Zukunft der Altersvorsorge: Viel Kritik und große Unsicherheit

"Wer künftig für sein Alter vorsorgen will, muss nicht nur mehr Geld einsetzen als in der Vergangenheit. Sondern auch mehr Zeit und Energie." Das ist das Fazit eines Spiegel-Titels (19/2013) "Aus der Traum." An etlichen Beispielen zeigt der Beitrag, dass die Altersvorsorge in Deutschland nicht nur in einer existenziellen Krise, sondern auch an einem Wendepunkt steht.

Laut dem Präsidenten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland, der sich explizit zum Spiegelbeitrag äußerte, müssten die Problem der Altersvorsorge der Öffentlichkeit noch stärker bewusst gemacht werden. So sei die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) falsch. Die Zinssenkung der EZB würde auf Kosten der Altersvorsorgesparer gehen. Allein 2012 hätten die Lebensversicherer für ihre Kunden zinsbedingte Mindereinnahmen von vier Milliarden Euro hinnehmen müssen. Laut Spiegel ist aus Altersvorsorge tatsächlich längst „Alterssorge“ geworden.

Rechenbeispiele für Normalverdiener utopisch

Mannigfaltig sind die Beispiele, die sich durch alle Vorsorgeprodukte ziehen und zeigen, dass frühere Prognosen durch den Zinsabsturz nur noch Makulatur sind. Die Folge: Heute müsse eine 33-jährige Frau, die eine zusätzliche private Rente von 1.000 Euro anstrebt, je nach Zins- und Inflationsszenario monatlich zwischen 406 und 2.353 Euro zurücklegen, wie das Münchener Institut für Vermögensaufbau ermittelt hat. Selbst ein Mittelwert - von 1268 Euro, der bei einem Zins von zwei Prozent und einer Inflation von 2,5 Prozent notwendig werde - scheint für den Normalverdiener utopisch.

Trotz solch „düsteren Aussichten“ gebe es keine Alternative zum privaten Sparen. Rund ein Drittel ihres Einkommens müssen die Bürger künftig für die Altersvorsorge zurücklegen, schätzt Axel Börsch-Supan, Leiter des Forschungszentrums für Altersfragen am Münchener Max-Planck-Institut. Grund: Im Schnitt würden den Bürgern künftig 800 Euro fehlen, wenn sie lediglich eine Altersrente auf einem Niveau von 60 Prozent des letzten Lohns erzielen wollen. Eindrucksvoll zeigt eine Grafik, die Absenkung des Rentenniveaus von 57,4 Prozent im Jahre 1985 bis auf 46,4 Prozent im Jahre 2025.

Riester und der Sparstrumpf
Derzeit wird laut einer Postbankstudie im Schnitt gerade einmal 185 Euro im Monat für das Alter zurückgelegt. Für Versicherer dürfte es künftig weiterhin besonders schwierig werden, neue Kunden zu motivieren. So steht nach Einschätzung des Spiegels die Branche wegen ihrer „Undurchsichtigkeit“ unter „Generalverdacht“. Natürlich fehlt auch nicht der Hinweis auf die Sex-Reise der Ergo und die Polemik der Politikberaterin Cornelia Hagen vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die 2011 Riester-Sparen mit dem Sammeln von Geld im Sparstrumpf gleichsetzte.

Kritisiert werden die Versicherer zudem, weil
- Kosten-, Risiko- und Schlussüberschüsse laut Barbara Sternberg von Öko-Test „Verschiebebahnhöfe seien, bei denen sich die Versicherer zusätzliche Gewinne abzwacken können“ und Kosten systematisch verschleiert würden;
- einzelne Versicherer für heue 20-Jährige mit einer Lebenserwartung von „109 und mehr Jahren“ kalkulieren würden;
- die Abschlusskosten, als größter Kostenanteil in den ersten fünf Jahren der Vertragslaufzeit „kassiert“ würden;
- bei fondsgebundene Riester-Rentenversicherungen bis zu 75 Prozent der Beiträge auf Kosten entfallen können, wie eine Studie des Münchener Max-Planck-Instituts anhand von 200 Verträgen gezeigt hat;

Laut GDV-Präsident Erdland, will die Branche ihre Kosten künftig weiter senken. In der Lebensversicherung sei die Verwaltungskostenquote seit 1995 schon halbiert worden. Derzeit würden Lebensversicherer – trotz niedriger Zinsen – immer noch eine Rendite von mehr als vier Prozent bringen – wenn der Vertrag bis zum Ende durchgehalten würde.

Eine Alternative: Staatsfonds für alle?
Als mögliche Alternative zum aktuellen Vorsorgesystem in Deutschland werden eine stärker geförderte bAV nach einem SPD-Konzept und dem schwedischen Staatsfonds vorgeschlagen. Beide Modelle setzen auf einen Zwangseinstieg, der aktiv abgewählt werden muss. Bei der SPD-„Betriebsrente Plus“ sollen Arbeitnehmer zwei Prozent ihres Einkommen in eine Betriebsrente einzahlen. Wer so spart, soll eine pauschale Förderung von 400 Euro pro Jahr erhalten. Der schwedische Staatsfonds AP7 wird von der Rentenbehörde organisiert. In ihn zahlen die Bürger jährlich 2,5 Prozent des Bruttolohns ein – falls sie sich nicht aktiv für privates Sparen entscheiden. Der Fonds hat bisher – bei einem hohen Aktienanteil von rund 40 Prozent – eine Durchschnittsrendite von fünf Prozent erwirtschaftet.

Schwedisches Modell: Kunde trägt volles Kapitalmarktrisiko
Laut dem Münchener Max-Planck-Institut sind seine Kosten mit lediglich sechs Prozent im Vergleich zu deutschen Fonds, bei denen bis zu 41 Prozent des Rentenkapitals auf Kosten entfallen würden, extrem niedrig. Nach Meinung des GDV ist die deutsche Riester-Rente, obwohl kostenträchtiger, gegenüber dem schwedischen Modell vorteilhafter. „Beim schwedischen Modell trägt der Versicherte das Kapitalmarktrisiko in voller Höhe allein“, erläutert GDV-Präsident Erdland. Geringverdiener und Familien erhielten aber keinerlei Förderung.

Ein Trend weg von Garantien hin zu mehr Risiko, wird auch von den deutschen Lebensversicherern erwartet. Als Kronzeugen werden Allianz und Ergo genannt, die bereits neue Renten-Policen angekündigt haben, die deutlich mehr Renditen erwirtschaften könnten. Favorisiert wird zudem ein Informationsblatt, dass den Stand der gesamten Altersvorsorge – sowohl gesetzlich als auch privat – jährlich darstellt und den Bürger so eine Orientierung gibt. Auch eine solche Renteninformation ist in Schweden bereits verwirklicht.

Bild:© Dieter Schütz /

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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