Renaissance im Zweitjob

Das vergangene Jahr hat bei der alten Ordnung für den Vertrieb von Versicherungen kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Dennoch: Für an ein Versicherungsunternehmen gebundene Vermittler – dazu gehören insbesondere auch Nebenberufler – ändert sich im Grunde nur wenig: Sie brauchen keine Erlaubnis, wenn sie nur für einen Versicherer tätig sind und der zugleich die uneingeschränkte Haftung für die Arbeit der Vertreter übernimmt.

Allerdings müssen auch solche Agenten die so genannte Erstinformation bieten und sich damit beim Kunden "outen", ob sie als freier oder gebundener Vermittler auftreten. Vertreter müssen sich aber weder einer öffentlich-rechtlichen Sachkundeprüfung unterziehen noch sich selbst beim Vermittlerregister anmelden. Sie können eine so genannte Privilegierung in Anspruch nehmen. Das bedeutet, der Versicherer erledigt die Anmeldung seiner Vertreter im Register, wodurch er automatisch auch die uneingeschränkte Haftung für sie übernimmt. Das spart dem Einzelnen Aufwand, aber auch Geld – für die Beantragung der Gewerbeerlaubnis, die Eintragung ins Vermittlerregister, die Prämien für die eigene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und die Kosten für eine Ausbildung.

Viele Nebenberufler mischen mit

Gemeinhin werden die Nebenberufler unterschätzt. Dabei sind die "Freizeitvermittler" eine deutlich wahrnehmbare Masse: GDV-Schätzungen gehen von 320.000 nebenberuflichen Ausschließlichkeits-Vertretern aus. Das wären immerhin mehr als drei Viertel aller in Deutschland tätigen Versicherungsvermittler. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), der insbesondere den hauptberuflichen Ausschließlichkeitsvertretern als Lobby dient, sieht in den Nebenberuflern gar seinen ärgsten Feind. Vergeblich hatte der BVK sich dafür stark gemacht, dass nicht mehr jedermann und ohne Qualifikation Versicherungsverträge vermitteln darf, und eine Sachkundeprüfung gerade auch für Nebenberufler gefordert.

Nebenberufler, die geringere Provisionen erhalten und keinen Ausgleichsanspruch für die vermittelten Geschäftsbeziehungen haben, seien für die Versicherer wesentlich billiger. In der eingeräumten Chance der Versicherer, weiterhin die Qualifikation ihrer Vermittler selbst beurteilen zu können, sieht der BVK erheblichen Konkurrenz- und Kostendruck auf die hauptberuflichen Vertreter zukommen und spricht von Wettbewerbsverzerrung zwischen den Vertriebsarten.

Versicherer dürfen über das privilegierte Zulassungsverfahren ihre Nebenberufler ins Versicherungsvermittler-Register eintragen und auch selbst für die Ausbildung der Nebenberufler sorgen – etwa durch Schulung zu Versicherungsfachleuten beim Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV). Pro Teilnehmer fallen immerhin rund 1.650 Euro an. Wie zu hören ist, übernehmen die Versicherer überwiegend die Kosten. Die Investition dürfte sich schnell amortisieren, da das Netzwerk der Nebenberufler sich durch große Kundennähe und damit erheblichen Vertrauensvorschuss auszeichnet und zudem deutlich billiger kommt als der klassische Vertretervertrieb.

Großer "Graumarkt"
In der Praxis reicht die Spanne der nebenberuflichen Tätigkeit vom einfachen Tippgeber über den nebenberuflicher Verkäufer standardisierter Produkte bis hin zu sehr professionellen "produktakzessorischen" Vermittlern wie Autohäusern, Reisebüros oder Optikern, die zu ihren Hauptprodukten auch noch eine passende Versicherung als Nebenprodukt anbieten. Zu den Nebenberuflern zählen aber auch Anwalt- und Steuerberater-Kanzleien. Selbst die rund 2.000 Banken, mit denen die Branche kooperiert, werden vom GDV überwiegend als nebenberufliche Ausschließlichkeits- oder Mehrfachvertreter eingestuft. Von der Sache her sind auch in den meisten größeren Unternehmen sowie in Behörden Nebenberufler tätig: Sie wirken zumeist in den Personalabteilungen und vermitteln von dort aus vielfältige Versicherungen – von der Krankenversicherung für den Auslandseinsatz der Mitarbeiter über die Riester-Rente bis hin zur betrieblichen Altersversorgung. Zahlen über diesen relativ großen "Graumarkt" des Vermittlungsgeschäfts gibt es offiziell nicht. Dennoch dürfte das Potenzial beträchtlich sein.

Trotz rechtlich moderater Nische gilt die Zukunft der Nebenberufler als noch nicht sicher. Ein aktuell brisanter Grund: Am 1. Januar trat das neue VVG in Kraft; somit wird das so genannte Policenmodell beerdigt. Der Versicherer muss den potenziellen Kunden nun über die Vertragsbestimmungen und die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) informieren, bevor der Kunde den Vertrag eingeht. Damit muss der Vermittler mehrfach zum Kunden, ehe es zur Unterschrift kommt. Ob sich das für die Nebenberufler noch rechnet, muss bezweifelt werden. Allerdings gibt es auch einen großen Pluspunkt: Nach der neuen Informationspflichten-verordnung erfährt der Kunde schwarz auf weiß, dass Nebenberufler für den Abschluss sehr wenig Geld verlangen.

Weitere Details erfahren Sie in der Januar-Ausgabe von Versicherungsmagazin.

Bildquelle: Pixelio

Autor(en): Detlef Pohl

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