PKV: Verbraucher dürfen Unabhängigkeit des Treuhänders nicht prüfen

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Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung können auch bei einem nicht unabhängigen Treuhänder wirksam sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Im Streit gegen die Axa Krankenversicherung ging es darum, ob Beitragsanpassungen gültig sind, auch wenn der Treuhänder, der sie genehmigt, in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Versicherer steht. Der Axa-Kunde hatte vor dem Landgericht Potsdam Recht bekommen. Der Versicherer war verurteilt worden, das Geld aus der Beitragserhöhung zurückzuzahlen. Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung für die Private Krankenversicherung. Auch die Unabhängigkeit anderer Treuhänder ist umstritten. Der BGH hat nun entschieden, dass Verbraucher vor einem Zivilgericht die Unabhängigkeit eines Treuhänders gar nicht überprüfen dürfen.

Gesonderte Überprüfung der Unabhängigkeit

Das Gericht stellte fest: „Ist der zustimmende Treuhänder gemäß den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes ordnungsgemäß bestellt worden, so findet eine gesonderte Überprüfung seiner Unabhängigkeit durch die Zivilgerichte im Rechtsstreit des einzelnen Versicherungsnehmers über eine Prämienanpassung nicht statt.“ Die Aufsichtsbehörde muss allein sicherstellen, dass der mit der Prüfung der Prämienkalkulation beauftragte Treuhänder unabhängig und sachkundig ist und die Interessen des Versicherungsnehmers wahrt.

Für den Rechtsschutz des Verbrauchers sei ausreichend, dass inhaltlich vor jedem Zivilgericht geprüft werden kann, ob die Erhöhungen sachlich richtig sind. Zu dieser Prüfung hat der BGH nun das Verfahren wieder an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen. Der BGH verweist zudem darauf, dass es nicht im Sinne des geltenden Rechts zur Privaten Krankenversicherung ist, dass Prämienanpassungen formal scheitern. Denn die Vorschriften zur Prämienanpassungen würden vor allem bezwecken, dass die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen durch den Versicherer gewährleistet ist. Daher hätten PKV-Unternehmen sogar die Pflicht zu Prämienerhöhungen.

Prämienerhöhungen später nachholen

Entfallen diese aus formalen Gründen – eben wegen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Treuhänders zum Unternehmen, das er prüft – dann müsste der Versicherer die Prämienerhöhungen später nachholen. Diese Erhöhungen könnten dann – wegen der zwischenzeitlich entstandenen Lücke sogar insgesamt höher ausfallen, erläuterte der BGH (Urteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17).

Kommentar

Treuhänderstreit: Branche kommt davon

Das ist gerade noch einmal gutgegangen. Ganz bestimmt hat die Branche der Privaten Krankenversicherer (PKV) noch ganz wackelige Kniee. Fast hätten Millionen Privatpatienten Milliarden Euro zurückfordern können. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hat Erbarmen gehabt. Er stellt fest: Prämienerhöhungen dienen dem Überleben der PKV-Branche. Daher dürfen sie nicht einfach hinfällig sein. Zumindest nicht wegen einer formalen Lappalie.

Viele – nicht nur der Treuhänder der Axa – waren zumindest in der Vergangenheit, von dem Unternehmen wirtschaftlich abhängig, das sie kontrollieren sollten. Das hat ein furchtbares Geschmäckle. Vor allem, weil die Kalkulation in der PKV megakomplex ist. Ob der (abhängige) Treuhänder wirklich alles inhaltlich richtig gemacht hat, das kann dann wieder nur einer seiner Kollegen prüfen. Da fällt einem schnell der Spruch ein: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Doch dem BGH reicht, dass man inhaltlich vor jedem Gericht alles prüfen kann – theoretisch. Das Landgericht Potsdam ist noch nach dem alten Spruch verfahren: „Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe.“ Pech gehabt!

Damit Kunden immer etwas und nicht auf einmal ganz viel „bluten“ müssen

Die Souveränität eines einmal von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) eingesetzten PKV-Treuhänder haben Zivilgerichte nicht zu überprüfen. Basta! Hätte man halt die Behörde verklagen sollen. Den schwarzen Peter hat nun die Bafin. Sie täte gut daran – wie Verbraucherschützer es fordern – eine regelmäßige transparente Prüfung der Kontrolleure durchzuführen. Die PKV-Branche hat übrigens nach „durchzechter Nacht“ schon wieder Oberwasser. Jetzt fordert sie endlich, die Prämienanpassungen rechtlich so zu gestalten, dass die Kunden immer etwas und nicht auf einmal ganz viel „bluten“ müssen.

Noch besser wäre es, wenn die Branche endlich klar machen würde: Wer Privatpatient sein möchte, fährt für seine Gesundheitsvorsorge ein Oberklassefahrzeug. Dieser Luxus – ein Tabu-Wort in der PKV – kostet nun mal recht viel Geld.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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