Kaum angetreten, schon Schelte vom Aktuar

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Dauerhaft niedrige Zinsen und eine alternde Gesellschaft machen dem deutschen Rentensystem zu schaffen. Doch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) ist sich sicher, hier helfen zu können.  Mit den Angeboten der neuen Bundesregierung ist sie nur halbwegs zufrieden. „Da geht noch mehr“, könnte folglich deren Tenor lauten.

„Die generationengerechte Weiterentwicklung unseres Rentensystems stellt in Anbetracht des demografischen Wandels und dauerhafter Niedrigzinsen eine große Herausforderung dar. Doch wir Aktuarinnen und Aktuare können an entscheidenden Stellen unterstützen“, zeigte sich Maximilian Happacher, stellvertretender DAV-Vorstandsvorsitzender auf der Herbsttagung von DAV und der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik (DGVFM) überzeugt.

Den Konzepten fehlen auf Fakten basierende Umsetzungsstrategien

Grundsätzlich begrüße die DAV den Vorstoß der Ampel-Koalition für eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, so Happacher. Den Konzepten würden jedoch konkrete, auf Fakten basierende Umsetzungsstrategien fehlen. So sei unklar, wie die Finanzierung der Vorschläge aussehen soll und zudem fraglich, ob eine Anschubfinanzierung von zehn Milliarden Euro für die erste Säule ausreicht. „Die unbequeme, aber unumstößliche Wahrheit ist, dass die Ausgaben runter und die Einnahmen rauf müssen. Daher sollten alle verfügbaren Lösungsansätze zunächst ohne Tabus diskutiert werden.“

Dazu würden auch Reformen der 2. und 3. Säule zählen. Hier sei es notwendig, Garantieanforderungen neu zu definieren sowie die Lücke der gescheiterten Riester-Reform zu schließen. „Die Reform des Altersvorsorgesystems darf nicht wieder vertagt werden, denn unser dreigliedriges Rentensystem ist nicht mehr sicher!“, warnte Happacher.

Staatliche Einfluss bei Wahl der sicheren Anlagen deutlich

Der Aktuar Michael Renz präsentierte vor dem Fachpublikum die Funktionsweise des Schwedischen Modells beziehungsweise der Prämienrente. Dabei werden 16 Prozent des Bruttoeinkommens, vergleichbar zum deutschen System, per Umlageverfahren in die gesetzliche Rentenversicherung eingespeist. Weitere 2,5 Prozent werden obligatorisch in einen Pensionsfonds investiert, der von einer staatlichen Organisation transparent verwaltet wird. „Der staatliche Einfluss wird hier insbesondere bei der Wahl der sicheren Anlagen deutlich“, kommentierte Renz das System. Diese würden sich rein auf schwedische Staatsfonds beschränkten, während der risikorelevante Teil in Fonds weltweit angelegt würde.

"Bei Riester brauchen wir einen Big Bang und kein Drehen an kleinen Stellschrauben“

Peter Schwark, stellvertretender Hautgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV),  bemängelte auf der Tagung, dass die Vorschläge der Ampel-Koalition aus Sicht der Versicherungswirtschaft viel zu kurz griffen. Der Vorstoß der FDP für eine kapitalgedeckte Altersversorgung sei zwar als Lichtblick zu werten, doch der gleichzeitige Ausschluss von Rentenkürzungen sowie der Erhöhung des Renteneintrittsalters würden erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Daneben bliebe im Sondierungspapier die längst überfällige Reform der 2. und 3. Säule. „Bei der Riester-Rente brauchen wir einen Big Bang und kein Drehen an kleinen Stellschrauben“, so Schwark.

Dies beträfe insbesondere eine Änderung der aufwendigen Prüfverfahren sowie die deutliche Kommunikation der Steuererstattungen, die für den Versicherungsnehmenden durch einen Riester-Vertrag entstehen. Kritisch sah Schwark, wenn der Staat zum Produktanbieter werden würde: „Der Staat ist Schiedsrichter und sollte daher nicht gleichzeitig als Spieler auftreten.“ Was in der 1. Säule laut „Schwedischem Modell“ praktikabel sei, habe jedoch in privater und beruflicher Altersvorsorge nichts zu suchen.

Quelle: Aktuar Aktuell

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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