Solvency II: Akzeptiert, aber nicht geliebt

Eine konservative Bilanzpolitik und Fortschritte im Enterprise Risk Management (ERM) haben dazu geführt, dass die Versicherungswirtschaft nahezu unbeschadet durch die Krise gekommen ist. Das anhaltend niedrige Zinsniveau und die bevorstehende Einführung von Solvency II machen der Branche jedoch zu schaffen. So jedenfalls die Einschätzung von Standard & Poor’s (S&P) auf dem gestrigen Versicherungssymposium in Frankfurt.

Wie sich Solvency II und Basel III auf die Finanzwirtschaft, die Versicherungsunternehmen und deren Profitabilität auswirken und wie diese Marktteilnehmer mit den neuen Anforderungen umgehen sollten, stand im Mittelpunkt dieses S&P-Symposiums. Hiltrud Besgen, Direktorin beim Frankfurter Versicherungsteam von S&P, zeigt sich in Frankfurt überzeugt, dass ein starkes Risikomanagement eine gute Basis ist, um mit den anstehenden Forderungen durch Solvency II fertig zu werden.

Um aber die künftigen Herausforderungen noch besser meistern zu können, müsse die Transparenz der Risikoprofile noch gesteigert werden und die Risikokontrolle müssen alle Unternehmensbereiche wie Versicherungstechnik und die Kapitalanlagen abdecken und nicht – wie bei vielen Versicherern noch üblich - nur einen Faktor im Blick haben. Besgen monierte auch, dass die Unternehmen noch zu sehr auf die traditionellen Kennzahlen fixiert seien und trotz ihrem vorsichtigen Bilanzmanagement einen größeren Risikoappetit entwickeln sollten.

Solvency II muss kommen, aber bitte nicht so kompliziert
Ob „Solvency II und Basel III – Chance oder Bürde“ sind, diskutierten Finanzexperten in der gleichnamigen Podiumsdiskussion. Dr. Axel Wehling, u. a. Mitglied der Hauptgeschäftsführung und dem Bereich „Finanzen“ beim GDV, sah die Idee von Solvency II als richtig an, ein Weg zurück könne es hier nicht mehr geben. Folglich solle der geplante Start 2013 auch auf jeden Fall umgesetzt werden, nur der ein oder andere Aspekt – wie der Verlauf der Zinsstrukturkurve– müsste sicher nochmals diskutiert werden. Ein ganz großes Manko von Solvency II sieht Wehling aber in der Komplexität einzelner Modelle, die einen Grad erreicht hätten, die nicht mehr akzeptabel seien. Ebenso bei Basel III würden Aufseher, Investoren und Verbraucher mit zu vielen Informationen regelrecht zugeschüttet.

Abgesang auf die klassische Lebensversicherung ist zu früh
Wehlings klare Position: „Wir müssen den Grad dieser Informationen auf ein erträgliches Maß zurückstutzen.“ Und er ist auch davon überzeugt, dass es bei Solvency II „noch an vielen Stellen hapert“, aber dass trotzallem diese neuen Solvabilitätsvorschriften gegenüber Basel III das überlegene System sind. Und so ist er auch sicher, dass „der deutsche Markt sehr gut auf Solvency II vorbereitet ist und ein intelligenter Weg der Einführung auch möglich ist“. Die auf dem Podium angestoßene Frage, ob durch Solvency II das Überleben der klassischen Lebensversicherung gefährdet sei, wollte Wehling aber zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten. Der GDV-Mann wörtlich: „ Ein Abgesang auf die Lebensversicherung wäre jetzt zu früh, die hier relevanten Zahlen müssen noch genau interpretiert werden“.

Zu wenig Wettbewerb, zu wenig Transparenz, zu wenig Einsicht
Wie sich die deutsche Lebensversicherung – nicht nur unter Solvency-II-Gesichtspunkten - entwickeln wird, wurde in einer weiteren Runde debattiert, wobei das geänderte Nachfrageverhalten der Kunden, die Zukunft des Höchstrechnungszinses und die Schwerfälligkeit der Politik im Mittelpunkt standen. Dr. Michael Renz, Mitglied des Vorstands der Zurich-Gruppe las hingegen seiner eigenen Branche die Leviten und kritisierte, dass diese sich zu wenig dem Wettbewerb aussetze, das Wort Transparenz für sie anscheinend immer noch ein Fremdwort sei und die Produktion des Versicherungsschutzes gegenüber anderen europäischen Ländern viel zu teuer sei. Renz vehement: “Wir wollen doch alle weg von diesem Intransparenz-Image. Und wenn wir dies schaffen, haben alle etwas davon – Kunden und Versicherer!“

Bild: © Christoph Ruhland,

Autor(en): Meris Neininger

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