Versicherer erhöhen regional politischen Druck

Die Versicherer haben im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) den politischen Reformdruck durch die Vorstellung einer volkswirtschaftlichen Studie erhöht. Die Untersuchung von Prognos zeigt, dass die Versicherungsbranche in NRW als Schlüsselindustrie einzustufen ist.

„Das gilt, weil sie andere Branchen stützt“, sagte Iris Pfeiffer von Prognos AG bei der Vorstellung der Daten in Düsseldorf. Danach ist NRW der größte Versicherungsstandort in Deutschland. Assekuranzen beschäftigen hier direkt 77.300 Menschen. Weiter 48.700 arbeiten als selbstständige Vermittler oder Versicherungsmakler. Indirekt würde zudem jeder Beschäftigte in einem Versicherungsunternehmen 0,6 weitere Erwerbstätige stützen. Insgesamt gibt es in NRW 168 Versicherer, die mit 63,5 Milliarden Euro 25 Prozent aller Einnahmen aller Versicherer erzielen. Die volkswirtschaftliche Wertschöpfung der Versicherer in NRW beträgt 12,3 Milliarden Euro. Bereits 50 Prozent aller Investitionen der Versicherer fließen in öffentliche Haushalte.

Forderungen an Politik erhöhen
Dieser Anteil könnte sich erhöhen, wenn die Politik die Rahmenbedingungen für Versicherer lockert. „Wir sind in zum Thema erneuerbarer Energien, Ausbau der Leitungsnetze und Mittelstandfinanzierung in engen Gesprächen mit der Landesregierung“, sagte Paul-Otto Faßbender, Vorstandsvorsitzender der ARAG Versicherung.
Ziel sei es politische Reformen anzustoßen. So gelten Investitionen in Energie derzeit nach Vorschriften der Aufsichtsbehörden noch als Hochrisikoanlagen und müssen mit 49 Prozent Risikokapital unterlegt
werden. Dass soll sich künftig ändern. Die Gespräche mit der Landesregierung in NRW würden in enger Kooperation mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geführt, der seinen Einfluss
auf die europäische Gesetzgebung geltend mache.

Neue Auszubildende, aber auch Personalabbau in Verwaltung
Getragen wird die umfangreiche Prognosstudie von den sieben großen Versicherern in NRW, ARAG, Axa, Ergo, Generali, Gothaer sowie den öffentlichen Versicherern Provinzial NordWest und Rheinland. Derzeit bilden die Versicherer in NRW rund 3.700 junge Menschen aus. „Wir wollen alle Auszubildende in unseren Unternehmen halten“, betonte Christian Diedrich, Vorstandsvorsitzender der Ergo. Aber ebenso bestätigten alle sieben Versicherer, dass aus Kostengründen in der Verwaltung mit einem weiteren Personalabbau zu rechnen sei. Gleichzeitig suchen die Versicherer hochqualifizierte Talente, vor allem Mathematiker, IT-Fachleute und Underwriter. „Zudem folgt nach einer Abbauphase immer auch wieder eine Aufbauphase“, so Diedrich.

Minister verspricht bessere Kapitalanlagemöglichkeiten
Erste Erfolge können die Versicherer schon verbuchen. So hat der NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) laut Rheinischer Post bereits angekündigt, dass die Landesregierung den Versicherern neue Möglichkeit erschließen möchte, ihre Kapitalanlagen besser anzulegen. Unter anderem soll ein von den Versicherern gespeister Fonds etabliert werden, der Mittelständler mit Krediten versorgt. Gleichzeitig soll es 2013 eine landesweite Kampagne für mehr Schutz gegen Überschwemmungen geben. Laut Provinzial Rheinland haben nur 25 Prozent aller Hausbesitzer in NRW einen erweiterten Elementarschutz abgeschlossen.

Bürgerversicherung wäre fatal
Deutlich machten die Versicherer, dass Arbeitsplätze von politischen Weichenstellungen in 2013 abhängen. „Bei Einführung der von der SPD geforderten Bürgerversicherung muss in NRW mit einem einschneidender Personalabbau gerechnet werden“, sagte Michael Kurtenbach Vorstandsvorsitzender der Gothaer Krankenversicherung. Das Modell würde für die Kunden nicht günstiger kommen, wie Erfahrungen aus den
Niederlanden zeigten. Nach Meinung von Kurtenbach wäre die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) dann ohne jede Konkurrenz.
„Dann dürfte es ein Leichtes für die GKV und Gesetzgeber sein, den Leistungskatalog ständig nach unten zu schrauben.“

In der Lebensversicherung, die auch in der NRW die größte Versicherungssparte ist, würde Wachstum auch von der öffentlichen Stimmung abhängen. „Hier schießt die kritische Berichterstattung in den Medien oft über ihr Ziel hinaus“, kritisierte Torsten Utecht, Vorstand bei der Generali. Die Renditen seien gut, vor allem wenn man sie mit anderen Vorsorgeprodukten vergleiche. Das setze aber ein Durchhalten der Verträge voraus. Hier habe die Branche in der Vergangenheit Fehler gemacht. So seien die Produkte nicht transparent genug und die Beratung nicht optimal gewesen. Daher hätten viele Kunden ihre Verträge vorzeitig gekündigt.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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