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Market Consistent Embedded Value (MCEV)

1. Begriff: Gesamtwert eines Lebens- bzw. Personenversicherungsbestands aus der Sicht der Eigentümer nach ausreichender Berücksichtigung der Risiken und des dadurch gebundenen Kapitals. Künftig gezeichnetes Geschäft (Goodwill, Geschäfts- oder Firmenwert) bleibt dabei unberücksichtigt, und die Bewertung der Risiken sollte weitestgehend auf Marktbeobachtungen beruhen.

2. Merkmale:
Die Definition des MCEV ist in Principle 3 der im Juni 2008 veröffentlichten „Market Consistent Embedded Value Principles“ des CFO-Forums enthalten. Die insgesamt 17 „Principles“ fordern ansonsten v.a. a) die Bewertung aus einer konsolidierten Eigentümersicht, d.h. u.a. die Einbeziehung von Erfolgen aus einem Geschäft unabhängig von ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Rechtseinheit innerhalb einer Versicherungsgruppe (Principle 1),
b) die klare Abgrenzung und Offenlegung des bewerteten Geschäfts (Principle 2),
c) Garantien und Optionen der Versicherungsnehmer explizit nach einem marktkonsistent kalibrierten stochastischen Modell zu bewerten (Principle 7),
d) ökonomische Annahmen zu Zinsen, Aktienpreisen, Volatilitäten etc. in Übereinstimmung mit aktuellen Swap-Rates (Principle 13), zu impliziten Volatilitäten von gehandelten Optionen (Principle 15) und zur Bewertung ähnlicher Cash Flows durch die Kapitalmärkte (Principle 12, 13) zu treffen, wobei Glättungen über historische Zeiträume nicht erlaubt sind (Principle 12),
e) die Aufschlüsselung der Kapitalkosten für Risiken, die nicht wie Kapitalmarkt- und Garantierisiken explizit zu bewerten sind, in die sog. Frictional Cost of Capital (FCC) und die Cost of Residual Non-Hedgeable Risk (CRNHR) (Principles 8 und 9),
f) die Berücksichtigung künftigen Managementverhaltens bei der Bewertung überschussberechtigter Versicherungsverträge (Principle 16),
g) detaillierte Vorschriften zur Offenlegung der Resultate (Principle 17).

3. Modell:
Der MCEV ist als Summe der folgenden Teilkomponenten darzustellen: a) RC = Required Capital = der Teil der über die Bedeckung der zu Marktwerten bewerteten Verpflichtungen hinaus verfügbare Teil der Aktiva in der ökonomischen Bilanz, der für die Bedeckung der Geschäftsrisiken gebunden ist,
b) FS = Free Surplus = die über die Bedeckung der zu Marktwerten bewerteten Verpflichtungen und das Required Capital hinaus verfügbaren Aktiva,
c) VIF = Value of Inforce. Dabei wird eine weitere Zerlegung des VIF vorgenommen in (1) PVFP = Present Value of Future Profits, (2) TVFOG = Time Value of Financial Options and Guarantees, (3) CRNHR = Cost of Residual Non-Hedgeable Risk und (4) FCC = Frictional Cost of Capital. Insgesamt gilt also die Aufschlüsselung MCEV = RC+FS+PVFP-TVFOG-CRNHR-FCC. Die Bemessung des RC orientiert sich bei vielen Unternehmensgruppen an internen Solvenzmodellen, oft jedoch auch an Standards, die relativ zu den Kapitalanforderungen unter Solvency I oder Solvency II gemessen werden. Der PVFP ist der beste Schätzwert für den (entlang der Swap-Kurve diskontierten) Barwert der künftigen Aktionärsgewinne aus der Abwicklung des Bestands unter der Annahme, dass alle Assets die risikolose Verzinsung erzielen. Er enthält daher den intrinsischen Wert der Garantien in Situationen, in denen der Marktzins deutlich unter den Garantiezins fällt, nicht jedoch den Zeitwert der Optionen und Garantien TVFOG. Der um den TVFOG geminderte Wert des Bestands aus der Eigentümerperspektive PVFP* = PVFP – TVFOG wird als Mittelwert des Barwerts künftiger Aktionärsgewinne in einer Vielzahl von (oft mehreren tausend) Kapitalmarktszenarien bestimmt, für die in einer Monte-Carlo-Simulation der Bestand über einen Zeitraum von 40‑100 Jahren abgewickelt wird. Die Szenarien müssen das Kriterium der Marktkonsistenz erfüllen, d.h. sie müssen für gängige Kapitalmarktinstrumente (insbesondere bestimmte Typen von Derivaten) als mittleren Barwert der künftigen Cash Flows den heutigen Marktpreis ergeben. Hieraus wird im Analogieschluss abgeleitet, dass die nicht an breiten Märkten gehandelten eingebetteten Optionen der Versicherungsverträge ebenfalls korrekt bewertet werden. Der isoliert auszuweisende TVFOG ergibt sich dann als Differenz PVFP-PVFP*. Durch die marktkonsistente Bewertungsmethode sind dem Kapitalmarkt zuzuordnende Risiken des Geschäfts implizit zu den aktuell beobachteten Marktpreisen im TVFOG berücksichtigt, müssen also anders als bei dem traditionellen Konzept des Embedded Value nicht mehr zusätzlich mit Kapital unterlegt werden. Dies gilt jedoch nicht für die übrigen Risiken des Geschäfts, insbesondere die biometrischen Risiken und die Kostenrisiken, die risikoexponiertes Kapital binden, auf das der Eigentümer eine Verzinsung it + Δ oberhalb des risikofreien Zinses it erwartet. Die Höhe des für diese Risiken zum Zeitpunkt t gebundenen Kapitals RC_NHR(t) wird in den meisten Modellen relativ zu Standardansätzen bestimmt, wie z.B. dem unter Solvency II vorgeschlagenen Bewertungsansatz. Der Barwert der jährlichen Zinsverluste Δ* SCR_NHR(t) wird als CRNHR bezeichnet. Unter FCC ist der Barwert von Minderungen des in den Rohüberschuss zugunsten des Eigentümers einfließenden Kapitalanlageerfolgs zu verstehen, der sich aus Kosten für das Kapitalanlagemanagement und aus Steuerbelastungen ergibt.

4. Ausprägungen:
Der MCEV ist Ergebnis komplexer Modellierungen mit vielfältigen Parametern, bei denen oft bereits kleinere Änderungen des Ausgangswerts große Wirkungen auf das Ergebnis entfalten können. Deswegen stellen die MCEV-Principles weniger eine Vorschrift zur Ermittlung einer einzelnen Zahl dar, sondern beinhalten im Wesentlichen auch detaillierte Vorgaben zur Analyse des MCEV hinsichtlich der Zerlegung in seine Teilkomponenten (s.o.) und ihrer Veränderungen im Zeitablauf (Analysis of Change) sowie ihrer Sensitivität gegenüber Änderungen der Eingangsparameter. In der Analysis of Change ist die gesamte Veränderung des MCEV innerhalb einer Periode aufzugliedern in die Einflüsse aus a) Modelländerungen,
b) Neugeschäft,
c) Abweichungen im versicherungstechnischen Erfolg der Berichtsperiode,
d) Abweichungen im Kapitalanlageerfolg der Berichtsperiode,
e) Abweichungen aus veränderten versicherungstechnischen Annahmen für die Zukunft,
f) Abweichungen aus veränderten ökonomischen Annahmen für die Zukunft,
g) Veränderungen des bilanziellen Eigenkapitals. Außerdem müssen die Auswirkungen von bestimmten Veränderungen wertbestimmender Faktoren in Form von Sensitivitätsanalysen aufgezeigt werden, u.a. von a) parallelen Verschiebungen der Zinsstruktur um je 100 Basispunkte nach oben bzw. unten,
b) Wertverlusten von 10 % auf Aktien- und Immobilienbestände (nach den MCEV-Principles kann die Sensitivität bei Wertverlusten für jede der beiden Assetklassen getrennt oder gemeinsam ausgewiesen werden),
c) Erhöhungen der impliziten Volatilitäten von Aktienoptionen bzw. Swaptions um jeweils 25 %,
d) veränderten Kostenlagen,
e) verändertem Stornoverhalten,
f) veränderter Sterblichkeit.

5. Ziele:
Mit dem Konzept des MCEV wird der Wertausweis für Versicherungsbestände in der Lebens- bzw. Personenversicherung einem Regelwerk unterworfen, a) das die vollständige mit den Bewertungsprinzipien der Kapitalmärkte konsistente Bewertung der zugrundeliegenden Verträge verlangt,
b) eine weitgehend normierte Berichterstattung sicherstellt,
c) und damit die externe Vergleichbarkeit verschiedener Unternehmen erleichtert.

6. Probleme: Der MCEV beruht auf teils anspruchsvollen theoretischen Konzepten und hat sich daher noch nicht in allen Unternehmen als regelmäßige Berichts- und Steuerungsgröße etablieren können. Seine Ermittlung ist einerseits komplex und zeitaufwendig und wird daher meist nur in größeren Zeitabständen (jährlich oder halbjährlich) durchgeführt, die Werte sind andererseits sehr stark von Kapitalmarktparametern abhängig, so dass eine regelmäßige Aktualisierung wünschenswert und notwendig wäre. Zudem ist es nicht immer einfach, den MCEV als eine sehr stark von aktuellen Rahmenbedingungen beeinflusste Steuerungsgröße für langfristiges Geschäft hinsichtlich seiner Relevanz für in die Zukunft gerichtetes Managementhandeln sachgerecht zu interpretieren.

7. Ähnliche Begriffe: Der MCEV stellt eine Weiterentwicklung des European Embedded Value dar. Siehe grundlegend auch Embedded Value und Traditional Embedded Value.

Autor(en): Norbert Heinen

 

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