Vom Versicherungsverkäufer zum Kundenberater

Versicherer müssen sich auf einen dauerhaft gesättigten Markt einstellen. Das bisherige Neugeschäftsdenken weicht einem ertragsorientierten Blickwinkel. Das trifft insbesondere den auf Umsatz fixierten Versicherungsvertrieb. Aber intelligente Bestandspflege kann die Neugeschäftsschwäche teilweise ausgleichen, ebenso ein effizienterer Vertrieb die sinkenden Provisionen.

"Die schwierige Marktsituation insbesondere bei provisionsstarken Lebens- und Krankenversicherungen, in Kombination mit der Deckelung von Provisionen, führt dazu, dass in Deutschland strukturelle Überkapazitäten im Vertrieb entstehen", kommentiert Dr. Henrik Naujoks von der Managementberatung Bain & Company die Situation.

Für die Versicherer wird es laut Bain & Company schwer, ihre großen Vertriebsorganisationen mit ausreichenden Provisionserträgen zu versorgen. Sie kämpften mit nachlassendem Neugeschäft, sinkenden Prämieneinnahmen und steigenden Kapitalanforderungen. Der harte Verdrängungswettbewerb und das widrige Marktumfeld hätten die Ertragskraft vieler Versicherer reduziert. Um sie wiederherzustellen, müssten auch die Vertriebskosten sinken, ohne gleichzeitig die Vertriebsorganisationen nachhaltig zu zerstören.

Ziel der Zukunft: Langfristiges Bestandsgeschäft
Um den Mangel an profitablem Neugeschäft auszugleichen, müssten die meisten Versicherer in den nächsten Jahren stärker auf langfristiges Geschäft mit bestehenden Kunden setzen. Bei einer solchen Vertriebsstrategie gehe es nicht mehr in erster Linie darum, möglichst viel Neugeschäft zu zeichnen. Stattdessen solle der Vertrieb ertragreiches Geschäft identifizieren und systematisch erweitern. Im Vordergrund einer solchen Vertriebsarbeit stünden die Bindung und Betreuung der Bestandskunden.

"Im Versicherungsvertrieb ist das ein Paradigmenwechsel, wenn nicht sogar eine Revolution", sagt Versicherungsexperte Naujoks. "Ertragsorientierte Bestandsarbeit erfordert ein viel langfristigeres Denken, ein gutes Kundenverständnis, eine hochqualifizierte Beratung, intelligente Bestandsprodukte und nicht zuletzt auch neue Vergütungsstrukturen."

Standardisierung des Verkaufsprozesses wichtig
Damit ein Bestandsbetreuungs-Konzept Erfolg hat, müsse der Vertrieb seine Kunden besser kennenlernen und sie so beraten, dass sie langfristig gebunden werden könnten. Darüber hinaus müsse jeder Vermittler bei weniger Neugeschäft und sinkender Provisionshöhe effizienter arbeiten. Nur so könne er seine Gesamtvergütung auf einem akzeptablen Niveau halten.

Versicherer müssten deshalb die Professionalisierung und Standardisierung des Verkaufsprozesses vorantreiben. Themen wie ganzheitlichere Beratung und echte Bestandskundenbetreuung dürften für Agenturen künftig nicht nur Schlagworte bleiben, sondern müssten in den Fokus des Handelns gerückt werden. Größere Agentureinheiten wie Unternehmeragenturen könnten dabei ein Vehikel sein, um diese Ziele schneller und besser zu erreichen.

Profitables Geschäft belohnen
Eine wichtige Komponente im Erneuerungsprozess der Versicherungsvertriebe blieben die Provisionssysteme. In der Vergangenheit wären sie beinahe ausschließlich auf Neugeschäfts-Umsätze ausgelegt, ohne die Ertragskraft der vermittelten Verträge zu berücksichtigen.

Laut der weltweit aktiven Managementberatung müssten künftige Incentive- und Provisionsstrukturen einerseits eine qualitativ hochwertige Kundenberatung honorieren, andererseits gezielt 'gute Risiken' und profitables Geschäft belohnen. Dabei könnten Qualitätsfaktoren wie geringes Bestandsstorno, Bestandsausschöpfung oder beraterindividuelle Schadenquoten sowohl über die Incentivierung als auch über das Karrieresystem honoriert werden.

Quelle: Bain & Company

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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