PKV: Umdeckung rauf, Kosten auch

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In der privaten Kranken-Vollversicherung nimmt die Konzentration weiter zu. Auch im vergangenen Jahr suchten einige Versicherer ihr Heil im schrumpfenden Markt, indem sie andere angriffen. Der digitale Newcomer Ottonova hat sich etabliert.

In der aktuellen Ausgabe 19/2022 der Zeitschrift für Versicherungswesen hat der Chefredakteur Marc Surminski wie jedes Jahr seine Übersichten über die Geschäftszahlen der privaten Krankenversicherung (PKV) zusammengetragen.

Weniger Bruttoneuzugänge…

Der Bruttoneuzugang an Vollversicherten lag 2021 mit 226.723 Personen um 2,4 Prozent niedriger als im Jahr zuvor. Wie in den Vorjahren auch, fehlten dabei allerdings Zahlen von den Versicherern Axa, Bayerische Beamten, Gothaer, UKV und Arag (in der Reihenfolge ihres Rangs nach Beitragseinnahmen).

Mit 1.371 Neuversicherten hat sich der junge Krankenversicherer Ottonova etabliert, das sind 161 mehr Neuversicherte als ein Jahr zuvor. Der Bestand stieg auf 2.890 versicherte Personen. Das ist zwar nicht viel, aber immerhin überholte Ottonova damit die DEVK und die Mecklenburgische und ist nur noch der drittkleinste der insgesamt 32 Krankenvollversicherer. Noch schlägt sich das aber nur bedingt in den Beitragseinnahmen nieder: Hier steht Ottonova mit 14,6 Millionen Euro verdienten Bruttobeiträgen weiter auf Platz 32.

…aber mehr per Umdeckung

Der Wettbewerb untereinander durch Umdeckung hat sich deutlich intensiviert. Das erkennt man an der Zunahme der Portabilität, also der Übertragung von Alterungsrückstellungen aus den seit 1.1.2009 abgeschlossenen Bestandsverträgen von einem zum anderen Versicherer.

Im Jahr 2021 haben die 29 Krankenvollversicherer, die dazu Angaben machten (es fehlen: Axa, Generali, Landeskrankenhilfe), insgesamt 152 Millionen Euro von anderen Krankenversicherern erhalten. Das sind 5,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Um sogar 37 Prozent auf 127 Millionen Euro stieg die Summe abgegebener Alterungsrückstellungen. Dass die beiden Beträge nicht deckungsgleich sind, dürfte mit der unvollständigen, vielleicht auch taktischen Meldebereitschaft zusammenhängen.

Beitragsanpassungen steigern die Einnahmen

Insgesamt sind die Beitragseinnahmen der 32 Vollkrankenversicherer um 5,8 Prozent auf rund 44,2 Milliarden Euro angewachsen. Erneut lag das im Wesentlichen an Beitragsanpassungen und an Erfolgen im Zusatzversicherungsgeschäft, denn der Bestand an Vollversicherten schrumpfte ein weiteres Jahr in Folge leicht um 0,1 Prozent auf rund 8,7 Millionen Personen.

Die Debeka konnte ihre Marktführerschaft weiter ausbauen. Mit knapp 7,5 Milliarden Euro Beitragseinnahme hat sie nun fast 50 Prozent mehr Einnahmen als die Nummer Zwei, die DKV (knapp 5,1 Milliarden Euro). Die Anzahl der brutto Neuversicherten ging zwar von 84.055 auf 74.399 zurück, das entspricht aber immer noch jedem dritten Neuversicherten, der in Koblenz seine Mitgliedschaft unterschrieb. Die nächstmeisten Neuversicherten meldeten die Signal (27.073 versicherte Personen), Hansemerkur (23.195) und Continentale (14.930).

Wesentliche Veränderungen in der Rangfolge der Unternehmen nach Beitragseinnahme sind nicht zu verzeichnen. Nach Debeka, DKV, Allianz, Axa und Signal tauschte die Barmenia den Platz sechs gegen den vorherigen siebten ein, der an die Generali ging. Auch dahinter gab es nur sehr vereinzelte Tausche einzelner Plätze.

PKV Neugeschäft

Wo die Neukunden gesucht werden

Einen Eindruck von der Art der Neugeschäfte verschafft auch der durchschnittliche Portabilitätsbetrag je brutto neuversicherter Person. Je höher dieser Betrag, desto eher dürfte der Versicherer Bestandskunden anderer Gesellschaften geworben statt Personen erstmals ins System der privaten Krankenversicherung geholt haben. Am oberen Ende stehen dabei die Versicherer Hansemerkur (2.246 Euro durchschnittlich erhaltene Alterungsrückstellungen je Neuversichertem), Mecklenburgische (1.993 Euro), Continentale (1.346 Euro) und Württembergische (1.244 Euro).

Besonders niedrig dagegen ist der Gewinn an Alterungsrückstellungen und damit wohl der Anteil an Umdeckungen bei Debeka (109 Euro), Münchener Verein (178 Euro), Inter (233 Euro), Huk-Coburg (301 Euro) und Barmenia (314 Euro). Eine gewisse Rolle spielt dabei aber wohl auch die Versichertenstruktur, insbesondere, wenn schwerpunktmäßig Beihilfeberechtigte aufgenommen werden, deren Beiträge und damit auch übertragbare Alterungsrückstellungen naturgemäß niedriger ausfallen als in den Vollversicherungen der Angestellten und Selbstständigen.

Steigende Kosten

Die mittlere Verwaltungskostenquote der Versicherer ist nach Surminskis Angaben leicht von 2,5 auf 2,6 Prozent angestiegen. Die Bandbreite reicht von günstigen 0,9 Prozent der Beiträge bei der HUK-Coburg bis zu 4,9 Prozent bei der Ottonova, was angesichts des Aufbaus der Gesellschaft allerdings weniger verwunderlich ist. Hohe Verwaltungskostenquoten von drei Prozent und mehr weisen aber auch etablierte Krankenversicherer wie die DEVK, FAMK, Generali, Münchener Verein, Nürnberger und Württembergische auf.

Die Abschlusskosten sind ebenfalls gestiegen, von 7,2 auf 7,4 Prozent. Etwas anders als in der Lebensversicherung, wo die Abschlusskostenquoten in Relation zur (künftigen) Beitragssumme gemessen werden, spiegeln die Abschlusskostenquoten der PKV direkt die Intensität des Neugeschäfts wider. Wieder fällt die Ottonova auf, die aber immerhin ihre Abschlusskostenquote von 47,9 auf 36 Prozent der Beitragseinnahmen senken konnte – aber auch das erklärt sich aus dem Neuaufbau des Unternehmens.

Sehr hohe Anteile ihrer Beiträge wenden allerdings auch Arag (17,8 Prozent), Hansemerkur (12,9 Prozent), Concordia (11,8 Prozent), Barmenia (10,4 Prozent) und Mecklenburgische (10 Prozent) für den Abschluss neuer Verträge auf. Am anderen Ende fallen die Versicherer LKH (0,9 Prozent), FAMK (1,7 Prozent), Huk-Coburg (2,8 Prozent) und Debeka (3,7 Prozent) auf.

Bald deutlich mehr Versicherte in Sozialtarifen?

Abschlusskosten- und Verwaltungskostenquote sind stark positiv korreliert. Das heißt, wenn ein Krankenversicherer die Abschlüsse teurer bezahlt als andere, liegen auch die Verwaltungskosten relativ höher.

Wer umdeckt, verliert mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig Vollversicherte, auch diese Korrelation ist sehr hoch und signifikant. Einen weiteren auffälligen Zusammenhang gibt es mit der Anzahl an Personen, die ihren regulären Krankenversicherungsbeitrag über längere Zeit nicht mehr zahlen konnten und deshalb den Notlagentarif in Anspruch nehmen. Diese Zahl ist ebenfalls hoch positiv korreliert mit den Portabilitätszahlen. Viel Bewegung hängt also auch mit vermehrter Not unter den Versicherten zusammen.

Insgesamt hat sich allerdings die Zahl der Personen im Notlagentarif erneut um gut sechs Prozent auf gut 46.433 Personen reduziert, jedenfalls bei den nur 24 Versicherern, die diese Zahl an die Zeitschrift für Versicherungswesen gemeldet haben.

Die Zahl sehen einige Versicherer wohl als sensibles Geschäftsgeheimnis, denn mit 31 Versicherern veröffentlichen deutlich mehr – also fast alle Unternehmen – die Zahl der Versicherten in den beiden anderen Sozialtarifen. 52.079 Personen werden im Standardtarif geführt, 4,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 32.450 Personen haben den Basistarif, das sind 5,5 Prozent mehr als noch 2020.

Erste Indizien für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage?

Das könnten erste Indizien für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Privatversicherten sein. In den Berichtsjahren 2022 und vor allem 2023 wird sich zeigen, wie viele von ihnen angesichts der hohen Inflation und der Energiepreis-Krise in Not geraten und einen der entsprechenden Tarife benötigen.

Im aktuellen Heft 19/2022 der Zeitschrift für Versicherungswesen finden sich eine Reihe weitere interessante Zahlen zur Geschäftsentwicklung sowie wichtige Unternehmenskennzahlen der PKV im vergangenen Jahr.

Autor(en): Matthias Beenken

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