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Genussrechtskapital

1. Begriff: Hybridkapital, das eine Zwitterstellung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital einnimmt. Genussrechtskapital wird gegen Gewährung von Genussrechten aufgebracht, die den Inhabern Vermögensrechte an einem Unternehmen meist in Form von Ansprüchen auf Gewinn (alternativ auch Zinsansprüche), ferner regelmäßig Rückzahlungsansprüche, jedoch keine Verwaltungs- oder Stimmrechte gewähren. Genussrechte begründen auch keine Eigentums- oder Mitgliedsrechte am Unternehmen. Wenn Genussrechte durch Wertpapiere verbrieft sind, werden sie als Genussscheine bezeichnet. Emissionen von Genussscheinen können als Inhaberpapiere oder als Namenspapiere erfolgen. Die Ausgestaltung basiert auf individuellen Vereinbarungen und weist daher vielfältige Formen auf.

2. Merkmale: Bei Genussrechtskapital handelt es sich in den meisten Fällen um nachrangiges Kapital (vgl. auch nachrangige Verbindlichkeiten). Es zählt unter bestimmten Nebenbedingungen auch zu den Eigenmitteln im Rahmen der Solvabilität von Versicherungsunternehmen (§§ 213 und 214 VAG).

3. Abgrenzung: Es handelt sich erst dann nicht um ein Genussrechtskapitalverhältnis, sondern um eine stille Gesellschaft, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine vertragliche Einigung auf einen gemeinsamen Zweck besteht (BFH-Urteil vom 8.4.2008). Die Abgrenzung ist hauptsächlich für die Besteuerung relevant.

4. Behandlung in der Rechnungslegung: Genussrechtskapital ist ein Posten auf der Passivseite der Bilanz eines Unternehmens. Die konkrete Bilanzierung ist grundsätzlich vom Sachverhalt abhängig. a) Passivierung als bilanzielles Eigenkapital: Voraussetzung ist eine ausreichende Haftungsqualität. Kriterien sind (1) Nachrangigkeit, (2) Erfolgsabhängigkeit der Vergütung sowie Teilnahme am Verlust, (3) Langfristigkeit der Kapitalüberlassung; ansonsten
b) Passivierung als Fremdkapital. Für Versicherungsunternehmen sieht Formblatt 1 RechVersV einen gesonderten Posten „Genussrechtskapital“ vor. Hat der Genussrechtsinhaber kein Rückforderungsrecht und will er ausdrücklich einen Ertragszuschuss leisten, führt die Kapitalüberlassung zu einer erfolgswirksamen Vereinnahmung. In diesem Fall erfolgt der Ausweis als außerordentlicher Ertrag nach § 277 IV S. 1 und 2 HGB. Die Bewertung erfolgt mit dem Nennbetrag. Im Anhang sind Angaben über bestehende und neu entstandene Genussrechte zu machen, und es ist der Betrag des Genussrechtskapitals anzugeben, der vor Ablauf von zwei Jahren fällig wird (§ 160 I Nr. 6 AktG; § 341a IV HGB; § 52 Nr. 1b RechVersV).

Autor(en): Dr. Frank Ellenbürger, Dr. Joachim Kölschbach, Prof. Dr. Heinrich R. Schradin

 

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