Verwaltungskosten zu hoch

740px 535px

Das Projekt Solvency II hat einen interessanten Nebeneffekt: Erstmals gibt es Zahlen über die europäische Versicherungswirtschaft. Wie sich die deutsche Branche im Vergleich schlägt.

Die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA veröffentlicht ab 2016 aggregierte Zahlen aus den Solvency II-Berichten der europäischen Versicherer (https://eiopa.europa.eu/Pages/Financial-stability-and-crisis-prevention/Insurance-Statistics.aspx). Diese zeigen, dass die deutsche Versicherungswirtschaft sich bei den Kosten durchaus in einem Mittelfeld bewegt.

Geringere Schadenquoten

In der Schadenversicherung verbuchten die deutschen Versicherer im Jahr 2018 Schäden in Höhe von 62,7 Prozent der verdienten Nettoprämien, also nach Berücksichtigung der Rückversicherung. Im Vergleich liegt die Schadenquote leicht unter derjenigen der Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) (noch mit Großbritannien) und der assoziierten Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein, Norwegen) von 66,0 Prozent.

Dafür sind Verwaltung und Vertrieb deutscher Kompositversicherungen teurer als im EU-Vergleich. Deutsche Versicherer benötigen im Schnitt 8,7 Prozent der verdienten Nettoprämien für die Verwaltung, Europa gesamt nur 5,8 Prozent. Die Abschluss- und Vertriebskosten übersteigen mit 17,5 Prozent ebenfalls den europäischen Mittelwert von 15,6 Prozent. Die übrigen Kosten – für Kapitalanlage, Schadenregulierung, Gemeinkosten und sonstige Kosten - bewegen sich unauffällig in der Nähe der Durchschnittswerte.

Insgesamt könnte das aber bedeuten, dass die deutsche Versicherungsbranche noch Nachholbedarf in Sachen Kosteneffizienz hat. Eine beschleunigte Digitalisierung könnte helfen.

Kostenquoten deutsche Versicherer

Life ist mehr als nur Leben

In der Lebensversicherung sieht das Bild etwas anders aus. Die Verwaltungskosten liegen mit 2,1 Prozent etwas unter dem EU-Schnitt von 2,4 Prozent. Die Schadenregulierungskosten liegen mit 1,6 Prozent bei mehr als dem Dreifachen der EU. Bei diesen wie bei allen anderen Kostenquoten muss man allerdings berücksichtigen, dass es in Deutschland die Besonderheit der Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung (Vollversicherung sowie Zusatzversicherung mit Alterungsrückstellungen) gibt, deren Kostenstrukturen mit denen der reinen Lebensversicherung nicht vergleichbar sind. In den internationalen Statistiken wird "Life" jedoch nicht weiter differenziert.

Auch die Abschluss- und Vertriebskosten liegen mit 8,1 Prozent erheblich höher als in der EU mit 4,6 Prozent. Sieht man sich aber die Abschluss- und Vertriebskosten im Ländervergleich an, liegt Deutschland in einem guten Mittelfeld. Der genannte Mittelwert wird erheblich durch große Lebensversicherungsmärkte wie Großbritannien (27,8 Prozent Marktanteil), Skandinavien (6,0 Prozent Marktanteil), Belgien (1,9 Prozent Marktanteil) und Niederlande (1,8 Prozent Marktanteil) beeinflusst, in denen überwiegend Provisionsverbote gelten und Lebensversicherungen gegen Honorar oder zum Beispiel über Tarifvertragsparteien vertrieben werden. In diesen Ländern fallen folgerichtig die Abschluss- und Vertriebskosten außergewöhnlich niedrig aus. Eigentlich müssten man diese externalisierten Kosten wieder hinzurechnen, um im EU-Vergleich eine faire Aussage über die Vertriebskosten von Lebensversicherungen treffen zu können.

Teurer Schadenversicherungsvertrieb auf der Insel

Es gibt aber auch Länder mit erheblich höheren Abschluss- und Vertriebskostenquoten in der Lebensversicherung als Deutschland. Besonders fallen Bulgarien und Rumänien mit jeweils rund 19 Prozent auf, aber auch in Polen, Slowakei, Tschechien, Zypern werden rund 15 Prozent der Lebensversicherungsprämien für diesen Bereich ausgegeben.

In der Kompositversicherung fällt Griechenland mit rund 30 Prozent Abschluss- und Vertriebskostenquote besonders auf, gefolgt wiederum von diversen osteuropäischen Ländern und Zypern. Aber auch ein sehr großer Ländermarkt wie Großbritannien liegt mit knapp 24 Prozent erheblich über Deutschland. Übrigens: In Großbritannien wird ein großer Teil der Schadenversicherungen über Vergleichsportale und über Direktversicherer abgesetzt. Billiger wird es dadurch für die Verbraucher offensichtlich gerade nicht. Das sind wichtige Fakten für die Regulierungsdebatte in Deutschland, in der immer noch ein Großteil der Verträge über traditionelle Vermittler abgesetzt wird.

Schaden- Kostenquoten der Assekuranz in Europa

Autor(en): Matthias Beenken

Alle Branche News