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Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb

1. Begriff: Zulassungsvoraussetzung für Versicherungsunternehmen. Nach koordiniertem Recht darf der Betrieb des Versicherungsgeschäfts erst aufgenommen werden, wenn durch Erlaubnis der Aufsichtsbehörde die Unbedenklichkeit des Betriebs erklärt worden ist.

2. Verfahren: Zuständig für die Zulassung ist die Aufsichtsbehörde des Sitzlands des Unternehmens. Bei Ausweitung der Tätigkeit durch eine Niederlassung (Niederlassungsfreiheit) oder im Dienstleistungsverkehr (Dienstleistungsfreiheit) auf andere Staaten des Binnenmarkts ist dort keine Erlaubnis notwendig. Die Erlaubnis wird für den gesamten Binnenmarkt erteilt. Sie wird für jeden Zweig gesondert oder aber für Zweiggruppen (z.B. See- und Transportversicherung) ausgesprochen. Die Erlaubnis wird nur auf Antrag erteilt. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) erlangen mit der Erteilung der Erlaubnis Rechtsfähigkeit.

3. Ergebnis: a) Die Erlaubnis muss erteilt werden, wenn die Voraussetzungen (s.u.) erfüllt sind (Ausnahme: Niederlassungen aus Drittländern; Ermessensentscheidung des BMF; ohne praktische Bedeutung).
b) Die Erlaubnis ist zu versagen (§ 11 VAG), wenn die Geschäftsleiter oder Mitglieder des Aufsichtsrats nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen (s.u.), die Inhaber einer bedeutenden Beteiligung (Anteilseignerkontrolle) nicht zuverlässig sind oder aus anderen Gründen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, der Versicherer Tochtergesellschaft einer Holding wird, die von ungeeigneten Personen geleitet wird, der Geschäftsplan nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht oder Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass in der Krankenversicherung das Tarifwechselrecht des § 204 VVG durch Konzernzugehörigkeit unterlaufen werden soll (§ 11 I Nr.4 lit.c VAG).
c) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine wirksame Aufsicht beeinträchtigt wird (siehe dazu § 11 II VAG) oder der Antrag auf Zulassung nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben und Unterlagen enthält.
d) Die Erlaubnis kann auch unter Auflagen erteilt werden.

4. Erlaubnisvoraussetzungen: a) Es werden nur Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (AG), des VVaG, öffentlich-rechtlicher Anstalten oder Körperschaften öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen) sowie der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, kurz: SE) zugelassen. Pensionsfonds dürfen nur als AG oder VVaG geführt werden.
b) Es muss ein Geschäftsplan vorgelegt werden, der den Zweck und die Einrichtung des Unternehmens sowie das beabsichtigte Geschäftsgebiet zu erkennen gibt und aus dem sich ergibt, dass die künftigen Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen dauernd erfüllbar sind (§ 9 I VAG). Der Begriff „Einrichtung“ ist dem Gesetzestext entnommen und wird in der Literatur und der aufsichtsbehördlichen Praxis als „Organisationsstruktur“ verstanden; dazu zählen u.a. die Art und der Umfang des Versicherungsunternehmens, das Gefüge und Zusammenspiel der Geschäftsleiter und sonstigen Verantwortungsträger, wie z.B. verantwortliche Aktuare, Treuhänder, Abschlussprüfer, Inhaber bedeutender Beteiligungen sowie ferner die Konzern- und Gruppenstruktur. Wegen der Einzelheiten der Bestandteile des Geschäftsplans und der zusätzlich einzureichenden Unterlagen und Angaben vgl. § 9 II-V VAG.
c) Das Lebensversicherungsgeschäft darf in Deutschland nur solchen Versicherungsunternehmen erlaubt werden, die keine anderen Versicherungssparten betreiben. Auch Versicherungsunternehmen, die die substitutive Krankenversicherung anbieten wollen, dürfen keine anderen Versicherungssparten betreiben (§§ 8 IV S. 2, 67 III VAG).
d) Die vorgesehenen Geschäftsleiter müssen zuverlässig und fachlich geeignet sein (§ 24 VAG, siehe auch Fit and Proper Test).
e) Die Anteilseigner einer bedeutenden Beteiligung am Unternehmen müssen den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Unternehmens zu stellenden Ansprüchen genügen, insbesondere zuverlässig sein (§ 16 VAG).
f) Lebensversicherer, Krankenversicherer (in der substitutiven Krankenversicherung) und Versicherer, die die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung (UBR) betreiben wollen, müssen einen verantwortlichen Aktuar bestellen. Das Gleiche gilt für andere Versicherer, die Deckungsrückstellungen von Renten in der Kfz-Haftpflicht-, Kfz-Insassenunfall- und Unfallversicherung zu berechnen haben.
g) Das Gesetz sieht die Bestellung einer Vielzahl von Treuhändern vor: Treuhänder für die Änderung von Prämien und Bedingungen, Treuhänder für das Sicherungsvermögen, Treuhänder für die Ausübung der Stimmrechte und Treuhänder im Rahmen des Sicherungsfonds.
h) Erstversicherer, die das Kraftfahrzeug-Haftpflichtgeschäft betreiben wollen, haben in allen Ländern des Binnenmarkts einen Schadenregulierungsbeauftragten zu benennen, der bei der Regulierung von Schäden behilflich ist, die durch Unfall in einem anderen Staat als dem des Geschädigten verursacht wurden (§ 163 VAG).
i) Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nicht mehr Gegenstand einer vorherigen systematischen Kontrolle („Genehmigung“). Für Pflichtversicherungen und die substitutive Krankenversicherung gilt allerdings eine Vorlagepflicht für die AVB.
j) Auch für die Tarife und die technischen Rückstellungen sind die präventiven Befugnisse der Aufsicht weggefallen. Für die substitutive Krankenversicherung haben die Versicherungsunternehmen allerdings die Grundsätze für die Berechnung der Prämien und mathematischen Rückstellungen der Aufsichtsbehörde vor Erteilung der Erlaubnis vorzulegen. In der Lebensversicherung hat das Unternehmen der Aufsicht nach Erteilung der Erlaubnis die Grundsätze für die Berechnung der Prämien und Deckungsrückstellungen vorzulegen. Gleiches gilt für die UBR („unmittelbar nach Aufnahme des Betriebs“).
k) Die Unternehmen haben noch weitere Unterlagen vorzulegen (u.a. um das Rückversicherungskonzept, das Vorhandensein eines Organisationsfonds sowie Prognosen für die Entwicklung des künftigen Geschäfts darzulegen), auf die hier aber nicht besonders eingegangen werden soll.
l) Versicherungsfremde Geschäfte sind verboten.

5. Versicherungsunternehmen aus Drittländern: Unternehmen mit Sitz außerhalb des EWR dürfen nur entweder über eine deutsche Tochtergesellschaft oder über eine Niederlassung im Inland tätig werden (Ausnahme: Ausländische Rückversicherer, die in Deutschland im freien Dienstleistungsverkehr tätig werden, vgl. Rückversicherungsaufsicht). Erstversicherern ist der Dienstleistungsverkehr nicht erlaubt. Für deutsche Tochtergesellschaften gelten die für deutsche Unternehmen geltenden Vorschriften. Für Niederlassungen von Erstversicherern aus Drittländern gelten im Wesentlichen ähnliche Vorschriften. Hervorzuheben ist, dass für die Niederlassung im Inland ein Hauptbevollmächtigter bestellt werden muss.

6. Widerruf der Erlaubnis: Der Entzug der Erlaubnis ist eines der wichtigsten Berichtigungsmittel der Aufsichtsbehörde, zugleich aber ultima ratio. Die Aufsichtsbehörde wird immer versuchen, zunächst mit den anderen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln etwaige Missstände zu beseitigen (z.B. Abberufung von Vorständen oder ihre Ersetzung durch einen Sonderbeauftragten). Wenn allerdings kein anderes Mittel mehr hilft, muss die Aufsichtsbehörde zum Äußersten greifen und die Erlaubnis widerrufen. Die Aufsichtsbehörde hat die Erlaubnis für einzelne Versicherungszweige oder insgesamt zu widerrufen (§ 304 VAG), wenn das Versicherungsunternehmen ausdrücklich auf die Erlaubnis verzichtet, die Mindestkapitalanforderung nicht erfüllt und die Aufsicht der Ansicht ist, dass der vorgelegte Finanzierungsplan unzureichend ist oder es dem Unternehmen nicht gelingt, innerhalb von drei Monaten den genehmigten Plan zu erfüllen, das Versicherungsunternehmen vom Sicherungsfonds ausgeschlossen wurde oder das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die Aufsichtsbehörde soll die Erlaubnis widerrufen, wenn das Versicherungsunternehmen seit der Erteilung der Erlaubnis innerhalb von zwölf Monaten keinen Gebrauch davon gemacht hat oder seit sechs Monaten den Betrieb eingestellt hat. Die Aufsichtsbehörde kann die Erlaubnis ganz oder teilweise widerrufen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt oder geschäftsplanmäßige oder gesetzliche Verpflichtungen in schwerwiegender Weise verletzt werden. Die Folge des Widerrufs ist, dass keine neuen Versicherungen mehr abgeschlossen und abgeschlossene nicht mehr erhöht oder verlängert werden dürfen.

7. Sanktionen: Der Betrieb von Versicherungsgeschäften ohne Erlaubnis ist strafbar (§ 331 VAG); wegen der Vermittlung von Versicherungsverträgen für eine nicht zugelassene Versicherungsgesellschaft siehe unter Aufsichtsmittel.

Autor(en): Dr. Helmut Müller

 

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