Wenn der Versicherer dem Vertreter droht

Weigert sich ein Vertreter, die Einverständniserklärung zu einer Vertragsanpassung zu unterzeichnen, darf ihm sein Versicherer nicht fristlos den Agenturvertrag kündigen - oder doch? Lesen Sie, was das Landgericht Hamburg dazu meint. Details zum Urteil enthüllt der "Wirtschaftsdienst Versicherungs- und Bausparkaufleute".

Die VVG-Reform beschäftigt schon die Gerichte. Insbesondere die gesetzliche Vorgabe, die Abschlusskosten rechnerisch auf fünf Jahre zu verteilen und bei Kündigung des Kunden höhere Rückkaufswerte auszuzahlen. Dies veranlasste die Hamburg-Mannheimer Versicherung, das Stornorisiko stärker auf ihre rund 15.000 Handelsvertreter abzuwälzen. Dazu änderte das Unternehmen die AVB und die "Einheitstafel" (EHWT), die zugleich als Teil des Agenturvertrages akzeptiert werden sollten. Die Vertreter mussten dazu eine entsprechende Einverständniserklärung unterschreiben. Markanteste Änderung: Der Zeitraum für die Stornohaftung für Policen aus den Sparten Leben- und Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr (UBR) steigt von 36 Monaten auf 60 Monate.

Fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt
Als sich ein Vertreter weigerte, die Einverständniserklärung zu unterzeichnen, kündigte der Versicherer den Agenturvertrag fristlos. Damit kam er jedoch nicht durch, berichtet der "Wirtschaftsdienst Versicherungs- und Bausparkaufleute" unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Februar 2009. Im Gegenteil: Weder sei die fristlose Kündigung wegen Ablehnung einer einseitigen Vertragsänderung gerechtfertigt, noch kann eine Zustimmung mit dem Mittel einer außerordentlichen Kündigung erzwungen werden (Az: 412 O 111/08 - nicht rechtskräftig).

Somit erhält der Vertreter Schadenersatz in Höhe der durchschnittlichen Provisionen – hier 4.240 Euro pro Monat – für jeden Monat bis zum Zeitpunkt, an dem der Versicherer den Agenturvertrag ordentlich hätte kündigen dürfen. Zudem erhält der Agent 30.000 Euro Handelsvertreterausgleich, nachdem das Gericht zuvor den kapitalisierten Barwert seines unverfallbaren Anspruchs auf Altersversorgung aus dem Vertreterversorgungswerk des Versicherers abgezogen hatte.

Weitere 1.600 Euro Schadenersatz muss der Versicherer wegen weiterer Pflichtverletzungen zahlen: So hatte er einen Eintrag bei der AVAD, einer Auskunftei über Versicherungsvertreter, veranlasst. Dieser besagte, dass dem Vertreter fristlos gekündigt worden sei und der dagegen weder Einspruch noch Klage erhoben hat, obwohl der Agent bereits nach 12 Tagen der Kündigung widersprochen, seinerseits fristlos gekündigt und Schadenersatzforderungen geltend gemacht hatte.

VVG-Novelle ist keine Grundlage für Erweiterung der Haftungszeiträume
Hintergrund: Viele Versicherer haben Ende 2007 und Anfang 2008 versucht, die Provisionsbestimmungen zu ändern. Als Grund wurden unter anderem die Änderungen im Bereich Leben im Zuge der VVG-Reform angeführt. "Das Urteil stellt klar, dass die VVG-Novelle nicht zu einer Erweiterung der Haftungszeiträume herangezogen werden darf", sagt Rechtsanwalt Jürgen Evers von der Kanzlei in Bremen.
Das Gericht stellte klar: Es besteht keine Rechtspflicht, das Stornorisiko ausnahmslos auf den Vermittler zu verlagern. Die Möglichkeiten des Versicherers, Agenturverträge ordentlich zu kündigen oder die Provisionen anders zu berechnen, gäben ihm ausreichende Reaktionsmöglichkeiten für den Fall, dass eine Vertragsänderung nicht durchsetzbar sei. Dennoch rechnet Evers mit weiteren Streitigkeiten in anderen Sparten, denn eine einseitige Änderung der Stornohaftungszeiten sei durch das Urteil nicht endgültig vom Tisch.

Angemessene Kompensation nötig
Als Kompromiss sieht der Vertriebsexperte den goldenen Mittelweg, der sich schon in der Vergangenheit bewährt habe: Der Versicherer kann Haftungszeiträume einseitig zum Nachteil der Vertreter nur ändern, soweit er den Vertretern im Gegenzug eine angemessene Kompensation verspricht wie etwa die Anhebung der Provisionssätze, Erhöhung der Geschäftsplanvergütung oder Verbesserung der Produktbewertungen. Entspricht dies nicht der Billigkeit, muss wieder das Gericht entscheiden.

Inzwischen ist das Urteil auch im einsehbar. Wer sich intensiver mit dem Thema "Vertragsanpassung und Kündigung" befassen will, kann die Mai-Ausgabe des "Wirtschaftsdienst Versicherungs- und Bausparkaufleute" im kostenlos anfordern.

Mehr zum Thema gibt es auch in der des .

Autor(en): Detlef Pohl

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