Telematik: Rückversicherer warnt vor hohen Nachlässen

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Hohe Telematik-Rabatte rechnen sich nicht. Das geht aus einer Analyse hervor, die die Gen Re auf dem Kongress BussinessForum21 „Mobilität & Kfz-Versicherung im Fokus“ vorgelegt hat.

Schon wenn der Kunde lediglich 20 Prozent Nachlass auf den Tarif erhält, müssen die Schadenaufwendungen je nach Aufwand für die Telematik-Technik um 42 bis 25 Prozent zurückgehen. „Telematik für alle dürfte speziell in schadenarmen ‚guten‘ Kundensegmenten zum Problemfall werden“, sagte Marco Morawetz bei der Vorstellung der Untersuchung, die auf Durchschnittsbeiträgen im Kfz-Versicherungsmarkt basiert.

Tatsächlich geben die Versicherer aber noch deutlich höhere Rabatte. So können Kunden bei der Huk-Coburg 30 Prozent Bonus erfahren und die Bayerische hat nun sogar mit dem Tarif Kasko2go einen Nachlass von 50 Prozent für ein neues Telematik-Angebot angekündigt.

Nicht alle favorisieren Telematik-Tarife

Der Markt der Autoversicherung ist mittlerweile tief gespalten. Viele Testfelder und Telematik-Tarife wurden längst eingestellt. So hat die R+V einen Test schon 2014 beendet und die S-Direkt ihren Tarifverkauf Ende 2015 eingestellt. Die Itzehoer ist Mitte 2018 aus dem Projekt Telematik ausgestiegen und die Bavaria Direkt hat ihr Angebot im Oktober 2018 gestoppt. Noch Mitte und Ende 2019 haben Axa und HDI ihre Telematik-Apps vom Markt genommen. "Kleine Lösungen" mit einem reinen Kilometer-Tarif bietet derzeit die BGV mit "Ryd" und die Gothaer mit "Emil" an. Für junge Fahrer sind noch die Signal-Iduna mit Sijox, die Württembergische und die Ergo unterwegs.

Getrieben wird der Markt aber von den großen Anbietern. Neben der Dialog aus der Generali-Gruppe und der VHV bieten vor allem die beiden größten Autoversicherer Allianz und Huk-Coburg Telematik-Tarife für alle Altersgruppen an. Die Rückversicherer Gen Re aus Köln und die E+S Rückversicherung aus Hannover schätzen unabhängig voneinander, dass derzeit rund 400.000 Kunden ihren Fahrstil von einer Assekuranz überwachen lassen, um günstiger versichert zu werden.

Die Huk-Coburg hat Anfang 2019 die Box, die im Motorraum installiert wurde, durch einen sehr kleinen Sensor ersetzt, der an die Windschutzscheibe geklebt wird. Das habe zu einer deutlichen Kostenreduktion geführt, sagte Jörg Rheinländer, Vorstand bei der Huk-Coburg. Der fränkische Versicherer hat derzeit bereits 225.000 Telematik-Verträge abgeschlossen.

Telematik für Kampf gegen Hersteller

„Telematik ist eine wichtige Investition in die Zukunft“, verteidigte Rheinländer das Engagement seines Unternehmens in Sachen Telematik. Die digitale Technik sei vor allem strategisch für den Kampf gegen die Autoindustrie notwendig. Denn seitdem jeder Neuwagen mit einem E-Call-Notfallsystem ausgerüstet werden muss, hat jedes dieser Fahrzeuge eine Sim-Karte an Board. „Somit können die Kfz-Hersteller bald aus jedem Fahrzeug senden. Die notwendigen Daten sind bereits im Fahrzeug gespeichert“, so Rheinländer.

Nach Meinung der Kfz-Versicherer darf nur der Autobesitzer über die Verwendung dieser Daten entscheiden. Trotzdem treibt die Assekuranzen die Angst, die Autohersteller könnten eine eigene Autoversicherung auf den Markt bringen und ihre Tarife besonders risikorecht kalkulieren.

20 Prozent weniger Schäden

Nach einer Sonderauswertung der Huk-Coburg sinkt die Schadenhäufigkeit bei Autofahrern, die einen Telematiktarif nutzen um rund 20 Prozent. Nach der jetzt vorgelegten Analyse der Gen Re, reicht das somit nicht um einen hohen Rabatt von 30 Prozent zu rechtfertigen. Rheinländer machte jedoch deutlich, dass über Telematik erstmals ein umfassender Kundenkontakt entsteht. So würde etwa über die App-Stores von Apple und Google eine intensive öffentliche Diskussion über die Vor- und Nachteile des Telematik-Angebots der Huk-Coburg geführt. „Unser Tarif ist fair und transparent“, sagte Rheinländer.

Es sei durchaus möglich, den höchsten Score zu erreichen. Das gelte auch für Kunden, die in der Nacht unterwegs sein müssen. „Die Nachtschwester wird nicht bestraft, nur weil sie im Dunklen unterwegs ist“, betonte Rheinländer.

Probleme bereitet hingegen immer wieder die Technik. Die Kunden hätten eine Mitwirkungspflicht und müssten stets die neusten Updates auf ihre Smartphones laden. Unzufrieden ist der HUK-Coburg Manager auch mit der Aktivierungsquote des Telematiktarifs. So würden viele Kunden beim Abschluss den modernen Tarif wählen, doch nur etwas mehr als die Hälfte würden ihn auch sofort aktivieren. „Hier wollen wir künftig eine Quote von 80 bis 90 Prozent erreichen“, sagte der Huk-Coburg-Vorstand. Das Problem sei, dass der Wunsch nach einem Telematik-Tarif oft „die erste Diskussion in der Familie nicht übersteht“. Daher will der Versicherer künftig erst warten, bis der Kunde die App aktiviert hat und dann den Sensor verschicken.

Großer Erfolg kommt Restkunden teuer

In einem Streitgespräch mit Professor Fred Wagner von der Universität Leipzig musste Rheinländer eingestehen, dass bei einem großen Erfolg der Telematik die Beiträge für die restlichen Kunden, die ein solches Angebot ablehnen, auf die Dauer immer teurer würden. Damit bestätigt der Versicherer, dass es eine Sogwirkung in Telematiktarife geben könnte. Wagner sieht aber keine Diskriminierung für Autofahrer, die künftig außerhalb des Angebots eine extrem hohe Prämie zahlen müssten. Sie könnten ja jederzeit in den Telematik-Tarif eintreten und dann dort durch gute Fahrleistungen ihre Versicherungskosten senken.

Für ältere Autofahrer sieht Wagner eine große Chance bei der Fahrstilkontrolle. „Gute Fahrer können dann so alt sein wie sie wollen, dass dürfte den Versicherer nicht mehr interessieren“, so Wagner.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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