Raffelhüschen: Nachhaltigkeitsfaktor muss bleiben

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Viel Kritik gab es für Pläne der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, den so genannten Nachhaltigkeitsfaktor nach der Bundestagswahl abzuschaffen, von Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Diese äußerte er beim Deutschen Derivate Tag am 4. September 2017 in Frankfurt am Main.

"Wir dürfen das nicht auf Kosten unserer Kinder tun", ist Raffelhüschen von der Notwendigkeit des Nachhaltigkeitsfaktors überzeugt. Dieser Nachhaltigkeitsfaktor als Teil der Rentenanpassungsformel beeinflusst die jährliche Rentenanpassung entsprechend der Veränderung des Verhältnisses der Beitragszahler zu den Rentenbeziehern. Dabei werden sowohl demographische als auch konjunkturelle Änderungen berücksichtigt. Er wurde 2004 in das Sozialgesetzbuch (SGB VI) eingefügt und soll durch die tendenzielle Dämpfung der jährlichen Rentenerhöhung den Anstieg des Beitragssatzes bis zum Jahr 2030 auf maximal 22 Prozent begrenzen.

Geburtenstarken Jahrgänge waren Ausnahme
Die demografische Lage habe sich in den vergangenen Jahren nicht verändert, die Demografen hätten Recht behalten, so Raffelhüschen. Im Gegensatz zur Meinung des ehemaligen Bundesarbeitsministers Norbert Blüm sei der „Pillenknick“ nicht weg, sondern immer noch da. Die geburtenstarken Jahrgänge seien die Ausnahme in der Bevölkerungsentwicklung gewesen. „Wir sind ein Land ohne Kinder“, meinte der streitbare Professor und „Ein Drittel meiner Generation geht ohne Kinder von dieser Welt“. Die Anzahl der Rentner werde sich dagegen in 20 Jahren verdoppelt haben. Gleichzeitig werde das Potenzial an Erwerbstätigen nur noch etwa zwei Drittel bis – positiv geschätzt – drei Viertel des heutigen haben. Die Frauenerwerbsquote in Deutschland sei zwar hoch wie in Schweden, jedoch zum großen Teil in Teilzeitarbeitsplätzen.

Derzeitige Zuwanderung hilft nicht viel
Bei der heutigen Zuwanderung seien zu viele Barrieren für den Arbeitsmarkt festzustellen. Die Zuwanderung helfe nur, wenn sie qualifiziert, schnell integrierbar und jung sei. Während die Zuwanderung 1992 mit etwa 800.000 Menschen aus Osteuropa und Ex-Jugoslawien schnell und geräuschlos von statten ging, seien die heutigen Zuwanderer unterqualifiziert und mit einem Durchschnittsalter von 31 Jahren zu alt, um einen Rentenanspruch in Höhe der Grundsicherung von circa 800 Euro zu erwirtschaften. Dazu müssten sie bis 81 Jahre arbeiten, wenn man eine - positiv geschätzt – nur sechsjährige Integrationszeit unterstellt. „Wir werden in Deutschland viel Arbeitsarmut erleben – vor allem Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien“. Die momentane Einwanderung ohne Regeln bringe dem Land nicht viel.

Nahles‘ Irrweg
Das zweite Problem für die Rentenkasse sei die Langlebigkeit. Während wir in der 1960er Jahren eine Rentenbezugsdauer von unter zehn Jahren hatten, sei diese stark angestiegen. Raffelhüschen lobte die Politik von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der mit seiner Rentenreform das System überlebensfähig machte. Umso erstaunlicher sei es, dass mit Ministerin Nahles aus der gleichen Partei mit der „Mütterrente“ und abschlagsfreier Rente mit 63 Jahren für langjährig Versicherte das Rad wieder zurückdrehte. Der Freiburger Professor legte dar, dass nur Facharbeiter mit hohem Einkommen in den Genuss der letztgenannten Wohltat kommen. Diese hätten dazu meist hohe Betriebsrenten. Es sei daher wenig gerecht, dass ärmere Beitragszahler dies mitfinanzieren müssten.

Kein Staatsfonds für Politiker
Der Hochschullehrer warnte eindringlich davor, dass ein Staatsfonds wie in Norwegen aufgelegt werden soll, der von Politikern kontrolliert und gesteuert werde. Das sei, als ob man einem Hund zwei Knochen gebe und erkläre, dass einer davon für den nächsten Tag sei. Bei zwei Billionen Staatsschulden in Deutschland sei nicht davon auszugehen, dass das Geld nicht zur Schuldentilgung oder für andere Ausgaben verwendet werde.

Autor(en): Bernhard Rudolf

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