Die Versicherungsaufsicht sieht die deutschen Versicherer grundsätzlich als gut aufgestellt. Aber es gibt zwei Schwerpunkte, bei denen sie genauer hinschauen will.
Bei der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) betonten sowohl die deutschen Aufseher als auch die Chefin der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA, dass die Herausforderungen für die Versicherungsbranche vor allem aus dem geopolitischen Umfeld kämen.
Demokratiegefährdender Zustand
Während die Kapitalausstattung dank wieder auskömmlicherer Zinserträge zufriedenstellend ist, sorgt sich die Aufsicht unter anderem um die IT-Sicherheit. Dazu hatte sie den stellvertretenden Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Gerhard Schabhüser, eingeladen. Nach seiner Darstellung sind Finanz- und Versicherungsunternehmen grundsätzlich besser aufgestellt als andere Branchen. „Zwischen besser und gut ist ein großer Unterschied“, wiegelte er aber gleich wieder ab. Im Gegenteil, das Ausmaß der Cyberattacken sei inzwischen besorgniserregend und gefährde das Sicherheitsgefühl der Öffentlichkeit – und damit auch das Vertrauen in die Demokratie.
Er appellierte an die Branche, nicht auf die angelaufenen Regulierungen und auf die notwendigen Abstimmungen zwischen den verschiedenen, für die IT-Sicherheit der Versicherer zuständigen Behörden zu warten. Vielmehr sollten die Unternehmen sofort handeln und in ihre Sicherheit investieren.
Lebensversicherer werden verschärft überprüft
Der andere große Schwerpunkt der Tagung war der Verbraucherschutz. Und dabei wiederum steht die Lebensversicherung im Zentrum. Die sei ein „zentraler Baustein in der Altersvorsorge für Millionen Menschen“, betonte Julia Wiens, Chefin der Versicherungsaufsicht bei der BaFin.
Ein Prüfungsschwerpunkt der BaFin seien Lebensversicherer mit auffällig hohen Stornoquoten. Dabei knüpft die Aufsicht an den Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren an, um einzelne Versicherer zur Rechenschaft zu ziehen. Darüber hinaus prüft die BaFin nach ihren Worten eine Ausdehnung der Wohlverhaltensaufsicht auf die Schaden- und die Krankenversicherung.
Auch die EIOPA sieht den Verbraucherschutz als eine der verschiedenen Prioritäten ihres Handelns, so Petra Hielkema (siehe Foto). In diesem Zusammenhang sprach sie von „verpassten Gelegenheiten“, denn es gebe im Europäischen Binnenmarkt keine einheitlichen Verbraucherschutzstandards. Die Kunden würden „auf 27 verschiedene Arten geschützt“.
Das Thema Verbraucherschutz sei auch deshalb wichtig, weil das Vertrauen in Versicherungen gerade in Deutschland auffallend gering ausgeprägt sei. Insbesondere bei Versicherungsanlageprodukten gebe es „Raum für Verbesserungen“.
Zu viel und zu schlecht abgestimmte Regulatorik
Auch aus Sicht des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist eine Verschiebung der Schwerpunkte der Aufsichtstätigkeit in Richtung Cyberschutz und Verbraucherschutz festzustellen, so dessen Vertreter Jörg Asmussen. Seine Hauptkritik richtete sich allerdings gegen die europäische Regulatorik, die viel zu sehr in sogenannten Level 2- und Level 3-Rechtsakten detailreich und keineswegs widerspruchsfrei Vorgaben für die Versicherungspraxis machen. Zwar gebe es das Ziel der neuen EU-Kommission, ein Viertel der Bürokratie zu beseitigen, aber ein Glaube an die Umsetzung fehlt erkennbar in der Branche. „Wir brauchen keinen Binnenmarkt für Reporting“, fasst Asmussen die Kritik zusammen.
Dagegen lobt er jedoch die BaFin für ihr Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten von 2023, das gehe „in die richtige Richtung“. Zudem sei der Lebensversicherungsmarkt kein europäischer, sondern von nationalen Besonderheiten geprägt.
Vermittler haben „momentan“ nicht damit zu rechnen, dass sich die BaFin auch um ihre Beaufsichtigung kümmern will. Dafür habe die Behörde nach Wiens Aussagen gar keine Zeit.
Harte Diskussion zum Kundennutzen und Sanktionen
Besonders interessant war, aus Sicht der Generali Lebensversicherung zu hören, wie sie ihre unfreiwillige Pionierrolle bei der neuen Gangart der BaFin in Sachen Verbraucherschutz bei Lebensversicherungen empfunden hat. Dazu diskutierten Generali-Vorstand Uli Rothaufe, BaFin-Vertreter Axel Oster und Stephen Rehmke vom Bund der Versicherten, moderiert von BaFin-Vertreter Dieter Feldmann. Die Generali hatte selbst öffentlich gemacht, dass sie nach einer Überprüfung wegen hoher Kosten Veränderungen vorgenommen und Kunden weniger Kosten als bisher berechnet hatten.
Rothaufe lobte, dass in einem allerdings wohl sehr harten Dialog mit der Aufsicht ein beidseitiges Verständnis für die Probleme und das Geschäftsmodell, vor allem aber für die Versicherer mehr Rechtssicherheit entstanden sei. Rehmke kritisierte, dass es keine Transparenz seitens der BaFin gibt, welche Versicherer überprüft wurden und mit welchen Ergebnissen. Für die BaFin gab Oster allerdings an, dass dies rechtlich nicht möglich sei. So erfährt die Öffentlichkeit derzeit nur, dass bisher 13 Lebensversicherer verschärft überprüft wurden und Anfang 2025 vier weitere hinzugenommen werden.
Zudem habe man „krasse Fälle gesehen“ an Produkten, die keinen Kundennutzen bieten würden. In diesen Fällen habe die BaFin die Möglichkeit zu Sanktionen und nutze diese auch. Dass es ihr lieber gewesen wäre, vom Gesetzgeber durch einen Provisionsdeckel Schützenhilfe zu bekommen, machte Oster deutlich.
Welche weiteren Prüfungsschwerpunkte außerhalb der Lebensversicherung kommen werden, hier blieb die BaFin sehr vage. Es wurde nur darauf verwiesen, dass man in enger Abstimmung mit der EIOPA handeln werde.
Autor(en): Matthias Beenken