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Alimentationsprinzip

1. Begriff: Konstitutives und zentrales Element der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“. Verfassungsrechtliche Basis ist Art. 33 V des Grundgesetzes (GG). Dort ist festgelegt: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln“. Diese Verfassungsbestimmung beinhaltet zunächst eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums in Deutschland. Weiter ist der Auftrag zur Regelung der hergebrachten Grundsätze durch Gesetze unmittelbar geltendes Recht für alle Gesetzgeber. Das Alimentationsprinzip als hergebrachter Grundsatz wird durch die Gewährung von Besoldung für Beamte und die Gewährung von Versorgungsbezügen für Ruhestandsbeamte (Versorgungsempfänger) umgesetzt. Nach Ablösung der bundeseinheitlichen Regelung der Besoldung und Versorgung durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats geschieht dies seit September 2006 in Form von Besoldungs- und Versorgungsgesetzen im Bund und in den Ländern (Beamtenversorgungsgesetze). Die hergebrachten Grundsätze i.S.d. Art. 33 V GG prägen und strukturieren weiter das besondere öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn und begründen zugleich ein grundrechtsgleiches Recht für jeden Beamten, soweit seine subjektive Rechtsstellung betroffen ist.

2. Konkretisierung: Das Alimentationsprinzip verpflichtet jeden Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren, indem ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt – auch im Alter – gewährt wird. Zur Absicherung dieses Verfassungsgebots besteht die Beamtenversorgung. Diese eigenständige Alterssicherung aller Beamten, Soldaten und Richter des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist mit dem Alimentationsprinzip als hergebrachter Grundsatz i.S.d. Art. 33 V GG institutionell gewährleistet und besonders geschützt.

3. Merkmale der „hergebrachten Grundsätze“: Mit den „hergebrachten Grundsätzen“ des Art. 33 V GG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Kernbestand von Strukturprinzipien besonders geschützt, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Geltung der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind. Die „hergebrachten Grundsätze“ begründen ein grundrechtsgleiches Recht für jeden Beamten, soweit die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist. Als Spezialgrundrecht für die Beamten geht es anderen Verfassungsbestimmungen, z.B. Art. 3 GG (Gleichheit vor dem Gesetz), vor. Daneben beinhalten die „hergebrachten Grundsätze“ einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, der in Form einer Gestaltungsdirektive Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten beinhaltet.

4. Weitere Charaktermerkmale: Das Alimentationsprinzip muss es dem Beamten ermöglichen, sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen, und es muss unter Wahrung der rechtlichen wie der wirtschaftlichen Sicherheit und Unabhängigkeit des Beamten zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum zugewiesenen Aufgaben beitragen. So muss jeder Beamte immer über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung des Grundbedürfnisses hinaus ein Minimum an Lebenskomfort ermöglicht. Hierbei hat der Besoldungs- und Versorgungsgesetzgeber die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amts in der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung sowie seine berufliche Leistung, die sich im verliehenen Amt ausdrückt, zu berücksichtigen. Bei der Konkretisierung der aus Art. 33 V GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Alimentation und deren Umsetzung durch Gewährung von Besoldung und Versorgung. Die Alimentation ist ein Maßstabsbegriff, der nicht statisch, sondern entsprechend der jeweiligen Zeitverhältnisse zu konkretisieren ist. So hat der Beamte grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamtenverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Auch garantiert Art. 33 V GG nicht die unverminderte Höhe der Bezüge als solche oder die Höhe des Alterssicherungsniveaus; der Gesetzgeber darf vielmehr die Besoldung und Versorgung auch kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt und notwendig ist. So sind z.B. die „hergebrachten Grundsätze“ des Berufsbeamtentums nicht dadurch verletzt, dass der Versorgungshöchstsatz von 75 % der zuletzt mindestens zwei Jahre zustehenden ruhegehaltfähigen Dienstbezüge auf 71,75 % abgesenkt wurde. Die Absenkung des Höchstruhegehaltssatzes erfolgte in acht Schritten, jeweils bei anstehenden Besoldungserhöhungen, zwischen den Jahren 2003 und 2011. Dennoch verdeutlicht die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung unmissverständlich, dass Versorgungsbezüge keine dem Umfang nach beliebig variable Größe sind, die sich allein nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand bemessen lassen. Das Alimentationsprinzip mit seinen Charaktermerkmalen wurde durch ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederholt bestätigt.

Autor(en): Klaus Dauderstädt, Peter Heesen

 

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