„Die DAV sieht die Atomkraft nicht als nachhaltig an“

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Anlässlich des Plans der EU-Kommission, Atomkraft als nachhaltig einzustufen, hat Versicherungsmagazin Matthias Land aus dem Ausschuss Schadenversicherung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) um eine Einschätzung gebeten.

Die EU-Kommission plant, neben Gas auch Atomkraft als nachhaltiges Investment einzustufen. Dabei gilt diese Form der Energieerzeugung als nicht versicherbar. Kurz nach der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 veröffentlichten die Versicherungsforen Leipzig eine Studie, wonach die Haftpflichtpolice 19,5 Milliarden Euro jährlich kosten müsste, pro Kraftwerk und bei einer Bereitstellung der gesamten Versicherungssumme nach 100 Jahren. Sie haben sich die Untersuchung für uns noch einmal angesehen. Wie schätzen Sie das Ergebnis heute ein?
Das Ergebnis ist valide. Eine Besonderheit der Studie ist die Bandbreite, mit der gearbeitet wurde. Zugrunde gelegt wurde eine mittlere gesamt zu zahlende Versicherungssumme von 6.090 Milliarden Euro. Bei einer Weitergabe der Versicherungskosten an den Verbraucher würde sich, je nach Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadenfalls, der Preis für Atomstrom laut den Berechnungen von 0,139 Euro auf bis zu 2,36 Euro je Kilowattstunde erhöhen. Das entspricht einem Plus von 46 bis 780 Prozent. Selbst die Untergrenze ist schon eine Ansage.

Auftraggeber der Studie war der Bundesverband Erneuerbare Energien. Könnte das Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben?
Ich kann nicht erkennen, dass in eine bestimmte Richtung gearbeitet wurde. Eine Gegenprobe ist über ein Vehikel des Kapitalmarkts, die Katastrophen-Bonds, kurz CAT-Bonds, möglich. Die Katastrophe von Fukushima hat geschätzt zwischen 200 und 300 Milliarden US-Dollar verursacht. Das Volumen des CAT-Bond-Markts beträgt jedoch nur rund 50 Milliarden US-Dollar. Die Durchschnittskosten, die für einen CAT-Bond anfallen, werden mittelfristig vielleicht bei fünf Prozent im Jahr liegen. Bei einem angenommenen Schadenvolumen von 300 Milliarden US-Dollar würde der CAT-Bond den Emittenten als 15 Milliarden US-Dollar kosten.

Hinzu kommt, dass CAT-Bonds deshalb gefragt sind, weil sie sich gut zur Diversifikation eignen, da Naturkatastrophen keinen Abhängigkeiten unterliegen. Die Sicherheit eines Atomkraftwerks ist hingegen von verschiedenen Faktoren abhängig, also müsste eine entsprechende Schaden-Anleihe noch teurer sein.

Was heißt das zusammengefasst für die Versicherbarkeit von Atomkraft?
Man wird keine Lösung finden, die Atomkraftwerke in vollem Kostenrahmen versicherbar macht. Die DAV sieht die Atomkraft nicht als nachhaltig an. Und meine persönliche Meinung ist: Eine Technologie kann nicht nachhaltig sein, bei der wir hoffen müssen, dass bei ihrem Einsatz nichts passiert.

Das Interview führte Steffi Hüthig.

 

Matthias Land ist promovierter Mathematiker und gehört dem Ausschuss Schadenversicherung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) an. Er ist als Leiter Mathematik bei der Gothaer Allgemeine Versicherung tätig.

Autor(en): Steffi Hüthig

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