Pflege: Private Finanzierung schon heute problematisch

Angehörige werden meist zu Hause gepflegt. Das geht aus der jetzt vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Pflegestatistik hervor. Danach erhalten rund 1,8 Millionen Menschen Pflegegeld und pflegen ihre Angehörigen selbst oder beschäftigen einen ambulanten Pflegedienst. Nur 0,74 Millionen der insgesamt rund 2,5 Millionen Pflegebedürftigen werden in Heimen vollstationär betreut. Auf die häusliche Pflege entfiel somit Anfang 2012 ein Anteil von rund 70 Prozent. Insgesamt waren 83 Prozent der Pflegebedürftigen 65 Jahre und älter; 36 Prozent sogar über 85 Jahre alt.

Anscheinend ist für viele Haushalte schon heute die Finanzierung der Pflege ihrer Angehörigen ein Problem. Bekanntlich trägt die gesetzliche Pflegeversicherung lediglich rund die Hälfte der tatsächlichen Kosten. Pflegebedürftige müssen laut dem "Barmer GEK-Pflegereport 2012" durchschnittlich 31.000 Euro für ihre Pflege aus eigener Tasche aufwenden. Wer in ein Pflegeheim muss, zahlt sogar teilweise zehnmal so viel. Günstiger ist da eine Pflege "unter der Hand". Laut der Deutschen Krankenversicherung DKV sollen 60.000 bis 100.000 illegale Pflegekräfte in deutschen Haushalten beschäftigt sein. "Für Monatslöhne von vielleicht 1.000 Euro leisten sie oft eine 24-Stunden-Pflege, die bei einem professionellen Pflegedienst ein Vielfaches kosten würde", kritisiert die DKV.

Unbefangene Einstellung zu Schwarzarbeit
Diese Schwarzarbeit ist für viele "Arbeitgeber" ein Kavaliersdelikt. Um ihre Angehörigen zuhause pflegen zu können, wäre ein Viertel aller Deutschen bereit eine Pflegekraft illegal zu beschäftigen, so die DKV in einer Umfrage. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem hohen Bußgeld belegt werden kann. Immerhin wären 58 Prozent aller Arbeitnehmer auch bereit, ihre Angehörigen selbst zu pflegen, falls dies mit dem Job vereinbart werden kann. Was anscheinend selten der Fall ist. Denn nur vier Prozent der Arbeitnehmer haben laut Bundesgesundheitsministerium bisher die Pflegezeit genutzt und sich ein halbe Jahr von der Arbeit freistellen lassen.

Mehr Angebote für Pflege-Bahr
Mehr private Vorsorge tut also not. Doch die neue staatliche Pflegeversicherung, der so genannte Pflege-Bahr, ist bei Verbraucherschützern und Politikern stark umstritten. Die SPD hat bereits angekündigt, dass das Angebot wieder abgeschafft wird, wenn sie Bundestagswahl 2013 gewinnt. Das dürfte aber nicht ganz einfach sein. Mittlerweile sind mit der Barmenia, Central, Debeka, Deutschen Familienversicherung, der Huk-Coburg, Ergo-Direkt, Münchener Verein und Signal-Iduna schon neun Anbieter am Markt. Viele weitere wollen folgen. Immerhin ist der Pflege-Bahr im Vergleich zur Riester-Rente deutlich einfacher konstruiert. Die Versicherten müssen im günstigsten Fall lediglich einen Beitrag von zehn Euro selbst leisten. Die staatliche Zulage in Höhe von fünf Euro monatlich beantragt der Versicherer direkt.

Innovativ: Der "Förder-Pflege-Schutz" der Ergo Direkt kann auch per Handy abgeschlossen werden. Damit zielt der Direktversicherer auf junge Kunden, die aber in der Regel selten eine Pflegepolice abschließen. Möglich, dass der Pflege-Bahr gerade im Direktgeschäft erfolgreich ist, denn die Provisionsdeckelung auf zwei Monatsbeiträgen, dürfte umfassende Beratungen kaum möglich machen.

Später Beitragsexplosion?
Kritiker befürchten aber, dass der Verzicht auf die Gesundheitsprüfung später zu einer Beitragsexplosion führen könnte. Der Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) verweist darauf, dass eine Anpassung nur mit Zustimmung eines Treuhänders möglich ist. Damit will die PKV-Lobby wohl unterstreichen, dass Versicherer die Prämien schon heute realistisch kalkulieren müssen. Auf jeden Fall dürfte es lange dauern, bis es bei Pflege-Bahr zu den ersten Beitragssteigerungen kommt, denn gesetzlich ist eine Wartefrist von fünf Jahren vorgeschrieben.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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