Zahlungsmoral in Deutschland sinkt

Die Zahlungsmoral in Deutschland ist im Vergleich zum Sommer 2008 nur noch "mittelmäßig". Das gaben 55 Prozent der 1.800 vom Kreditversicherer befragten Unternehmen in neun europäischen Ländern an. Lichtblick: Als "schlecht" bewerteten nur 5 Prozent der in- und ausländischen Firmen die Dauer, mit der hierzulande die Rechnungen beglichen werden. Die Folgen der sinkenden Zahlungsmoral bekommen vor allem die Mittelständler zu spüren, die sich verstärkt mittels Vorkasse oder einer entsprechenden Police gegen Forderungsausfälle schützen.

Wurde im Sommer 2008 mit nur einem Tag Differenz fast pünktlich gezahlt, weiche die Zahlungsdauer bereits vier Tage vom Zahlungsziel ab. Auch bei den deutschen Unternehmen hat die Zahlungsmoral demzufolge nachgelassen und sich gegenüber ihren Lieferanten im Ausland um sieben Tage von 36 auf 43 Tage erhöht. Diese Steigerung wird laut Studie nur in Italien und Südamerika übertroffen.

"Selbst für gut geführte Unternehmen ist es eine echte Herausforderung, die Zahlungsdauer ihrer Geschäftspartner um einen Tag pro Jahr zu verkürzen. Dies verdeutlicht, wie lange es dauern wird, drei oder gar sieben Tage wieder aufzuholen, um die sich die Zahlungsdauer durchschnittlich in nur sechs Monaten verlängert hat", sagt Michael Karrenberg, Leiter Risikomanagement bei Atradius Deutschland. Die Folge ist ein über Jahre deutlich erhöhter zusätzlicher Finanzierungsbedarf für die Unternehmen. Für einen größeren Mittelständler können so schnell eine Million Euro pro Jahr und mehr zusammenkommen, erklärt Karrenberg.

Relativ kurzes Zahlungsziel in Deutschland
Allerdings sei bei der Bewertung der deutschen Zahlungsmoral zur berücksichtigen, dass die europäischen Länder zum Teil deutlich unterschiedliche Zahlungsziele haben. So ergibt sich, dass Deutschland im europäischen Vergleich bei der absoluten Zahlungsdauer noch immer am schnellsten und zuverlässigsten sei. Denn hier liege das durchschnittliche Zahlungsziel mit 24 Tagen zum Teil weit unter dem anderer Länder. Unternehmen in Schweden hätten 30 Tage und in Spanien ganze 75 Tage Zeit, ihre Rechnungen zu begleichen. Unternehmen in Italien (11 Tage), Belgien (10 Tage) sowie in Frankreich und Großbritannien (jeweils 9 Tage) überschreiten dagegen die vereinbarten Zahlungsziele innerhalb ihrer Länder am deutlichsten.

Zunächst überraschend seien die Ergebnisse der Zahlungsausfälle in den befragten neun europäischen Ländern ausgefallen. Im Befragungszeitraum Mitte Januar bis Mitte Februar 2009 sind die Zahlungsausfälle innerhalb eines Landes gegenüber dem Sommer 2008 lediglich in den Niederlanden, Belgien und Frankreich gestiegen. In Großbritannien, Spanien und Schweden dagegen sind sie sogar recht deutlich gesunken. Allerdings spiegele der Befragungszeitraum nicht noch nicht die tatsächlichen Insolvenzfälle wider, warnt Karrenberg. "Wir gehen davon aus, dass insbesondere im zweiten Halbjahr die Zahl der Insolvenzen stark steigen wird und dementsprechend auch die
Zahlungsausfälle deutlich zunehmen".

Mittelstand rüstet sich zunehmend gegen Forderungsausfälle
Um sich vor Forderungsausfällen zu schützen, nutzen 45 Prozent der befragten Unternehmen das Instrument der Vorkasse. Dahinter folgt mit 35 Prozent die Kreditversicherung – mit Tendenz nach oben. Um einen Forderungsausfall von 10.000 Euro auszugleichen, müsse ein Unternehmen mit einer Umsatzrendite von 2,5 Prozent einen Mehrumsatz von 400.000 Euro erwirtschaften, erläutert Atradius Deutschland Chef Thomas Langen. Der Versicherer verzeichne daher einen Anstieg um 50 Prozent bei den Anfragen von Unternehmen insbesondere aus dem Mittelstand mit einem Jahresumsatz bis zu zehn Millionen Euro in den vergangenen Monaten. "Das zeigt, dass die Unternehmen deutlich höhere Risiken erwarten und daher bereit sind, in zusätzliche Schutzmaßnahmen zu investieren."

Autor(en): Angelika Breinich-Schilly

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