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Rohüberschuss

1. Begriff:Überschuss der Erträge über die Aufwendungen (mit Ausnahme des Aufwands für die Beitragsrückerstattung an die Versicherten) in der handelsrechtlichen Rechnungslegung von (Lebens-)Versicherungsunternehmen.

2. Hintergründe: Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen zwingen Lebensversicherungsunternehmen zu einer sehr vorsichtigen Kalkulation, so dass der Rohüberschuss mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit deutlich positiv ist. Daher sind Lebensversicherungsunternehmen durch gesetzliche Auflagen angehalten, wesentliche Teile des Rohüberschusses der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (RfB) zuzuführen und letztlich den Versicherungsnehmern über entsprechende Auszahlungen bzw. Erhöhungen der Versicherungsleistungen zugutekommen zu lassen (siehe auch Überschussbeteiligung). Der den Unternehmenserfolg beschreibende Jahresüberschuss ist demzufolge die Differenz zwischen dem Rohüberschuss und der Zuführung zur RfB.

3. Modell: Vereinfacht wird der Rohüberschuss durch folgende Formel beschrieben: Es bezeichne P die Prämienzahlung der Kunden, KA den Kapitalanlageerfolg, V0 und V die Deckungsrückstellung zu Beginn und am Ende des Geschäftsjahres, L die für Versicherungsfälle gezahlten Leistungen, K die Betriebskosten, S alle Stornoleistungen. Wird unterstellt, dass alle Prämienzahlungen zu Beginn des Jahres, alle Leistungen am Ende erfolgen, so lautet die Gleichung für den Rohüberschuss R: R=P+KA+V0-L-K-S-V.

4. Bedeutung: Ein positiver Rohüberschuss ist ein Indikator, dass das Versicherungsunternehmen – eine angemessene Bewertung von Kapitalanlagen und Versicherungsverpflichtungen vorausgesetzt – die aktuell bestehenden Versicherungsverpflichtungen dem Grunde und der Höhe nach erfüllen kann.

5. Beteiligung der Versicherungsnehmer: Durch die Mindestzuführungsverordnung ist seit Anfang 2008 im Detail geregelt, welche Teile des Rohüberschusses mindestens für die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer aufgewendet werden müssen. Vereinfacht sind dies mindestens 90 % des Kapitalanlageerfolgs sowie mindestens 90 % des Risikogewinns (falls insgesamt positiv) und mindestens 50 % des übrigen Ergebnisses (einschl. des Kostengewinns, jedoch nur positive Beträge). Diese Mindestanforderungen müssen getrennt für den Altbestand und Neubestand in jedem Wirtschaftsjahr erfüllt werden. Bis 2013 konnten negative Ergebnisse aus einer Ergebnisquelle nicht mit positiven Ergebnissen aus einer anderen verrechnet werden, sondern waren zulasten des Eigenkapitals vom Unternehmen zu tragen. Seit der Verabschiedung des Lebensversicherungsreformgesetzes ist eine Verrechnung von positiven und negativen Ergebnissen aus den Quellen Zins und Risiko möglich, eine Saldierung negativer Kostenergebnisse mit positiven Ergebnissen aus anderen Quellen jedoch unverändert ausgeschlossen. Abweichungen sind mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) möglich, wenn sie durch nicht vom einzelnen Unternehmen zu vertretende Ereignisse bedingt sind. Siehe auch Überschusszerlegung.

Autor(en): Norbert Heinen

 

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