Warum das BFH-Urteil zur Doppelbesteuerung problematisch für Steuerpflichtige ist

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Mit Urteil vom 31. Mai 2021 – X R 33/19 – hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die bisherige steuerliche Berücksichtigung von Rentenzahlungen rechtswidrig sein könnte. Für Ledige, Männer, ehemalige Selbständige und künftige Rentenbezieher besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung. Eine solche doppelte Besteuerung sei nicht gegeben, wenn "...die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen (Senatsurteile in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz. 69, und in BFHE 254, 545, Rz. 46)". 

Dabei ist das Nominalwertprinzip zu beachten, was bedeutet, dass für alle Geldbeträge der tatsächliche Geldeswert irrelevant ist und nur der zahlenmäßige Wert relevant ist. Bei der Besteuerung der Altersbezüge gilt dabei das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung. Um eine doppelte Besteuerung auszuschließen muss alsdann eine Prognoseentscheidung der künftigen Rentenzuflüsse und der Altersvorsorgebeiträge vorgenommen werden, dies eben auf Grundlage des Nominalwertprinzips.

Viele steuerrechtliche Fragestellungen abgearbeitet

Der BFH hat in seinem Urteil eine Fülle von steuerrechtlichen Fragestellungen abgearbeitet und eine klare Berechnungsvorgehensweise an die Hand gegeben. Im Prinzip schließt sich die Rechtsprechung damit der Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts an, welches bereits ähnlich entschieden hatte.  Die Besteuerung habe sich demzufolge an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen einerseits und einer praktikablen und gerechten Besteuerung des Gesetzgebers auszurichten.

Aus dem geltenden Steuerrecht ergibt sich damit eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die nach Ansicht des BFH jedoch so lange hinzunehmen sei, wie es die Komplexität der steuerlichen Materie und der außerordentlich hohen Zahl der Betroffenen eine Gleichbehandlung erforderlich machen. Es ist jedoch allen Steuerpflichtigen freigestellt, einen Verstoß eben gegen Art. 3 I GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) darzulegen und zu beweisen, sodass die Ungleichbehandlung im Einzelfalle abgeholfen werden kann.

Abweichung vom Nominalwertprinzip ist nicht notwendig

Der BFH stellte fest, dass - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - eine Abweichung vom Nominalwertprinzip nicht notwendig ist. Nach Ansicht des Senates erwirbt ein Beitragszahler nur theoretische Wertepunkte, die alsdann im Renteneintrittsalter „kapitalisiert“ werden. Es wird also erst bei Rentenzahlung ein wirtschaftlicher Wert gegengerechnet. Allerdings entspricht dies der verfassungskonformen Vorgehensweise des SGB VI.

Schließlich stellte der Senat als Annex fest, dass eine unterschiedliche Behandlung von Zahlungen aus gesetzlichen Vorsorgeaufwendungen und privater Lebensversicherung den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht angreife.

Künftige Rentner nicht zu stark belasten

Der BFH hat dem Gesetzgeber angesichts der Gesetzeslage eine klare Anweisung gegeben, die Doppelbesteuerung - durch Nichtberücksichtigung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in den steuerfreien Teil der Rente einzubeziehen - zu vermeiden, um eine erhöhte Steuerlast künftiger Bezieher zu vermeiden.

Problematisch am Urteil ist nur, dass die Beweislast der Doppelbesteuerung beim Steuerpflichtigen liegt. Danach muss dieser nachweisen, dass er in der Vergangenheit einer doppelten Besteuerung unterlag. Angesichts der Tatsache, dass die wenigsten Steuerpflichtigen ihre Unterlagen über eine längere Dauer aufbewahrt haben, dürfte das finanzielle Risiko für den Fiskus zunächst überschaubar sein.

Thomas Schmallowsky ist als ordentlicher Professor für Steuerrecht und Wirtschaftsrecht an der NBS in Hamburg tätig. Darüber hinaus ist er Fachanwalt für Steuer- und Sozialrecht.

Autor(en): Thomas Schmallowsky

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