Umsatzsteuer in mehrstufigen Vertriebssystemen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesfinanzhof (BFH) haben sich in inzwischen in einer ganzen Reihe von Entscheidungen mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Umsatzsteuerbefreiung für die Vermittlung bestimmter Produkte wie Kredite, Beteiligungen oder Versicherungen greift, wenn diese in mehrstufigen Vertriebssystemen vermittelt werden.

In einer Entscheidung vom 21. Juni 2007 stellte der EuGH für den Bereich der Kreditvermittlung klar, dass es für die Befreiung von Untervertreterprovisionen von der Umsatzsteuerpflicht nicht darauf ankommt, ob der Vertreter zu einer der Parteien des Kreditvertrages seinerseits in einem direkten (Vermittler-)Vertragsverhältnis steht. Der EuGH hat es vielmehr genügen lassen, dass der Untervertreter vertraglich (nur) an eine Vermittlungsgesellschaft gebunden war, die ihrerseits vertragliche Beziehungen zu den Produktgebern unterhielt.

EuGH setzt Rechtsprechung fort
Diese Rechtsprechung hat der EuGH nunmehr in seiner neuesten Entscheidung vom 3. April 2008 konsequent fortgesetzt. Auch im Bereich der Versicherungsvermittlung gilt: Der Umstand, dass ein Versicherungsmakler oder -vertreter zu den Parteien des Versicherungsvertrages, zu dessen Abschluss er beiträgt, keine unmittelbare Verbindung, sondern nur eine mittelbare Verbindung über einen anderen Steuerpflichtigen unterhält, schließt eine Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht für diesen Makler oder Vertreter nicht aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn der andere Steuerpflichtige seinerseits mit dem Makler/Vertreter vertraglich verbunden ist und selbst in unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu einer der Parteien des Versicherungsvertrages steht.

Danach spielt es also keine Rolle, dass der Untervertreter eines Maklers/Hauptvertreters weder zu den Versicherungsgesellschaften in Form eines Vertretervertrages oder einer Courtagezusage noch zu den Kunden im Wege eines Maklerauftrages in direkten vertraglichen Beziehungen steht. Es genügt vielmehr, wenn der Makler / Hauptvertreter über solche direkten Vertragsanbindungen verfügt und diese mittelbar – über das zum Makler / Hauptvertreter bestehende Vertragsverhältnis – auch für den Untervertreter fortwirken.

Entscheidend sind die tatsächlich erbrachten Leistungen
Die vertraglichen Beziehungsgeflechte zwischen den Beteiligten sind also nach diesen Entscheidungen des EuGH – im Gegensatz zu früheren Urteilen des BFH – nicht mehr entscheidend. Damit rückt die Frage in den Vordergrund, ob die Vergütung, deren Umsatzsteuerpflicht zu beurteilen ist, tatsächlich für Vermittlungsleistungen bezahlt wird, die unter die Befreiungsvorschriften fallen.

Der EuGH hat in dem von ihm zu beurteilenden Fall festgestellt, dass die Tätigkeiten der Klägerin im niederländischen Ausgangsverfahren „unbestreitbar die Merkmale der Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers oder -vertreters“ aufweisen. Hierbei handelte es sich um
  • den Abschluss von Versicherungsverträgen,
  • die Behandlung von Policenänderungen,
  • die Ausstellung von Versicherungspolicen,
  • die Verrechnung von Provisionen sowie
  • die Erteilung von Auskünften gegenüber der Versicherungsgesellschaft und den Versicherungsnehmern.

Fazit
Für Versicherungsuntervertreter, die im Wesentlichen mit vermittelnden Tätigkeiten der vorstehenden Art betraut sind und dafür auch ihre Vergütung erhalten, dürfte das Thema „Umsatzsteuerpflicht“ nach dieser Entscheidung des EuGH an Brisanz verlieren. In bereits laufenden Verfahren sollten Steuerberater, Behörden und Gerichte in jedem Fall auf die Entscheidung des EuGH hingewiesen werden, sofern diese nicht ohnehin schon bekannt ist.

In der neuesten Rechtsprechung des BFH ist allerdings die Tendenz zu beobachten, dass mit Superprovisionen vergütete Tätigkeiten im „Mittelbau“ mehrstufiger Vertriebssysteme (unter anderem Werbung neuer Vermittler, Schulung und Motivation) als nicht mehr der Umsatzsteuerbefreiung unterfallend beurteilt werden. Hier bleibt die weitere Entwicklung speziell für den Bereich der Vermittlung von Versicherungen abzuwarten.

Das Urteil des EuGH vom (Az: C-124/07) finden Sie im Volltext unter .

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Autor(en): Dr. Michael Wurdack

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