlich entwickelt – selbst für den PKV-Verband ein erstaunliches Phänomen, räumte der Verbandschef selbst ein. Wohl ein wichtiger Auslöser hierfür: Stark gestiegene Ausgaben für Arzneimittel. Mit anderen Worten: Manche Kunden haben zu Anfang der Corona-Krise Tabletten gehortet wie andere Menschen das Toilettenpapier in ihren Kellern gestapelt haben. Reuther drückt dies etwas vornehmer aus: „Viele Versicherte haben sich während des Lockdowns größere Packungen oder einen gewissen Vorrat für ihre Versorgung angelegt.“   

Das Phänomen in Zahlen: Anders als erwartet sind die Leistungsausgaben im ersten Halbjahr 2020 nicht gesunken, sondern um 690 Millionen Euro auf 14,34 Milliarden Euro gestiegen – ein Plus von fünf Prozent! Dabei stiegen die allgemeinen Krankenhausleistungen um 6,3 Prozent auf 2,65 Milliarden Euro (exklusive Wahlleistungen), die ambulanten Leistungen stiegen um 5,7 Prozent auf 7,25 Milliarden Euro.

Besonders bemerkenswert bei dem Punkt „ambulante Leistungen“: Wie eben erwähnt ein starker Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel und zwar um 11, 6 Prozent auf 1,99 Milliarden Euro. Im Zahnbereich kletterten die Leistungsausgaben um 3,5 Prozent auf 2,33 Milliarden Euro. Beim Krankentagegeld stiegen die Ausgaben sogar um 15,4 Prozent auf stolze 499 Millionen Euro!

Analyse der Krankentagegeldkosten steht noch aus

Noch nicht analysiert hat der Verband den Umstand, welche Leistungen in der ersten Corona-Zeit in den Krankenhäusern abgefragt wurden. Diese Analyse könnte dann auch klären, warum die Kosten beim Krankentagegeld so exorbitant hoch sind, obwohl doch viele Menschen den Gang ins Krankenhaus vermieden hätten, wenn ein Eingriff nicht unbedingt notwendig gewesen sei. Eine Vermutung hatte Reuther aber: Trotz gesunkener Fallzahlen sind die zu behandelnden Fälle wohl besonders schwerwiegend gewesen und folglich auch weitaus kostenintensiver.

In einer Vereinbarung von Anfang März wurde festgelegt, dass die Kosten für zentral beschafftes Material wie Schutzmasken von der GKV übernommen werden. Ohne Zustimmung der PKV wäre dabei auch vereinbart worden, dass die PKV zehn Prozent dieser Kosten übernehmen solle. Diese Entscheidung hat die PKV dann aber nicht akzeptiert, sondern eine andere Lösung gefunden. Deren Inhalt: Pro Praxisbesuch gibt es für die niedergelassenen Ärzte einen „Hygienepauschale“ von rund 14 Euro für die zusätzlich benötigten Materialkosten.

Was der PKV-Verband aber auf keinen Fall zusätzlich finanziell unterstützen will, betonte Reuther auch noch: Corona-Tests für Menschen ohne Symptome, das Freihalten von Krankenhausbetten oder Boni für die Krankenhauspflegekräfte.

Auswirkungen auf das Neugeschäft noch nicht klar erkennbar

Wie es mit den Auswirkungen auf das Neugeschäft aussieht, konnte Reuther noch nicht sagen. Zitat: „Hierzu fehlen uns noch die Erkenntnisse. Strukturell gibt es aber zwei gegenläufige Effekte: Zum einen waren wirkliche Kundengespräche während des Lockdowns kaum möglich. Der andere Effekt: Viele Menschen haben sich weitaus stärker mit ihrer Gesundheit und mit der Absicherung von dieser beschäftigt. “ Und noch einen positiven Nebeneffekt konnte der PKV-Mann hierbei mit einem leichten Schmunzeln vermerken: „Das digitale Kundengespräch hat in dieser Zeit weitaus besser geklappt als wenn man es wirklich geplant hätte“.

Einige privat Versicherte hat die Pandemie wirtschaftlich und finanziell schwer getroffen. Doch die Versicherten hätten in nur wenigen Fällen das Angebot der Branche, ihre Versicherungsbeiträge zu stunden, in Anspruch genommen, in den meisten Fällen hätten die einzelnen Versicherer mit ihren betroffenen Kunden gute Lösungen finden können, so der Eindruck des Verbandes. Insgesamt sei auch zu erkennen, dass die Beitragssituation im ersten Halbjahr 2020 trotz der Krisensituation sehr stabil ist. Und nicht nur das: Der Verband kann sich sogar über ein leichtes Plus von rund vier Prozent freuen.

Autor(en): Meris Neininger

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