Solvency II-Update weist in die richtige Richtung

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Kürzlich hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für die Überarbeitung des seit 2016 gültigen Aufsichtsregimes Solvency II vorgelegt. Als gut, aber noch nicht sehr gut, erachtet die DAV den Vorschlag.

„Dieser enthält bereits deutliche Verbesserungen zum ursprünglichen Konzept der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Nichtsdestotrotz gibt es aus aktuarieller Perspektive weiterhin Nachbesserungsbedarf.“ Das hat Maximilian Happacher, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), anlässlich der Herbsttagung der Vereinigung in Stuttgart betont. Erfreulich sei der Kommissionsansatz zum so genannten Zinsrisiko, das fortan sachgerechter bewertet werden soll. Bislang sah die Solvency-II-Standardformel vor, dass negative Zinsen nicht noch weiter fallen können. Diese Annahme des Modells wurde in den vergangenen Jahren von der Realität überholt und soll nun korrigiert werden.

Zinsrisiko orientiert sich künftig an tatsächlichen Kapitalmarktentwicklungen

„Dies ist vor dem Hintergrund der anhaltenden Tiefzinssituation folgerichtig“, kommentiert Happacher die Entscheidung. Ebenso positiv sei aus Sicht der Aktuarinnen und Aktuare, dass sich die Messung des Zinsrisikos künftig an den tatsächlich beobachtbaren Kapitalmarktentwicklungen in tiefen, liquiden und transparenten Märkten orientieren soll. Das Risiko aus dem nur über ein Modell ermittelten so genannten extrapolierten Teil orientiert sich an einer volkswirtschaftlich begründeten langfristigen Zinserwartung – der Ultimate Forward Rate (UFR). Speziell aus deutscher Sicht begrüßt die DAV den Erhalt der Übergangsmaßnahmen bis 2032. „Ohne diese wären die Versicherungen gezwungen, ihre Anlagestrategie zum Nachteil von Versicherungsnehmenden und Unternehmen kurzfristig umzustellen“, ist. Happacher überzeugt.

Randbemerkung:
Die Ultimate Forward Rate (UFR) ist eine zentrale Steuerungsgröße für langfristige Prognosen der Versicherungsunternehmen und in ihrer Bedeutung vergleichbar mit Normal-Null in der Geografie. Da es sich bei ihr um einen anhand volkswirtschaftlicher Daten ermittelten langfristigen Durchschnittszinswert handelt, kann die UFR von aktuellen Marktentwicklungen abweichen.

Wozu wird eine UFR eingesetzt?
Für die Bewertung langlaufender Verpflichtungen werden Zinsen für Staatsanleihen benötigt, die so lange Laufzeiten haben, dass es diese Anleihen auf dem echten Kapitalmarkt gar nicht zu kaufen gibt. Experten sprechen in diesem Fall von illiquiden Märkten, da einer Nachfrage kein Angebot gegenübersteht. Für Euro-Anleihen liegt dieser Wert bei einer Laufzeit von 20 Jahren. Viele Versicherungsverträge laufen aber länger, weshalb die sogenannte Zinsstrukturkurve sinnvoll fortgesetzt werden muss. Die UFR gibt an, zu welchem Wert sich die Zinsen weiter hinentwickeln können.

 

Risikoeinschätzung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen

Ein dritter wichtiger Aspekt aus seiner Sicht: „Der Klimawandel wird unser Geschäftsmodell sehr stark beeinflussen. Von daher müssen die damit verbundenen Herausforderungen in der Risikobewertung der Naturgefahren frühzeitig betrachtet werden.“ Dies unterstützt der Review-Vorschlag durch entsprechende Ergänzungen in der Solvency-II-Direktive. „Damit können die notwendigen Anpassungen kontinuierlich geschehen und der Wandel in der Risikoeinschätzung basierend auf aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen berücksichtigt werden“, betont Happacher. Stabilisierendes Element wird deutlich entwertet

EU-Kommission schlägt einen tiefgreifenden Methodenwechsel vor

Neben den positiven Aspekten des aktuellen Vorschlags hat das EU-Konzept aus Sicht der DAV aber immer noch Schwachstellen. Vor allem die Extrapolationsmethode für die Zinsstrukturkurve sei hier zu nennen. Die EU-Kommission schlage nun einen tiefgreifenden Methodenwechsel zur Prognose der langfristigen Zinsentwicklungen im Zeithorizont jenseits von 20 Jahren ab heute vor.

„Die neue Berechnungsmethode hätte große Nachteile für die Kundinnen und Kunden sowie die Unternehmen, da es dadurch zu unnötigen Instabilitäten kommen könnte und die Gefahr besteht, dass die Versicherer kurzfristig ihre Kapitalanlagen umbauen müssten. Beides zum Schaden aller Stakeholder“, glaubt Happacher. Besonders kritisch sei, dass mit der neuen Methode nicht mehr an dem Prinzip der schnellen Annäherung an die UFR festgehalten werde und dieses stabilisierende Element damit deutlich entwertet werde. 

Quelle: DAV

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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