Prisma Life: Bloß kein BGH-Urteil

Der Versicherungstip kritisiert das Verhalten der Prisma Life in Sachen Kostenausgleichsvereinbarung, ein höchstrichterliches Urteil zu vermeiden. Hier müsste der Gesetzgeber tätig werden und eine mögliche Regelungslücke schließen.

Zum widerholten Mal hat der liechtensteinische Versicherer Prisma Life verhindert, dass sich der Bundesgerichtshof zuletzt Mitte Juli mit der Zulässigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung im Frühstornofall befassen kann. Schon im März gab es zwei Verfahren, die kurz vor der Verhandlung durch außergerichtlichen Vergleich zurückgezogen wurden. Das Branchenmagazin Versicherungstip kritisiert dieses Verhalten und mutmaßt, dass der BGH „kein Wohlgefallen zu finden“ scheint an den Vereinbarungen, mit denen rechtlich zwei getrennte Verträge geschaffen werden, ein Versicherungsvertrag und ein Vertrag über die Tilgung der Vertriebskosten.

Fragwürdige Argumente für die Abtrennung
Diese Konstruktion wurde einerseits als Transparenzfortschritt gefeiert zu einer Zeit, als die deutschen Lebensversicherer nur Bruttopolicen ohne Aufschlüsselung der darin enthaltenen Kosten anboten. Mit der VVG-Reform und insbesondere der Pflicht zur Kostenoffenlegung nach der VVG-Informationspflichtenverordnung ist dieses Argument haltlos geworden.

Dafür lieferte die VVG-Reform ein anderes Argument: Die für Vermittler unangenehme Stornohaftung, die mit der Auslagerung der Abschlusskosten in eine separate Vereinbarung vermieden wird. Hintergrund ist die Regelung des § 169 Absatz 3 VVG, wonach der Lebensversicherer bei vorzeitiger Vertragskündigung die Abschluss- und Vertriebskosten in den ersten fünf Jahren nur zeitanteilig beim Rückkaufswert abziehen darf. § 169 Absatz 5 VVG verbietet zudem, ungetilgte Abschluss- und Vertriebskosten dem Kunden doch noch beispielsweise per Stornoabzug zu belasten. Verständlicherweise beteiligten die Lebensversicherer seither die Vermittler anteilig an dieser Rückbelastung.
Allerdings betreffen diese Regelungen des § 169 VVG nur Bruttopolicen, so jedenfalls die Meinung der Liechtensteiner oder auch einiger Juristen. Ein „Schlupfloch aus der Provisionsfalle“ sei daher die Kostenausgleichsvereinbarung, hieß es in der Werbung der Liechtensteiner gegenüber Vermittlern.

Wirkung einer Vertragsstrafe
Im Sinn der VVG-Reformkommission kann es jedenfalls nicht gewesen sein, dass Kunden bei frühzeitiger Vertragskündigung mit den vollen Abschlusskosten belastet werden. Sie bezeichnete dies in ihrem Abschlussbericht als „eine Art unzulässige Vertragsstrafe für vertragsgemäßes Verhalten“. Offensichtlich sollte der Kunde gerade nicht an dem ihm zustehenden Kündigungsrecht gehindert werden, indem er mit weit überproportionalen Abschlusskosten in Relation zu den gezahlten Prämien belastet wird – genau das aber passiert bei vorzeitig gekündigten Verträgen mit separater Kostenausgleichsvereinbarung.
Fragwürdig ist die Konstruktion der rechtlich getrennten Verträge ganz besonders in dem häufigen Fall, dass diese von Versicherungsvertretern vermittelt werden. Denn sie handeln als Erfüllungsgehilfe des Versicherers. Nur Makler schließen tatsächlich unabhängig vom Versicherer mit dem Kunden eine Vereinbarung über ihre Honorarforderung.

Wann ist die separate Vereinbarung transparent?
Dementsprechend fordert der Versicherungstip auch, dass es „zulässig sein“ müsse, „den Anspruch auf Maklervergütung unabhängig vom späteren Schicksal des wirksam gewordenen Versicherungsvertrages zu regeln“. Allerdings setze dies „eine transparente vertragliche Ausgestaltung“ voraus.

Genau da liegt jedoch das Problem. Die Bruttopolicen haben Tradition. Und sie entsprechen wohl auch dem Kundeninteresse, die Gesamtbelastung zu kennen, die sich aus einer bestimmten vereinbarten Leistung ergibt. Sobald nun diese Belastung in zwei Verträge verteilt wird, geht mindestens Transparenz verloren. Diese Transparenz muss der Vermittler wiederherstellen und dem Kunden leicht nachvollziehbar die Gesamtbelastung darlegen – und zwar sowohl für den Fall, dass der Lebensversicherungsvertrag bis zum Ende durchgehalten wird, als auch für den Fall der vorzeitigen Kündigung in irgendeinem Vertragsjahr.
Zusätzlich stellt sich aus Kundensicht die Frage, warum er neben der Intransparenz auch noch einen Nachteil im Frühstornofall in Kauf nehmen soll.

Die Aufhebung des Schicksalsteilungsgrundsatzes der Bruttopolice – die Provision teilt das Schicksal der Prämie – ist für den Kunden objektiv von Nachteil. Diesem Nachteil sollte aber ein entsprechender Vorteil gegenüberstehen. Der könnte möglicherweise darin bestehen, dass der Kostenausgleich beziehungsweise die Honorare insgesamt wesentlich niedriger ausfallen als im Fall der einkalkulierten Provisionen. Bei den bisher bekannt gewordenen Vertragsgestaltungen ist das nun aber gerade nicht der Fall. Dort drängt sich eher der Eindruck auf, dass die Intransparenz der aufgespaltenen Verträge zur Provisionsmaximierung genutzt wird.

Ergänzung des VVG sinnvoll
Wenn sich weiterhin Anbieter mit solchen Vertragsgestaltungen im Markt tummeln und sich einer Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem VVG durch das höchste Gericht entziehen, ist der Gesetzgeber gefordert. Er sollte den § 169 VVG dahingehend ergänzen, dass auch bei einer Auslagerung des Abschluss- und Vertriebskosten in separate Vereinbarungen der Kunde nicht schlechter gestellt werden darf als im Fall des Rückkaufs einer Bruttopolice. Hierfür hätte dann der Versicherer im Fall des Vertretervertriebs, der Makler dagegen über die Schadenersatzhaftung selbst geradezustehen.

Keine Kritik von Verbraucherschützern
Eigenartigerweise verhält sich der Verbraucherschutz gegenüber den neuen Bezahlmodellen und deren Verfechtern wesentlich zurückhaltender als gegenüber den Versicherern, wenn es um Nachschlagsforderungen aus Bruttopolicen geht. Glaubwürdiger wäre ein entschiedenes Eintreten für die Kundenrechte. Allerdings könnte das die von Verbraucherschützern geschürte Euphorie der Politik dämpfen, dass vom Kunden gezahlte Honorare das Zaubermittel gegen Falschberatung sind – das gerade verabschiedete Honoraranlageberatungsgesetz ist genau diesem Denken entsprungen.

Bild: © Lilo Kapp /

Autor(en): Matthias Beenken

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