Wie man gute Maklerbetreuer findet und vorhandene noch besser macht

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In der Versicherungsbranche wird heftig darüber diskutiert, mit welchen Modellen Maklerbetreuer qualifiziert werden müssen, um den Anforderungen des modernen Maklervertriebes gerecht zu werden. Im Interview erläutern Jens Nachtwei, Professor an der Hochschule für angewandtes Management & HU Berlin und Dr. Manuela Wolf (beide im Bild), von den Versicherungsforen Leipzig, wie Personalpsychologie bei der Personalauswahl im Maklervertrieb hilfreich sein kann.

Vor welchen Herausforderungen steht der Maklervertrieb in Bezug auf Personalauswahl und -entwicklung?
Manuela Wolf:
Maklerbetreuer erleben aktuell einen massiven Wandel ihres beruflichen Umfeldes. Regulatorik, Digitalisierung und gestiegene Anforderungen der Makler verändern das Anforderungsprofil. Es ist nicht standardisiert, sondern orientiert sich an der zu betreuenden Zielgruppe. Die Zusammenarbeit mit Spezialmaklern erfordert andere Schlüsselqualifikationen als die Betreuung von Vertrieben. Segmentierte Maklerbetreuung wird daher aktuell bei vielen Versicherern diskutiert. Die größte Herausforderung in der Personalauswahl besteht darin, im Bewerbungsprozess vorherzusagen, ob der Kandidat als Maklerbetreuer erfolgreich sein wird. Ob das funktioniert, hängt davon ab, ob mit dem eingesetzten Personalauswahlinstrument diese Frage beantwortet werden kann. Häufig ist das in der Praxis jedoch nicht der Fall. Daraus resultieren hohe Kosten für Fehlbesetzungen. In der Personalentwicklung sind die Maßnahmen nur dann wirkungsvoll, wenn sie an die individuellen Stärken und Entwicklungsfelder der Maklerbetreuer angepasst werden und die Umsetzung der erlernten Fähigkeiten im Alltag begleitet wird. Gerade Letzteres ist aber oft nicht der Fall.

Es ist eine schöne Vorstellung, im Bewerbungsprozess vorherzusagen, ob der Kandidat ein erfolgreicher Maklerbetreuer wird. Aber kann das wirklich funktionieren?
Jens Nachtwei: Im Grunde verhält es sich bei derartigen Vorhersagen wie mit allen anderen Prognosen auch: Die Unsicherheit bleibt. Instrumente zur Potenzialbeurteilung aus der Personalpsychologie können genutzt werden, um die Risiken einer Fehlbesetzung zu reduzieren. Ganz ausschließen können sie diese jedoch nicht, dafür sind die Vorhersagen zu ungenau. Ein Stück Ungewissheit bleibt immer.

Wie werden denn zurzeit geeignete Bewerber ermittelt?
Nachtwei:
Aktuell wird viel mit Tests, Fragebögen und Verhaltensbeobachtungen sowie natürlich Interviews gearbeitet, idealerweise in Kombination. Alle Methoden sind jedoch mit ihren ganz eigenen Schwächen in der Vorhersage versehen. Interessant, allerdings noch lange nicht abschließend in Qualität und anderen Kriterien bewertet, sind Ansätze, die große Datenmengen und künstliche Intelligenz verwenden, um Eignung zu prognostizieren. Große Konzerne in den USA sind hier bereits Vorreiter. In Deutschland überwiegt allerdings, teils auch zu Recht, die Skepsis. Interessant wäre es für Organisationen aber allemal, Prognosen auf Basis größerer Datenmengen und mehr oder minder intelligenter Algorithmen zu treffen. Die Zukunft einmal beiseite ist aber auch heute das Thema Daten bei der Vorhersage von Erfolg essentiell.

Wie das?
Nachtwei:
Nehmen wir einen Persönlichkeitsfragebogen: Hier sollte es eine Datenbasis geben, auf deren Grundlage einmal ermittelt worden ist, wie die einzelnen Persönlichkeitsmerkmale des Instruments mit Kriterien des Erfolgs im Vertrieb korrespondieren. Gibt es diese so genannten Validitätsnachweise nicht, sollte man in Bezug auf Vorhersagen sehr skeptisch sein.
Wolf: Als Versicherungsforen nehmen wir eine verstärkte Nachfrage zu allen Themenfeldern rund um moderne Arbeitswelten wahr. Dazu gehören auch der Personalauswahl- und der Onboardingprozess. Hier sind die Versicherer durchaus an modernen Methoden interessiert, die bei der Auswahl und Bindung geeigneter Maklerbetreuer helfen.

Welche Personalauswahlinstrumente empfehlen Sie für das Recruiting von Maklerbetreuern?
Nachtwei:
Der Mix entscheidet. Im Idealfall kombinieren Sie teilstrukturierte Interviews mit Verhaltensproben, beispielsweise in Form von Rollenspielen und mit Testverfahren zur Ermittlung von Persönlichkeit, gegebenenfalls auch von Intelligenz.

Was ist mit Interviews?
Nachtwei:
Interviews sind hoch akzeptiert bei Bewerbern und liefern überzeugende Resultate, sofern sie strukturiert sind und auf einem vernünftigen Kompetenzmodell fußen. Verhaltensproben sind insbesondere im Vertrieb wichtig, denn erzählen kann ein Kandidat viel, spannend wird es beim konkreten Verhalten etwa. in einer Kundensituation. Bei Testverfahren ist Deutschland noch immer sehr skeptisch, insbesondere wenn es um die Erfassung von Intelligenz geht. Aber validierte Instrumente zur Persönlichkeitsmessung sind ja auch möglich und liefern zumindest weitere Anhaltspunkte für die Eignung, sofern sie wissenschaftlich fundiert sind.
Wolf: Optimal ist es, wenn das von Professor Nachtwei beschriebene Vorgehen auf die Rahmenbedingungen des konkreten Versicherers angepasst wird. Die strategische Ausrichtung im Maklervertrieb, das Betreuungsmodell etwa nach Segmenten wie eingangs beschrieben und weitere unternehmensindividuelle Stellhebel sind hier zu berücksichtigen.

Werfen wir noch einen Blick auf die Personalentwicklung. Was empfehlen Sie Versicherern, um die vorhandenen Maklerbetreuer für ihren Job im veränderten Marktumfeld fit zu machen?
Nachtwei: Wir haben uns in einigen Projekten die Qualität von Personalentwicklung im Vertrieb einmal genauer angesehen. Leider gibt es hier noch viele Defizite und der Markt scheint überschwemmt von selbst ernannten Experten. Einige Dinge kann man aber bei der Gestaltung guten Gewissens empfehlen. Zunächst sollten sich Versicherer vorab Gedanken machen, welche Kompetenzen überhaupt entwickelt werden sollen. Denn ein Vertriebstraining sagt nur aus, dass zum Thema Vertrieb trainiert wird, nicht jedoch, welche Kompetenzen konkret entwickelt werden sollen. Saubere und sinnvolle Kompetenzmodelle sind keine Selbstverständlichkeit in der Praxis, aber das Thema ist zu bewältigen. Dann sollten im Vorfeld Standortanalysen der Teilnehmer an den Maßnahmen stattfinden, letztlich eine Potenzialbeurteilung, um spezifisch statt mit der Gießkanne entwickeln zu können. Kompetenzen und Potenzialbeurteilungen können durchaus auch mit Blick auf künftige Entwicklungen betrachtet werden, worauf die Frage ja ein wenig abzielt. Ansonsten sollte sehr verhaltensnah und individuell entwickelt werden. Die Tipps und Tricks vor großer Runde zu erläutern, ist limitiert.

Was halten Sie von standardisierten Regeln für besseren Verkauf?
Nachtwei: Offenbar wird in solchen Entwicklungsmaßnahmen viel über die goldenen Regeln für besseren Verkauf gesprochen. Die Frage ist, ob Verkauf nicht ab einem gewissen Punkt hoch individuell ist und der Verkäufer selbst auch authentisch bleiben sollte. Daher wäre ich eher dafür, die Personalentwicklung auf das Vermeiden der allgemeingültigen Fettnäpfchen auszurichten statt auf die Suche nach dem Goldstandard für fulminante Vertriebsleistung. Denn es gibt zumindest im Zwischenmenschlichen einige grundlegende Fehler, die vermieden werden können und die für nahezu alle Bereiche gelten. Patentrezepte für viel Umsatz wiederum sind eher selten oder passen vielleicht schlicht nicht zur Persönlichkeit des Verkäufers, den Werten der Organisation oder anderen spezifischen Faktoren im Vertrieb.

Autor(en): Versicherungsmagazin.de

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