Versicherungskosten im Heilwesen explodieren

Ärzten und Krankenhäusern drohen massive Erhöhungen der Haftpflichtprämien. Nach Angaben des kirchlichen Versicherungsmaklers Ecclesia aus Detmold müssen einzelne Krankenhäuser mit Prämiensteigerungen von bis zu 70 Prozent rechnen. Grund sind deutlich gestiegene Kosten für medizinische Fehlbehandlungen. Zudem haben laut Ecclesia zwei Versicherer, die Zurich und die Provinzial Münster, sämtlich Verträge mit Krankenhäusern zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Die Versicherer bestätigen dies. Dadurch wird der Markt noch enger. Krankenhäuser würden in Deutschland nur noch von der Allianz, R+V, Basler, Ergo und der Versicherungskammer Bayern versichert. Für den Berufshaftpflichtschutz der Ärzte ständen zudem noch die Alte Leipziger und der HDI-Gerling zur Verfügung. Auch im ambulanten Bereich müssen Ärzte mit extremen Prämiensteigerungen rechnen.

So berichtete der Schadenexperte der Ecclesia-Gruppe, Franz-Michael Petry, von einem Chefarzt einer Frankfurter Entbindungsklinik, der allein für seine ambulanten Nebentätigkeiten künftig jährlich fast 100.000 Euro für seinen Haftpflichtschutz zahlen sollte. Andere Versicherer hätten überhaupt keinen Schutz mehr angeboten. Gelöst wurde der Fall, indem das Krankenhaus die volle Haftung für den Chefarzt übernahm.

Den drohenden Versicherungsnotstand im Bereich des Heilwesens bestätigt zudem der Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM). So habe beispielsweise die R+V den Vertrag für ein Ärztezentrum gekündigt, weil ein Teil der Tätigkeit der Mediziner als zu riskant eingestufte wurde. Andere Versicherer hatten dann für einen Vollschutz das Siebenfache der bisherigen Prämie gefordert. Die rund 30 Ärzte wurden dann von der Versicherungsmaklerin Adelheid Marscheider aus Bammersdorf bei Bamberg im Ausland, bei der österreichischen Donau Versicherung untergebracht. Trotzdem mussten die Mediziner eine Prämienerhöhung von mehr als dem 3,6-fachen hinnehmen.

Höhere Kosten erwartet
Nach Einschätzung des Versicherungsmaklers Ecclesia, der rund 45 Prozent aller deutschen Krankenhäuser versichert, wird der Lage im Haftpflichtversicherungsmarkt durch das neue Patientenrechtegesetz und die Forderung nach zusätzlichem Schutz gegen ärztliche Behandlungsfehler noch verschärft. Das neue Recht sehe vor, dass Krankenkassen ihre Kunden künftig beim Verdacht auf einen ärztlichen Kunstfehler mit einem Gutachten unterstützen müssten. Gleichzeitig fordert der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller (CSU) und Erwin Rüddel (CDU), von der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU- Bundestagfraktion, die Einrichtung eines Härtefallfonds für Patienten. Im neuen Patientenrechtegesetz ist ein solcher Fonds bislang nicht vorgesehen. Das hatte auch die Opposition scharf kritisiert. Der Härtefallfonds soll Opfer von Kunstfehlern dann helfen, wenn Verfahren zu Behandlungsfehlern unzumutbar lange dauern oder kein sicherer Nachweis für die Schadensursache gefunden werden kann. Die Leistung soll auf 100.000 Euro pro Fall beschränkt bleiben.

Ein solcher Fonds ist aber höchst umstritten, so das Ergebnis einer Expertendiskussion auf dem Berliner Eccleasia-Symposium "Arzthaftung in Europa". So sei es äußerst schwierig zu entscheiden, wann Patienten, die einen ärztlichen Kunstfehler nicht eindeutig nachweisen können, einen Anspruch auf Leistung aus dem Fonds erhalten sollen.

Aufwand für Kunstfehler explodiert
Nach Einschätzung des Versicherungsmaklers Ecclesia funktioniert die Abwicklung von medizinischen Behandlungsfehlern viel schneller, als in der Öffentlichkeit immer wieder behauptet wird. "Von 5608 festgestellten Behandlungsschäden, die wir analysiert haben, wurden 70 Prozent im vierten Jahr und 85 Prozent im sechsten Jahr nach Anspruchsstellung erledigt", sagte Ecclesia-Geschäftsführer Manfred Klocke auf dem Berliner Kongress. Zudem hätte nicht die Zahl der Schäden enorm zugenommen, sondern die Begehren auf Schadenersatz seien mit 56 Prozent von 2004 bis 2011 regelrecht explodiert. Das gelte ebenfalls für den Aufwand für Behandlungsfehler, der sogar um 61 Prozent gestiegen sei. Demgegenüber sei die Zahl der Schäden lediglich um elf Prozent gewachsen.

Schutz gegen unversicherte Ärzte
Der hohe Mehraufwand dürfte aber weiterhin den Berufshaftpflichtschutz für Ärzte enorm verteuern. Deshalb fürchtet der CDU-Politiker Rüddel, dass künftig immer mehr Ärzte unversichert sind, weil sie beispielweise ihre Prämie nicht zahlen. Eine Kontrolle gäbe es bisher nicht. Allein bei der Aufnahme der ambulanten Tätigkeit müssen Mediziner einen Versicherungsschutz nachweisen. Daher sollen die Haftpflichtversicherter nach dem Vorbild der Verkehrsopferhilfe künftig in eine Ärzteopferhilfe einzahlen. Sie soll als Rückversicherungsfonds eintreten, wenn Ärzte einen Behandlungsfehler verursachen und keine Berufshaftpflichtversicherung oder keinen ausreichenden Schutz nachweisen können. Die Haftpflichtversicherer sollen die Ärztekammern informieren, damit sie bei Erlöschen der Berufshaftpflicht eines Arztes Sanktionen einleiten können. Notfalls soll die Approbation entzogen werden.

Bisher scheint die Einrichtung einer solchen Rückversicherungsfonds aber kaum notwendig. "Uns sind keine unversicherten Ärzte bekannt", heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Vorsichtiger ist hingegen der Versicherungsmakler Ecclesia: "Ärzte mit zu geringen Versicherungssummen dürfte es schon geben", schätzt Petry.

Problematisch sei es zudem, wenn Ärzte ihren Tätigkeitsbereich geändert hätten, aber ihre Berufshaftpflichtversicherung nicht entsprechend angepasst wurde. Werden solche Mediziner von einem Versicherungsmakler betreut, könnte ein nicht versicherter Kunstfehler möglicherweise auch eine Haftung beim Makler auslösen, falls eine Falschberatung nachweisbar ist. Da medizinische Behandlungsfehler schnell in die Millionen gehen, besteht wohl auch für Versicherungsmakler, die Ärzte betreuen, ein akuter Handlungsbedarf.

Bildquelle: Allianz

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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