Versicherung gegen betrügerische Mitarbeiter: Anwälte kritisieren Schadenregulierung

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Viele Unternehmen haben sich gegen Betrug durch die eigene Mitarbeiter versichert. Die so genannte Vertrauensschadenversicherung (VSV) zahlt nämlich auch dann, wenn Mitarbeiter das eigene Unternehmen absichtlich schädigen. Solche Schäden können sehr teuer werden. Vor allem wenn Betrug lang unentdeckt bleibt. Doch nun gibt es Ärger um die Schadenregulierung.

„Es ruckelt bei der Abwicklung von Schäden“, sagt Rechtsanwalt Christian Terno. „Immer öfter wollen die
Versicherer nicht zahlen, weil sie behaupten, der Schaden wäre durch eine schweren Fehler des Managements verursacht worden“, so der Jurist, der Mitglied de Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist.

Mit Compliance-Verstoß VSV aushebeln
Die Argumentation der Versicherer ist trickreich. Denn die Vertrauensschadenversicherung zahlt, wenn der Mitarbeiter dem Unternehmen Geld unterschlägt oder etwa die EDV, um Schaden der eigenen Firma manipuliert. Solche Schäden sind Vorsatztaten. Der Versicherungsschutz reicht somit sehr weit. Die Versicherer werfen aber nun laut Terno bei solchen Schäden der Unternehmensleitung immer öfter vor, im Vorfeld nicht genügend getan zu haben, um einen solchen Schaden zu verhindern. Mit dem Vorwurf eines grob fahrlässigen Organisationsverschulden wird Druck aufgebaut“, kritisierte der DAV-Anwalt.

Vielfach werde eine Kürzung von 50 Prozent angedroht. Den Unternehmen würde dabei vorgeworfen, sie hätten ihr Compliance-System nicht konsequent praktiziert oder es wären mehr Compliance-Regeln möglich gewesen. Das Problem: Der Versicherungsnehmer muss Fachweisen, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Andenfalls könnten die Versicherer hohe Abzüge von der Schadenleistung machen.

Täter verfügen in aller Regel über die digitalen Signaturen der Chefs
Durchlaufen beispielsweise Zahlungsanweisungen nicht ein Vieraugensystem, gebe es Schwierigkeiten bei Betrugsschäden. Dabei werden die Täter aus den eigenen Reihen immer pfiffiger. So erhielten beispielswiese Buchhalter per E-Mail von hohen Repräsentanten die Anweisungen sofort eine hohe Summe an ein spezielles Konto zu überweisen. Selbst eine Bestätigung durch weitere Unternehmensführer werde zusätzliche als
Bestätigung versandt. Tenor: „Die Täter verfügen bei diesem Fake-Präsidenten-Trick in aller Regel sogar über die digitalen Signaturen der Chefs.“ Stecken eigene Mitarbeiter hinter dem Betrug, müsste die Vertrauensschadenversicherung eigentlich leisten. Einen spektakulären, aber klassischen Fall habe es beim Fernsehsender Kika gegeben. Hier habe ein leitender Angestellter sein Unternehmen durch jahrelange Scheinrechnungen um 8,5 Millionen Euro betrogen.

Auffang-Schutz: Managerhaftpflicht
„Kommen die Versicherer mit dem Vorwurf von grob fahrlässigen Compliance-Verstößen durch, ist die VSV-Police nichts mehr wert“, warnte Terno. Die Kunden können sich aber wehren. „Das ist oft lediglich ein
Darstellungsproblem“, sagte Monika Risch, Vorsitzendes der AV-Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht. Zudem sei es möglich, gegen Mehrprämie den Ausschluss der „groben Fahrlässigkeit“ durch Managementfehler
aus den Bedingungen zu nehmen. Gegen Streit um die Schadenregulierung können die Kunden zudem auch anderes vorsorgen. So gebe es am Markt immer öfter Kombipolicen, bei der ein Paket aus Managerhaftpflicht-, Vertrauensschaden- und Strafrechtsschutz-Versicherung geschnürt werde. „Soll der Schutz der VSV dann
wegen grob fahrlässigen Managerfehler leer laufen, greift der D&O-Schutz“, so Terno.

Firmen bauen oft auf Compliance und Innenrevision
Allgemein würden sich aber viel zu wenig große Unternehmen mit der VSV-Police schützen. So wären deutschen Unternehmen durch wirtschaftskriminelle Handlungen 2014 Schäden in Höhe von etwa 30 Milliarden Euro entstanden. Rund 60 Prozent der größeren deutschen Unternehmen seien betroffen. „Eine Vertrauensschadensversicherung indes existiert nur bei etwa 35 Prozent der Unternehmen in Deutschland“, so der DAV. Firmen würden oft auf Compliance und Innenrevision bauen und den VSV-Schutz – oft entgegen dem Rat von Versicherungsmaklern – nicht abschließen. Dabei sei der Schutz, weil die Schadenfrequenz in den meisten Unternehmen niedrig liege, nicht so teuer.

Zudem gelte bei der VSV eine Selbstbeteiligung von zehn bis 20 Prozent. Allein Großunternehmen könnten die Eigenbeteiligung „wegverhandeln“. Bei der VSV sei eine Millionendeckung möglich. Laut DAV beträgt der Schutz beim Autohersteller Volkswagen 20 Millionen Euro. Das dürfte aber für „Dieselgate“ - falls tatsächlich Mitarbeiter der unteren Ebene selbstständig betrogen haben - deutlich zu wenig sei.

Bildquelle: © Stephan Thomaier / picscout

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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