Versicherer muss Vertriebssoftware für Agenten stellen und bezahlen

Versicherer dürfen ihren Handelsvertretern keine EDV-Sachkostenpauschale berechnen, sondern müssen die Vertriebssoftware unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dasselbe gilt auch für Strukturvertriebe, die Handelsvertreter beschäftigen.

Kostenbeteiligung kann nicht beliebig ausgedehnt werden
Das Unternehmen Bonnfinanz wollte seinen Vermittlern einen großen Teil der Kosten für Arbeitsmittel in Rechnung stellen. Das ist jedoch nur in sehr engen Grenzen erlaubt, entschied das Oberlandesgericht Köln (OLG) mit Urteil vom 30. November 2007 (Az.: 19 U 84/07 – rechtskräftig). Die Richter setzten damit ein Stoppzeichen für eine weit verbreitete Unsitte der Versicherer und großen Vertriebe, die mit Ausschließlichkeitsvertretern arbeiten. Die Kostenbeteiligung der Handelsvertreter lässt sich nicht beliebig ausdehnen.

Forderung von einbehaltenen Beträgen
Zum Streit war es gekommen, als der Handelsvertretervertrag zwischen dem Strukturvertrieb und dem Vertreter gekündigt wurde. Der Ex-Vertreter forderte alle einbehaltenen Beträge für Arbeitsmittel zurück und berief sich dabei auf die Bestimmungen des Paragrafen 86a HBG. Darin heißt es: „Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen.“ Bonnfinanz weigerte sich und wurde verklagt. Vor Gericht errang der ehemalige Vermittler einen Teilerfolg.

Unterlagen müssen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden
Danach darf der Strukturvertrieb seinen Handelsvertretern keine EDV-Sachkostenpauschale berechnen, sondern hat die Software unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Auch die Kosten für eine Kundenzeitschrift darf er nicht auf die Handelsvertreter abwälzen. Eine Kundenzeitschrift fällt unter den Regelungsbereich HGB (§ 86a Abs. 1). Danach hat der Vertrieb dem Handelsvertreter die für seinen Job erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen, und zwar unentgeltlich. Bei der Kundenzeitschrift handelt es sich um eine Werbedrucksache im Sinne der Vorschrift, stellte das OLG klar.

Dem Handelsvertreter waren von der Bonnfinanz unter anderem Kosten für eine Kundenzeitschrift, für Werbeflyer, für einen geleasten Laptop sowie eine EDV-Sachkostenpauschale von rund 440 Euro und Semimarkosten in Rechnung gestellt und mit Provisionszahlungen verrechnet worden. „Damit kam die Vertriebsgesellschaft nicht durch“, sagt Jürgen Evers von der (Bremen), die den Vermittler vor dem OLG Köln vertreten hatte. Es sei unwirksam, in die EDV-Sachkostenpauschale auch Kosten für Vertriebssoftware einzurechnen, da sie speziell für die Ausübung der Agenten-Tätigkeit für diesen Vertrieb erforderlich ist (nach § 86a Abs. 1 HGB). Die Software fällt damit auch unter den Begriff „Unterlagen", die Bonnfinanz zur Verfügung stellen muss. Unterm Strich bekam der Ex-Agent knapp 3.300 Euro zurückerstattet.

Nicht alle Kosten erstattungsfähig
Auf einem Teil der Kosten blieb er allerdings sitzen. Leasinggebühren für einen Notebook kann der Agent nicht zurückerhalten, da ein geleaster Laptop nicht zu den „Unterlagen" zählt, sondern als Hilfsmittel der Geschäfts- bzw. Büroeinrichtung des Handelsvertreters gilt, die er selbst tragen muss. So hatte das OLG Köln bereits mit Urteil vom 30. September 2005 entschieden (Az.: 19 U 67/05). Dies gelte selbst dann, wenn der Handelsvertreter dazu verpflichtet ist, das Notebook für die Ausübung seiner Tätigkeit für eine Vertriebsgesellschaft zu leasen, weil etwa das EDV-System der Gesellschaft derart geschützt ist, dass es nicht auf fremde Hardware aufgespielt werden kann. „Sollte ein Vermittler allerdings nachweisen können, dass ein gleichwertiger Computer auf dem freien Markt günstiger zu leasen ist, so kann er die Erstattung der Mehrkosten verlangen“, ergänzt Evers.

Auch auf die Erstattung von Seminarkosten besteht für den Agenten kein Anspruch, da sie nicht unter die Regelung des Paragrafen 86a Abs. 1 HGB fallen, erklärte das OLG. Anders wäre es gewesen, wenn keine Alternative bestanden hätte, auf andere Weise an die Informationen zu gelangen, oder er von der Vertriebsgesellschaft zur Teilnahme genötigt worden wäre.

Autor(en): Detlef Pohl

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