Die Zukunft ist digital oder gar nicht

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Die Versicherungswirtschaft macht ernst mit der Digitalisisierung. "Für die meisten Versicherer ist die Digitalisierung eine der höchsten Prioritäten, wenn nicht die höchste", so Dr. Christian Kinder, Partner und Leiter der Praxisgruppe Versicherungen im deutschsprachigen Raum bei Bain & Company. Das Beratungshaus hat die fünf wichtigsten digitalen Bereiche der Assekuranz identifiziert.

Nach Analysen der Berater erlebt die Versicherungsbranche derzeit spürbare Veränderungen in fünf Bereichen: digitale Plattformen, Omnikanal, Big-Data-Nutzung, Dunkelverarbeitung sowie Aufbau agiler Organisationen. In die Digitalisiserung investierten die Unternehmen mittlerweile dreistellige Millionenbeträge.

Digitale Plattformen
Hier stehe die Assekuranz noch am Anfang. Plattformen sollen herkömmliche Internetauftritte ersetzen und den Kunden eine zentrale Anlaufstelle für alle Themen bieten. Wessen Anfragen, gleichgültig ob zu Kfz oder Gesundheitsthemen, zentral erfasst und beantwortet werden, fühlt sich ernst genommen und bleibt dem Versicherer eher treu. Zumal wenn die Kundenbindung noch mit neuartigen Bonusprogrammen gestärkt werden kann. Versicherer schalten so auch die Konkurrenz von Intermediären aus, wissen die Berater.

Omnikanal
Versicherungskunden akzeptieren nicht mehr länger die noch bestehenden Grenzen zwischen herkömmlichen und digitalen Kommunikationskanälen. Die Gesellschaften müssen deswegen den Wandel vom Multi- zum Omnikanalvertrieb vorantreiben. Mit der Vernetzung ihrer zumeist siloartigen Vertriebsstrukturen schaffen die Versicherer "eine grenzenlose Kundenreise". Die Kundendaten werden künftig jederzeit auf allen Vertriebskanälen zur Verfügung stehen.

Big Data
Bis 2020 planen die Lebensversicherer, ihre Ausgaben für Big-Data-Analysetechnologien pro Jahr um 24 Prozent zu steigern, die Sachversicherer sogar um 27 Prozent. Vorreiter ist laut der Analysten die Kfz-Versicherung. Erste Telematik-Tarife nutzen bereits Boxen oder Apps, um das Fahrverhalten zu messen und individuelle Beiträge zu kalkulieren. "Jüngere Autofahrer können bei einigen Telematik-Tarifen bis zu 40 Prozent der Prämie sparen", so Bain-Partner Dr. Florian Mueller. In den kommenden Jahren würden diese Tarife deshalb deutliche Marktanteile erobern,lautet Muellers Prognose.

Dunkelverarbeitung
Die Nutzung großer Datenmengen sei eine Kernkompetenz und das Herzstück von Versicherungsunternehmen, sagt Mueller. Dies werde sich durch Big Data und Advanced Analytics noch deutlich weiterentwickeln Allerdings müssten die Unternehmen dafür bestehende Denkmuster aufbrechen und interne wie externe Daten konsequenter nutzen. Eine intelligente Dunkelverarbeitung habe bereits jetzt Einzug in zentrale Prozesse wie Underwriting und Schadenmanagementgefunden.

Aufbau agiler Organisationen

Dies bezeichnen die Analysten als die größte Herausforderung für die Assekuranz. Die schwerfällige Branche muss umdenken: Geschwindigkeit, Agilität sowie Fehlertoleranz seien die Erfolgsfakoten des digitalen Zeitalters. An diesem Kulturwandel führe kein Weg vorbei und erste Unternehmen experimentierten bereits mit hauseigenen Labs.

Folgende Grundregeln sind nach der Bain-Anaylse unabdingbar für die digitale Transformation der Branche:
  • Konsequentes Denken aus Kundensicht. Knapp 80 Prozent der Kunden wollen in den nächsten fünf Jahren über digitale Kanäle mit ihrem Versicherer interagieren. Je besser die Anbieter auf diese Bedürfnisse eingehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, ihre Kunden langfristig zu binden.
  • Entschlossenes Handeln ist das Gebot der Stunde. Die Hoffnung trügt, das Risiko von Fehlentscheidungen und -investitionen durch eine Bündelung von Maßnahmen in einem großen Projekt minimieren zu können. Sehr reell ist dagegen die Gefahr, den Anschluss an den Markt zu verlieren.
  • Aufbruchsstimmung in allen Abteilungen. Die Digitalisierung ist kein Vorstands- oder Abteilungsprojekt, sondern muss das gesamte Unternehmen erfassen sowie von allen Führungskräften verstanden und gelebt werden.
  • Wandel wird Alltag. Versicherer denken langfristig und aus Risikoperspektive. Das ist in der Tarifkalkulation und im Underwriting auch weiterhin notwendig. Gleichzeitig brauchen sie jedoch auch einen größeren Risikoappetit gepaart mit einer Fast-Failure-Kultur, um im Versicherungsmarkt von morgen zu bestehen.
"Die Versicherer beginnen, die Digitalisierung zu leben", hat Kinder beobachtet. Zunehmend würden Geschäftsmodelle erkennbar, mit denen sich weiterhin attraktive Erträge und Margen erwirtschaften liessen. Wer nicht mitziehe, gefährde seine Existenz warnt der Experte.

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Quelle: Bain & Company
Bildquelle: © Cassis /Fotolia.com

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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