Unternehmer sehen sich mit drei Megatrends konfrontiert

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Nur wenige Tage vor den verheerenden Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sprach versicherungsmagazin.de mit Achim Hillgraf, Hauptbevollmächtigter für FM Global in Deutschland (siehe Foto), über die aktuellen Risiken für deutsche Unternehmen. Ein wichtiges Thema bei diesem Interview ist auch der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf unser Wetter.

? Herr Hillgraf, welche Risiken sind für deutsche Unternehmen aktuell besonders relevant?
Das ist schwer zu verallgemeinern, da Risiken immer von der Branche, dem Geschäftsmodell und weiteren individuellen Faktoren abhängen. Ein Maschinenbaubetrieb hat zum Beispiel eine ganz andere Risikokonstellation als eine Chemiefabrik. Dem tragen wir durch verschiedene, globale Standards Rechnung. Daneben ist die individuelle Risikobewertung durch unsere Ingenieure Kern unseres Geschäftsmodells. Durch diese Beurteilung können wir ganz individuell das Risikoprofil für jeden unserer Kunden definieren. Ganz allgemein sehen wir aber, dass durch die Corona-Krise und den Boom des Online-Handels immer mehr Waren verschickt und gelagert werden. Werden Lagerflächen übernutzt oder ungeeignete Gebäude zu Lagern umfunktioniert, um der enormen Nachfrage gerecht zu werden, steigt auch das Brandrisiko – denn Verpackungsmaterial bietet einen idealen Nährboden für Feuer.

?Wie werden sich die Risiken für Unternehmen hierzulande künftig entwickeln?
Wir sehen drei Megatrends, die für die Risikoentwicklung relevant sind: Klimawandel, Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit. Unser Wetter wird immer extremer – so kann einerseits Wassermangel für neue Risiken wie Waldbrände und Dürre sorgen. Ausgedörrter Boden kann weniger Wasser aufnehmen, was wiederum Überschwemmungen begünstigt, die das andere Wetterextrem bilden. Davor müssen sich Unternehmen schützen, wenn sich ihre Standorte in gefährdeten Regionen befinden.

Durch den Trend zu einer immer weitergehenden Automatisierung und Smart Factories kommt es zu einer Verschmelzung der Bereiche OT (Operational Technology) und IT. Hacker können heute empfindlich in den Produktionsablauf eingreifen und eine vernetzte Produktionsanlage aus der Ferne manipulieren. Auf diese neue Dimension von Cyber-Risiken müssen sich Unternehmen einstellen.

Der dritte Trend ist Nachhaltigkeit: Hier sind die neuen Risiken vielleicht weniger offensichtlich, aber zahlreich. Batterien in Elektrofahrzeugen sorgen etwa für veränderte Brandrisiken. Solaranlagen können durch Stürme beschädigt werden. Damit wären wir auch wieder beim Klimawandel und den zunehmenden Extremwetterereignissen. Wir sehen also, dass wir es insgesamt mit einer sehr komplexen Gemengelage zu tun haben, durch die etliche neue Risiken auf Unternehmen zukommen.

?Welche Policen werden angesichts der künftigen Risikoentwicklung vermehrt notwendig?
Anbieter müssen sich sehr genau überlegen, welche Risiken sie zeichnen können, um einerseits wirtschaftlich zu arbeiten sowie andererseits die angefragten Deckungen langfristig und nachhaltig offerieren zu können. Gleichzeitig möchten Kunden sich ihren Schutz nicht aus mehreren Verträgen zusammenstückeln, sondern eine möglichst umfassende Police erhalten. Um das anbieten zu können, braucht es allerdings viele Informationen.

Einer der wichtigsten Faktoren beim Aufsetzen eines Versicherungsprogramms sind möglichst genaue Versicherungswerte. Diese ermöglichen es dem Versicherer, Sachrisiken richtig zu quantifizieren und nachhaltig zu versichern. Ungenaue Werte können zu fehlerhaften Exponierungs-Analysen führen, was sich negativ auf Entscheidungen zum Risikotransfer auswirkt. Werte sollten als eine Möglichkeit betrachtet werden, Risiken zu verstehen, um dann zu entscheiden, welche Bedeutung dieses Risiko für ihr Unternehmen hat. Dies kann ein zeitaufwendiger Prozess sein, aber die Übung ist wichtig, um sicherzustellen, dass das Unternehmen über risikogerechten Versicherungsschutz verfügt.

?Worauf müssen Vermittler bei der Beratung ihrer Gewerbe- und Firmenkunden in Deutschland verstärkt achten?
Makler und Versicherer müssen einerseits die Probleme ihrer Kunden und andererseits die aktuelle Situation auf dem Versicherungsmarkt sehr genau kennen. Derzeit sind wir mit harten Marktbedingungen konfrontiert, was unweigerlich Auswirkungen auf die Höhe der Prämien hat. Für die Kunden ändert sich die Risikolandschaft ständig und die Covid-19-Pandemie hat zusätzliche Herausforderungen mit sich gebracht: Druck auf die Lieferketten, Verschiebungen in ihren Arbeitsweisen und umfassendere Fragen zu ihrer allgemeinen Resilienz.

Um dennoch die besten Lösungen für den Kunden zu finden, ist es wichtig, dass alle Parteien offene miteinander kommunizieren, denn je größer das Verständnis füreinander im Dreiecksverhältnis zwischen Kunde, Makler und Versicherer ist, desto transparenter sind die Ergebnisse für die Kunden.

Hintergrundinformationen zum Autor

Achim Hillgraf ist seit 2002 als Hauptbevollmächtigter für FM Global in Deutschland verantwort­lich. Dabei ist er insbesondere für die strategische Geschäftsentwicklung zuständig. Zuvor hatte Hillgraf, der seit 1996 bei FM Global tätig ist, eine Reihe von Führungspositionen im Unternehmen inne – als Client Service Manager, Account Manager und Client Service Executive.

Im Anschluss an seine Ausbildung zum Versicherungskaufmann hat Achim Hillgraf Betriebswirtschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert. Darüber hinaus verfügt der Diplom- Kaufmann über einen MBA der University of Hartford, Connecticut, USA.

 

 

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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