Versicherungsombudsmann: Flucht vor Grundsatzurteilen Riegel vorschieben

Versicherern, Banken, Stromanbietern oder sonstigen Großunternehmen soll es künftig deutlich erschwert werden, Grundsatzurteile zu verhindern, die Millionen von Verbrauchern betreffen. Das forderte der Versicherungsombudsmann Professor Günter Hirsch auf einer Veranstaltung des Bundes der Versicherten (BdV) in Hamburg. Hierfür soll der Gesetzgeber die Zivilprozessordnung ändern. Damit will Hirsch den Verbraucherschutz
stärken.


Systematisch würden ganze Wirtschaftsbranchen immer häufiger die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zum Nachteil der Kunden missbrauchen. "Die Unternehmen verhindern Grundsatzurteile dadurch, dass sie kurz vor Urteilsverkündung die Forderung des einzelnen Kunden befriedigten oder die Revision vor dem Bundesgerichtshofs (BGH) zurücknehmen", erläuterte Hirsch. Das ist derzeit noch legitim, schwächt aber den Verbraucherschutz.

Möglich wird dies, weil der BGH den Parteien frühzeitig mitteilen muss, wie das Urteil wahrscheinlich ausgehen wird. Vor allem in der Versicherungswirtschaft häuften sich solche Fälle. So hätte die Assekuranz beispielsweise jüngst Urteile verhindert, in denen es um die Zulässigkeit von Ratenzahlungen, die Falschberatung beim Abschluss von Lebensversicherungen oder die Angemessenheit hoher Abzüge nach Kündigung ging. Bei Entscheidung durch den BGH, hätten Millionen von Versicherten ihre Rechte sofort durchsetzen können. In allen Fällen solle es um Milliarden Euro von Rückzahlungsansprüchen der Kunden gehen. Nun müssten sie mühselig und mit hohem Kostenrisiko im Einzelfall klagen.

Zulassungsverfahren für Revisionen revidieren
Zudem sind auch dem Versicherungsombudsmann in diesen Fällen die Hände gebunden. "Nach der Verfahrensordnung darf ich Verbraucherbeschwerden von grundsätzlicher Bedeutung nicht entscheiden", kritisierte Hirsch. Viele Kunden kämen somit jahrelang nicht zu ihrem Recht. Hirsch forderte daher den Gesetzgeber auf, das Zulassungsverfahren für Revisionen zum BGH zur reformieren. So soll der BGH künftig in Ausnahmefällen auch dann eine Entscheidung treffen dürfen, wenn eine Partei aus dem Verfahren aussteigen will. Die neue Kompetenz des BGHs soll dann gelten, wenn das Urteil es von großem Interesse für die Allgemeinheit ist, viele Verbraucher betrifft und eine klare Entscheidung gefällt werden kann.

Der Versicherungsombudsmann verwiese darauf, dass das Bundesverfassungsgericht bereits in einem grundsätzlichen Fall entschieden habe, obwohl der Beschwerdeführer während des Verfahrens verstorben sei. "Eine solche Rechtsfortbildungskompetenz hat der BGH aber nicht", so Hirsch. Daher müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Bild: © Stephanie Hofschläger/

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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