Studie Lebens- und Rentenversicherung: Gigantische Verluste für Aussteiger

Von 2001 bis 2010 haben Kunden, die ihre Lebensversicherung aufgegeben haben "gigantische Verluste" gemacht. Bei einer angenommenen Stornoquote von sechs Prozent sollen sich diese Verluste auf 160 Milliarden belaufen, bei einer Stornoquote von vier Prozent auf rund 100 Milliarden. Das ist das Ergebnis einer Studie des Lehrstuhls für Finanzierung an der Universität Bamberg.

In seiner Untersuchung hat Professor Andreas Oehler insgesamt 1.115 gekündigte Verträge ausgewertet, die von der Verbraucherzentrale Hamburg zur Verfügung gestellt wurden. Die Stichprobe setzt sich aus 492 Lebens- und 254 Rentenversicherungen sowie 213 fondsgebunden Lebensversicherungen und 156 fondsgebundenen Rentenversicherungen zusammen. Analysiert wurde die Differenz der Beiträge der Versicherten abzüglich der Rückzahlung. Danach ergab sich ein Verlust von durchschnittlich 4.000 Euro.

Betrachtete Stornoquote methodisch falsch
Hätten die Kunden ihr Geld in Bundesobligationen angelegt, wären hingegen Gewinne erwirtschaftet worden. Die Hochrechnung basiert darauf, dass 75 Prozent aller 30-jährigen Verträge und 55 Prozent aller 20-jährigen Verträge von den Kunden nicht durchgehalten würden. Nach Meinung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist die betrachtete Stornoquote methodisch falsch. „Richtig wäre die Stückzahlstornoquote, die stetig auf mittlerweile rund 3,5 Prozent gefallen ist und nie deutlich über vier Prozent lag“, so GDV-Sprecher Hasso Suliak. Unterm Strich würden damit immer noch viele Verträge nicht durchgehalten. Der Bund der Versicherten (BdV) spricht von jedem zweiten Vertrag. „Das ist von der Versicherungswirtschaft niemals widerlegt worden“, so BdV-Vorstandsvorsitzender Alex Kleinlein.

Stichprobe nach GDV-Position unrealistisch
Trotzdem hält der GDV die Oehler-Studie insgesamt für unhaltbar, weil sie nicht repräsentativ sei. Suliak: "Ihr liegt eine Negativauslese zu Grunde. Die angebliche Schadenssumme pro Vertrag in Höhe von 4.000 Euro ist gemessen an durchschnittlichen Vertragsgrößen vielfach überzogen und unrealistisch." Zudem werde unterstellt, dass Verluste bei jeder Kündigung aufträten. Dies sei jedoch nur bei frühen Vertragskündigungen der Fall. Bei späteren Vertragskündigungen fallen keine Verluste, sondern Gewinne an.

Vermischung unterschiedlicher Ansätze
Außerdem kritisiert der GDV, dass die Beispiele fast ausschließlich der alten Rechtslage aus der Zeit vor 2008 entstammten, in der es keine gesetzlichen Mindestrückkaufswerte gegeben hätte. Gleichzeitig würden die Verluste durch Abschlusskosten bei klassischen Produkten mit den Verlusten bei fondsgebunden Policen vermischt. "Wenn ein Kunde durch Kündigung im ungünstigen Zeitpunkt Verluste realisiert, so hat das nichts mit der Kostenstruktur der Versicherer zu tun", kritisierte Suliak. Auch beim Verkauf von Bundesanleihen zum falschen Zeitpunkt könnten Verluste entstehen.

Ausstieg wegen wirtschaftlichen Engpässen
Nach Einschätzung von Professor Oehler sind Lebensversicherungen grundsätzlich - weil unflexibel - nicht für die Altersvorsorge empfehlenswert und Rentenpolicen wegen ihrer Steuervorteile nur für Bezieher hoher Einkommen. Begründet wird diese Ablehnung, weil die meisten Kunden beim Abschluss einer Versicherung nicht sicher sein würden, ob sie sie durchhalten können.


Kunde muss alle Schwachpunkte sofort erkennen
Leider hat es die Studie aber versäumt, die Abbruchsgründe offen zu legen. Nach den Erkenntnissen der Verbraucherzentrale Hamburg sind Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit, Existenzgründung, Immobilienerwerb sowie die Erkenntnis, dass ein schlechter Vertrag unterschrieben wurde, die Hauptgründe für eine Policen-Kündigung.Grund seien in allen Fällen eine schlechte Beratung. Daher fordert Professor Oehler, dass der Kunde bei jedem Anlageprodukte „auf einen Blick“ die Kosten, Rendite und Risiko erkennen muss.

Bild: © Ralf van Melis /

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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